Dienstag, 21. Dezember 2010

Weihnachtszeit und solche Scherze.

Für unsere Nachbarin hat Weihnachten schon am 1. November angefangen, indem sie unseren GEMEINSAMEN Eingang behängt hat.



Das hat meine Gastmutter natürlich in Zugzwang gebracht, es kann ja nicht angehen, dass die Nachbarin so einen fetten Kranz an der Haustür hat und auch noch den GEMEINSAMEN Eingang schmückt (ohne zu fragen, versteht sich),und wir haben gar nichts. Also kaufte sie ein, und das ganze lag dann ungefähr eine Woche bei uns im Wohnzimmer herum, bis schliesslich die Cousine von der Nachbarin kam, um uns zu helfen, das war ein Samstagabend. Der komplette weibliche Teil der Familie stand dann in der Küche und hat Schaschlickspiesse mit grünem Papier umwickelt und später Kugeln drangeklebt, und solche Spässe, und als wir die fertige Girlande letztendlich aufhángen wollten (es war neun Uhr abends) beschwerte sich nach drei Hammerschlägen von oben der Nachbar. Naja, dann kamen noch einige andere Probleme, aber schliesslich sieht es so aus:

Auch in den Strassen wurde irgendwann geschmückt, so Ende November, und alles steht voll mit Plastikweihnachtsbäumen, Plastikengeln, Plastikgeschenken und das alles auch noch beleuchtet, am Besten noch in blau. Darauf fahre ich ja absolut ab. Blauer Weihnachtsschmuck. Nicht. Es gibt auch einen Laden an der Hauptstrasse, der nur Weihnachtsartikel verkauft. Abgesehen davon werden überall Guaitas, die typische venezolanische Weihnachtsmusik gespielt:

Adventsstimmung wollte nicht unbedingt aufkommen, zumindest nicht im bekannten Sinne.

Was auch sehr typisch weihnachtlich-venezolanisch ist, sind Hallacas.
Für alle, die es zu Hause nachkochen möchten: Man gehe in den Supermarkt und kaufe ein Blatt von einer Bananenpalme, das vorher irgendwie geräuchert wurde, damit es schön geschmeidig wird. Dann schrubbe man das ganze schön ab, damit es auch sauber ist, und schneide es zu. Man mache eine Mischung aus Maismehl und Hühnerbrühe und streiche das auf ein grosses Stück Palmenblatt. Darauf werfe man eine Mischung aus Fleisch und Gemüse (Paprika, Kichererbsen, was auch immer, je nach Rezept und Region), ein paar Rosinen, ein paar Oliven, je nach Rezept Hähnchen, Zwiebel, Paprika. Danach klappe man das Blatt zusammen, rolle es in ein zweites und ein drittes ein (alles auf eine ganz bestimmte Art und Weise) und knote es zusammen. Dann koche man das ganze eine Stunde in Salzwasser, hole es raus und lege es in den Kühlschrank. Und immer, wenn man keine Lust hat, etwas anderes zu kochen, hole man sie wieder raus, werfe sie nochmal ein paar Minuten in kochendes Wasser und fertig ist das Weihnachtsmittagessen (was jetzt noch fehlt ist ein Bild von einer geöffneten Hallacas, das hab ich bis jetzt noch nicht gemacht, wird nachgeliefert.)

Mittwoch kam Annika aus Cumana, und nachmittags haben wir, die AFS-Austauschschüler insgesamt 60 Hallacas gemacht. Ein vorher-nacher-Bild hätte sich gelohnt, es ist unglaublich viel Arbeit, und nach vier Stunden eifrigem Streichen und Knoten waren wir alle ziemlich erledigt.



Annika blieb bei mir, und Freitag kam dann auch noch Daniela mit ihrem Freund Jesus aus Cumana, es war nämlich weihnachtliches Abendessen mit AFS. Annika und ich hatten uns am Mittwoch mit der anderen Deutschen, Naeemah, verabredet, dass wir zusammen kochen, weil jeder Austasuschschüler ein typisches Essen aus seinem Land mitbringen sollte. Eigentlich wollten wir uns freitagmorgens treffen. Letztendlich waren wir dann um drei Uhr nachmittags bei ihr und hatten noch nicht eingekauft, das Essen sollte um sechs anfangen. Also sind wir zuerst einmal einkaufen gefahren, und erst gegen vier haben wir angefangen zu kochen: Kartoffelpuffer, Heidesandplätzchen und Hefebrezeln. Nach einigem Chaos (der Freund von Naeemahs Gastschwester:'also, da muss noch ein Ei dazu.' ich:'nee, das steht so im Rezept' 'ja, aber schau doch mal, das ist voll bröckelig' ich: 'CALLATE CARLOS!') und Angst um explodierende Hefeteige, hat am Ende doch alles geklappt (auch wenn die Plätzchen etwas hart waren, die Brezeln eben Hefebrezeln und keine Laugenbrezeln und die Kartoffelpuffer... ne, die waren eigentlich gut.) und um halb sieben waren wir fertig. Ich dachte, jetzt schnell umziehen und richten, damit wir nicht so sehr zu spät kommen, aber falsch gedacht. Nachdem wir uns wirklich schnell gerichtet hatten, mussten wir noch auf Naeemahs Vater warten, der mit uns da hingehen solte. Und der kam nicht. Und kam nicht. Letztendlich waren wir um acht da, nachdem ich von drei unterschiedlichen Leuten angerufen wurde, wo wir denn blieben.
Das ganze war letztendlich ganz nett und ganz lecker.

Annika und Dani blieben dann noch bis Samstagabend da und danach bin ich spontan mit nach Cumana, wo ich Sonntag mit Annika und ihrer Gastschwester Irina zum Strandhaus bin und danach endlich auch noch Harry Potter im Kino gesehen habe und am Montag haben wir mit Annikas Mutter noch so ein... ein Ding gemacht, etwas zum Thema Werte, schwer zu erklären. Dann kamen Dani und Jesus und wir sind zurück nach Lecheria gefahren, weil meine Schwester, die kleine Dani, Geburtstag hatte. Aus unterschiedlichen Gründen kamen wir erst ziemlich spät, als schon alle ihre Freundinnen, die sie zu einer Poolparty eingeladen hatte, wieder gegangen waren und wir nur die schon angeschnittene pinke Torte bewundern konnten. Schmeckt aber gar nicht schlecht, wenn man das pinke wegmacht, das schmeckt seltsam.
Und am Donnerstag gehts mit Sack und Pack (samt Oma und Fernseher) nach Margarita, bis zum 3. Januar. Mal sehen, wie das wird.

Aus der nicht vorhandenen Kategorie VERMISCHTES










Anlässlich von Jans Geburtstag sind wir nach Haifa gefahren, um zusammen mit zwei anderen deutschen Volontären, die in einer Einrichtung in einem der Vororte von Haifa arbeiten, die örtliche Clubszene auf ihre Exzessfähigkeit auszutesten.
Als wir uns dann auf den Rückweg machen wollten, fiel uns auf, dass unter der Woche morgens um halb fünf keine Sherutim mehr von Haifa nach Nahariyya oder überhaupt irgendwohin fahren. Wir verbrachten also fast eine geschlagene Stunde am Straßenrand, bevor wir ein Taxi zum Stehen bringen konnten und schließlich noch pünktlich zum Arbeitsbeginn um sechs Uhr in Nes Ammim ankamen:







Wasseela, Head of Housekeeping (:

Inzwischen hat uns Tamara, mein Mentor-Kind, nach drei Monaten wieder verlassen, aber immerhin hat sie Matze & mir (wir drei haben im selben Baracken-Gebäude gewohnt) ein Schild hinterlassen, um uns über ihre Abwesenheit hinwegzutrösten, bis sie im März mal wieder hier vorbeischaut:




Vor ein paar Tagen waren wir in einem Candlelight-Service in der arabisch-christlichen Kirche in Kfar Yasir. Es war ziemlich merkwürdig, den absoluten Overkill an Lichterketten, Christbaumkugeln und blinkenden Lichtern zu sehen, während es draußen zwar für uns eher kühlere, aber trotzdem absolut unweihnachtliche Temperaturen hatte. Der Gottesdienst war aber trotzdem richtig schön, auch wenn wir nichts verstanden, kam die Botschaft trotzdem rüber, und begeistert sangen wir auf deutsch und holländisch die arabischen Liedern mit uns bekannten Melodien mit. Hinterher versammelte sich die gesamte Gemeinde noch im Gemeindehaus, um das traditionelle Festival-of-Lights-Essen einzunehmen (sehr fleischhaltig, natürlich). Zwischenzeitlich fiel dann auch mal der Strom aus, und wir waren die einzigen, die trotz des allgemeinen Geschreis und der Dunkelheit ungerührt weiter aßen. Kommentar von Jane: Wenn man erst mal ein paar Regentage in Nes Ammim verbracht hat, lässt man sich von so Kleinigkeiten wie totaler Finsternis nicht mehr vom Essen abhalten. Wenn wir jedes Mal mit dem Essen aufhören würden, wenn der Strom ausfällt, würden wir ja verhungern!

Sonntag, 12. Dezember 2010

Das ist Israel, Baby!

Jetzt hat uns der Regen.
Während Freitagmorgen noch die Sonne schien, änderte sich das Wetter relativ unauffällig über mehrere Stufen zum Fast-Weltuntergang: sonnig-warm, sonnig-windig, grau-windig, windig-kalt, donner-windig, REGEN. Und seitdem hat es nicht mehr aufgehört. Die Wege stehen unter Wasser, der Eingang vom Bathcontainer sowieso, und es ist bitterkalt. Mittlerweile fällt ein bis zwei Mal am Tag der Strom aus (bisherige Höchstdauer: sechs Stunden), und das wird angeblich die nächsten drei Monate auch so bleiben. Da weiß man ja, worauf man sich freuen kann.
Der TS hat uns jetzt Gasheizer vorbeigebracht, aber als Matze versucht hat, meinen anzuschließen, mussten wir feststellen, dass weder der Gasheizer noch mein Gasanschluss funktionieren, was jetzt zur Folge hat, dass es sehr kalt ist und meine ganze Baracke nach Gas riecht, weshalb ich alle Türen und Fenster aufreißen musste, wodurch es natürlich noch kälter wird. Zum Glück hat meine Oma mir Wollsocken geschickt.

Ansonsten ist der Dezember ja ein relativ feiertagshaltiger Monat, und da nehmen wir alles mit, was uns geboten wird.
Erst haben wir Sinterklaas gefeiert, mit einem Haufen Schuhen auf der Bartheke, heißer Schokolade, Pepernoeten (sowas wie Pfeffernüsse, was allerdings am Ende in einer Pepernoeten-Schlacht im Moadon ausartete), holländischen Sinterklaas-Liedern und einem Sinterklaas, dem alle dreißig Sekunden entweder Hut oder Perücke über die Augen rutschten, und zwei sehr schwarzen Zwartje Piets.



Außerdem wird an Sinterklaas gewichtelt, nur verlangt die Tradition, dass man der zu beschenkenden Person noch ein Gedicht schreibt.
Nicht für ein Geschenk gedacht, aber ausgelöst durch eine erhitzte Debatte mit mehr oder weniger erbosten Holländern, nachdem wir es gewagt hatten, im NineDoors einen Film auf Deutsch zu gucken:

dutch sucks .
it sounds like fucking ducks.
it's spoken by all fools -
but german - yeah - that rules!



Einen Tag später waren wir im Altersheim in Shave Ziyyon, um mit den Leuten dort und einem Haufen Besucher Chanukka zu feiern. Es war wirklich nett, und ich habe festgestellt, dass es ein Chanukka-Lied auf die Melodie von TOCHTER ZION gibt (es geht allerdings um den Sieg des Makkabäeraufstandes, ist also nicht ganz so friedfertig. Die Holländer benutzen die Melodie übrigens auch, nur für ein Osterlied. Wenn jemand weiß, wer zuerst mit der Idee aufkam: ich bin für jeden Vorschlag dankbar). Hinterher haben wir noch mit ihnen zu Abend gegessen, und an Chanukka wird JEDES Gericht traditionellerweise frittiert, um an das Wunder zu erinnern, dass das Öl für das Licht im Tempel für acht Tage reichte anstatt nur für einen, wie erwartet. Zum Nachtisch gab es sogenannte Sufganiyot, das erinnert an Berliner, und wenn man draufdrückt, tropft unten das Öl raus. Beiläufig wurde uns mitgeteilt, dass ein Stück davon 500 Kalorien hat, und auf der Rückfahrt im Auto jammerte Jilke: "Als ich Anna-Sophie letzte Woche zur ihrer Chanukka-Feier in die Schule begleitet habe, habe ich FÜNF STÜCK davon gegessen! Das wusste ich doch nicht!"
Also keine Sorge, unser Kalorienbedarf wird hier trotz der Kälte gedeckt. Wo wir gerade davon sprechen... vielleicht sollte ich meine Tür mal wieder zumachen.
Eisige Grüße!

Montag, 6. Dezember 2010

Dich konnte ich schon immer gut riechen.


Und diese Aussage ist nach drei Tagen in der Wüste wörtlich zu nehmen.
Am letzten Wochenende im November fand das NEGEV-SEMINAR statt, das erste der vier großen Seminare, die jedes Jahr für die Volontäre angeboten werden (oder zumindest für einen Teil, denn ein paar müssen natürlich immer die Stellung halten, und so kam es, dass die TS-Jungs ihr Wochenende nicht damit verbrachten, Wände zu streichen und Türen wieder in ihre Angeln zu heben, sondern im Housekeeping Toiletten zu putzen und Betten zu machen).
Zusammen mit Youssef, unserem Arabisch-Lehrer und Experten für die Wüste/Fossilien/Geschichte/Geographie machten wir uns Donnerstagsmorgens äußerst früh in einem Reisebus (vollgepackt mit Matratzen, Schlafsäcken, Decken, Lebensmitteln und Gaskochern) auf den Weg Richtung Negev. Wir mussten eine ganze Weile fahren, denn unser Ausgangspunkt lag ungefähr auf einer Höhe mit Mitzpe Ramon, und das ist ziemlich weit im Süden, noch nach Beer Sheva. Nach einer ersten Wanderung (bei der ich gleich nach fünf Minuten einen Hügel auf dem Hintern runtergerutscht bin) verbrachten wir die Kaffeezeit bei Beduinen, wo wir reichlich Kaffee serviert bekamen. Bei den Beduinen ist noch Polygamie erlaubt (oder wird zumindest praktiziert), das Familienoberhaupt musste nur mit einem Finger zucken, und sofort sprangen alle Frauen, Kinder und jüngeren Männer durch die Gegend, um Anweisungen auszuführen,  die
wir kaum mitbekommen hatten, ihnen jedoch verständlich waren. Nach der zweiten Tasse Kaffee brachen wir wieder auf, denn wie ein arabisches Sprichwort besagt: Die erste Tasse Kaffee ist für den Gast, die zweite für den Spaß und die dritte fürs Geschäft. Dabei liefen wir an ihrer Kamelherde vorbei, und wie ein anderes arabisches Sprichwort sagt: Binde dein Kamel an einen festen Pfahl (es gibt sehr, sehr viele arabische Sprichwörter, und die Hälfte von ihnen scheint entweder überflüssig oder nichtverständlich für Außenstehende).
Wir schlugen unser Lager für die Nacht im Makhtesch Ramon auf, schichteten Matrazen ums Lagerfeuer und machten uns ans Kochen.



Um halb sechs war es stockdunkel und kalt, um sechs war das Essen fertig, und um acht lagen alle in ihren Schlafsäcken und waren mit Sterne-Zählen bereits fertig. Es ist erstaunlich, wie schnell man sich an den Rhythmus der Natur gewöhnt, und tatsächlich  bin ich erst am nächsten Morgen um sechs Uhr wieder aufgewacht, als Jennie uns liebevoll mit der Bushupe aufgeweckt hat. Die Überwindung, aus dem Schlafsack zu krabbeln, war riesig, immerhin gab es weder eine Heizung noch Toilette, Dusche oder Spiegel. Zumindest letzteres war vielleicht ganz gut, denn meine Haare sahen aus, als hätten sich nachts ein paar Wüstenrennmäuse darin ein Rennen geliefert.
Nachdem wir unser Lunchpaket geschnürt hatten, machten wir uns auf, Makhtesch Ramon genauer zu erkunden. Youssef hatte den gesamten letzten Tag damit verbracht, uns zu warnen, wie anstrengend und gefährlich die Wanderung werden würde und dass wir uns auf keinen Fall irgendwelchen Kanten nähern sollten und nicht stolpern und überhaupt. Vor meinem inneren Auge spielten sich also schon wahre Horrorszenen ab:



Ganz so schlimm war es dann nicht, alle überlebten, und dafür bot sich uns eine atemberaubende Aussicht:



Nach einem äußerst steilen Abklettern des ersten Berges machten wir Halt an der nächstgelegenen Filiale der AHAVA-Pflegelinie und probierten das ganze auch gleich mal aus. Sieht aus wie Weiße auf Kriegspfad, soll aber gut für Haut sein.



Unser Nachtlager schlugen wir wieder an der Stelle des Vortages auf, und wieder schlief ich durch, und das, obwohl ich eigentlich mit Nachtschicht drangewesen wäre (im Zwei-Stunden-Takt müssen zwei Leute immer Patrouille gehen, um wilde Tiere/diebische Beduinen/Aliens vom Lager fernzuhalten) (und ich muss dazu sagen: es war nicht meine Schuld. Ich wurde einfach nicht geweckt). Jolan und Joanne verbrachten ihre Schicht dann auch damit, einen Wolf (erfolgreich) abzuwehren, und auch das Wecken am nächsten Morgen gestaltete sich etwas freundlicher: Jesse verzichtete auf das Hupen und sang stattdessen ein spontan selbstkomponiertes Lied, das anfangs mit einem Teil über Sterne über den Bergen sehr arabisch klang, dann jedoch im zweiten Teil, der von den nicht vorhandenen Toiletten und Waschbecken sowie einem Sandwich mit Käse und Zwiebeln eindeutig nicht mehr danach klang.
Auf dem Rückweg in den Norden hielten wir ungefähr alle drei Minuten an, um uns Fossilien/bunten Sand/versteinerte Bäume anzusehen. Youssef stellte seine umwerfenden Ortskenntnisse unter Beweis ("Youssef, was ist dieser schwarze Stein hier genau?" "Oh, der gehört hier gar nicht hin. Der gehört eigentlich an den nächsten Ort, den muss bestimmt ein Tourist einfach mitgenommen haben." Ja klar, denke sich alle - und am nächsten Ort bemerken wir, dass der schwarze Stein wirklich dorthingehört).(Der weiße Punkt auf dem Foto ist übrigens ein Ballon, der als Standortsangabe eines Nuklearreaktors dort schwebt. Sollten Flugzeuge durch dieses Gebiet fliegen, werden sie abgeschossen. Punkt).
Zum Abschluss besuchten wir noch das Grab von Ben Gurion (der erste Premierminister Israels von der Gründung 1948 an) und seiner Frau, bewunderten ein paar Ziegenböcke in relativ freie Wildbahn



paddelten kurz im Toten Meer herum und machten uns wieder auf den Weg nach Nes Ammim.
Das Dorf sah aus wie ausgestorben - wohlweislich hielten sich alle von uns fern, bis wir eine Dusche genommen hatten.

Freitag, 3. Dezember 2010

There is fire on the mountain, and nobody seems to be on the run...

Dezmeber.
30 Grad.
Und Waldbrand.
Ein ziemlich krasser sogar. Seit heute Mittag brennt es in Haifa, und zwar so sehr, dass inzwischen Hilfe von Zypern, Griechenland, Bulgarien und Italien angefordert wurde, weil es hier nicht genug Feuerwehrkräfte gibt, um das Feuer unter Kontrolle zu bekommen. Wenn man von hier aus in Richtung Karmiel guckt, kann man sogar einen roten Streifen am Horizont erkennen.



Bisher gab's 40 Tote und die Leute in Haifa verlassen langsam aber sicher ihre Häuser (bemerkt: abends um elf an der Rezeption, kurz vor dem geplanten Abschließen, als das Telefon klingelte und darauf neue Betten für Fluchtopfer bezogen werden mussten. Hoffen wir, dass der Nightguard sie reinlässt).
Und das ganze wurde angeblich ausgelöst durch Müllverbrennen (eine äußerst gute Idee nach acht Monaten ohne Regen. Vielleicht wird das jetzt ja endlich mal verboten.). Die BILD weiß natürlich wieder mal mehr und hat von verdächtigen Gegenständen munkeln hören, die auf Brandstiftung hindeuten sollen. Dabei handelt es sich um: ein Fahrrad und eine Perücke.
Laut Auskunft der Behörden soll das Feuer bis Sonntag hoffentlich unter Kontrolle gebracht werden (da hat's dann ja auch erst vier Tage gebrannt, kaum erwähnenswert). Hoffen wir drauf, irgendwann dreht nämlich bestimmt der Wind.

Montag, 29. November 2010

1. Advent

Nachdem also mein Freitag und mein Samstag buchstäblich ins Wasser gefallen waren (ich hab mich nochmal erkundigt, das ist eindeutig nicht normal, kommt aber vom Klimawandel, wenn ichs richtig verstanden habe), hatte ich eigentlich keine Lust, mir den Sonntag auch noch versauen zu lassen. Ursprünglich war eigentlich ein Ausflug zum Plaza Mayor mit Fabiana geplant, aber die sass irgendwie bei ihrer Oma fest, und Laurin, der noch bei ihr war, schlug vor, dass ich ihn besuchen könnte. Und nachdem ich meine Mails gelesen hatte, war mir aufgefallen, dass ja 1. Advent ist (was mir meine Gastmutter zuerst gar nicht glauben wollte, weil sie der Meinung war, dass der 1. Advent der erste Sonntag im Dezember ist) und nachdem ich einer Weile grübelnd vor unserem Küchenfenster stand ('es kann nicht der erste Advent sein, wenn ich da draussen auf Meer und Palmen sehe') beschloss ich, Laurin vorzuschlagen, Weihnachtsplätzchen zu backen. Nachdem wir also alles abgeklärt hatten (wie komme ich hin? wie komme ich wieder zurück? Was mache ich, wenns regnet?) brachten mich meine Eltern und meine Oma (ich verstehe immer noch nicht, wieso hier immer die komplette Familie mitgeschleift wird, wenn man jemanden abholt oder etwas zu besorgen hat) zu Laurin, was schon ein Stück weg von uns ist (so eine gute halbe Stunde.)
Ich hatte ein paar Rezepte im Internet gesucht und so überlegten wir dann, was es in der Küche alles gab- für improvisierte Vanillekipferl hat es gereicht.
Wir mischten dann also Mehl, Ei, normaler- statt Puderzucker, so Vanilleextrakt statt Vanilleschote zusammen (Laurin: und das soll einen Teig geben?' Sofia:'Naja, das steht da... ach, wir haben die Butter vergessen.') und als wir seine Mutter nach Butter fragten, drückte sie uns einen Pott voll Margarine in die Hand, die sich allerdings nach näherer Betrachtung als salzig rausstellte-hier ist alles Butterähnliche salzig.
Sofia: 'Und jetzt?'
Laurin: 'Keine Ahnung'
Sofia: 'sollen wirs probieren?'
Laurin: 'Du bist der Chef'
Danach näherte es sich doch einer Teigform an, die wir dann in den Kühlschrank gelegt haben und uns zuerst mal ans Internet gesetzt, um vielleicht Rezepte für Kekse ohne Butter zu finden. In einem Forum bekamen wir dann die hilfreichen Tipps Motoröl und Handcreme (so ein Mist, dass ich meine Handcreme gerade heute nicht dabei hatte) und irgendwann fiel mir ein, dass ich ja auch ein Rezept ohne Butter hatte- für Joghurtkekse, die allerdings in der Pfanne fritiert werden mussten. Was sich ja schon mal nicht unbedingt nach Weihnachtsplätzchen anhört. Aber naja, da wir ja nicht wussten, ob die Vanillekipferl erträglich sein würden, beschlossen wir, es auszuprobieren, zufälligerweise fanden wir im Kühlschrank sogar Joghurt, den wir dann mit Mehl, Limonensaft (aus Mangel an ordentlicher Zitrone) und ein bisschen Zucker zusammenkippten und versuchten in der Pfanne zu fritieren. (Laurin: 'Bist du sicher, dass das klappt?' Sofia:'äh, nein.' Laurin: 'okay, du bist der Chef')
Naja, es klappte nicht. Um die doch recht flüssige Masse noch zu verwerten, kippten wir noch etwas mehr Mehl dazu und strichen sie in eine Kuchenform, um sie dann spáter in kleine Stückchen zu zerschneiden und als deutsche Plätzchen auszugeben. Das nächste Problem war dann der Ofen. Da hier wegen Stromausfallgefahr die meisten Leute mit Gas kochen, wussten wir zuerst einmal nicht, wie wir den Ofen zum laufen bringen sollten. Da die Mutter ausgeflogen war, fragten wir die Oma, die einen etwas an eine alte Schildkröte erinnert hat und die sehr undeutlich redet, weshalb wir zuerst gar nicht verstanden haben, was sie wollte, was wir dann aber letztendlich verstanden haben, war, dass wir nur vorsichtig sein sollten, damit 'der Witz hier nicht explodiert.' nach dieser erheiternden Aussage schoben wir also schnell den Pfluchen (Plätzchen+Kuchen) in den Ofen und machten uns möglichst weit davon entfernt an die Arbeit, aus dem Vanillekipferl-Teig kleine Hörnchen zu formen. (was auch mehr oder weniger gelang) Das ganze schoben wir dann auf einem Ding in den Backofen, eigentlich war es nur eine Eisenplatte, auf die wir Alufolie gelegt hatten. Zum Glück tauchte dann auch die Mutter auf, die uns mit dem Ofen weiterhalf und die Flamme ein bisschen höher stellte (es wird tatsächlich über Feuer gebacken) und nach einer Weile holten wir unter einigen Problemen das Ding mit den fertigen Vanillekipferln wieder aus dem Ofen. Der Pfluchen hatten sich inzwischen zu einer Pflase verwandelt, die wir dann auch irgendwann von der Flamme holten und zuerst einmal abkühlen liessen. Danach kam die zweite Pfuhre Vanillekipferl in den Ofen und wir reichten der Oma und ihrer Freundin, der Nachbarin, die jeden Abend zum Dominospielen vorbeikommt, einen Keks. Ausserdem fragten wir Laurins Mutter, ob sie mir ein Taxi rufen könne, weil meine Eltern meinten, dass sie das machen soll, bei einer Linie, die sicher ist (es war inzwischen schon nach sechs, das heisst, dunkel. Geregnet hatte es zum Glück nicht.) Das Problem war aber, dass Laurins Mutter quasi nie das Taxi nimmt, weshalb sie bei der Auskunft angerufen hat, um eine Nummer zu erfragen. Letztendlich hatte sie drei verschiedene Taxilinien und bei keiner ging jemand ran und am Ende rief sie beim Schwager von einem Bekannten an, oder so in die Richtung. In der Zwischenzeit probierten wir den Pfluchen und beschlossen, dass das Experiment eindeutig missglückt war, aber immerhin waren die Vanillekipferl geniessbar (auch wenn sie eindeutig nicht nach Vanillekipferln schmecken. Sondern irgendwie seltsam. Aber was solls)
Kurz vor sieben kam dann auch der Mann in seinem Auto, das man fast als Antiquität durchgehen lassen könnte und in dem man auf gerader Strecke unglaublich durchgeschüttelt wird, aber letztendlich kam ich dann doch wohlbehalten bei mir daheim an, hab dem Security-Mann einen Keks angedreht und hatte doch noch einen netten 1. Advent.

Sonntag, 28. November 2010

Dialogarbeit.

An der Rezeption liegt eine Reservierung für eine jüdisch-arabische Dialoggruppe, die hier nächstens eintreffen wird.
Auf dem Anmeldungsbogen ist handschriftlich vermerkt:
Please seperated rooms for Jews and Arabs. (Bitte getrennte Räume für Juden und Araber).
Ja. Die nehmen das wirklich ernst.

PS: Während bei meiner hochverehrten Cousine die Regenzeit nicht endet, fängt sie hier nicht. Seit Anfang Oktober rechnen alle mit sintflutartigen Regenfällen, bisher ausgeblieben. Und eine israelische Bauernregel besagt: Je später der Regen kommt, desto stärker wird er werden. Na dann Prost.
PSS: Einen gesegneten Ersten Advent wünsche ich euch! (der hier fast völlig unbemerkt vorbeigegangen ist. Wir saßen nachmittags nach der Arbeit in der Sonne im Gras, haben Baklava gegessen und arabischen Kaffee getrunken. Kein Rentier weit und breit...).

Immer dieser Regen.

Mein Reiseführer sagt: Venezuela hat eine Trockenzeit (etwa November/Dezember bis April/Mai) und eine Regenzeit (das restliche Jahr über).
Mein Kalender sagt, dass heute der 28. November ist, also müsste diese Trockenzeit langsam anfangen, allerdings hat es nicht den Anschein, der Wetterbericht sagt nämlich, dass es bis Mittwoch regnen wird.
Eigentlich wollte ich Freitag mit ein paar Freunden eine Filmnacht veranstalten. Kaum sind wir allerdings aus der Schule getreten, hat es angenfangen zu regnen, und das wurde dann immer mehr, bis es gegen zwei wirklich unglaublich geschüttet hat. Und das bis halb fünf. Dann hat der Regen nachgelassen und wir sind ins Auto und losgefahren Richtung Puerto la Cruz (die Filmnacht fand im Haus von einem Freund statt, das aber ziemlich weit weg von uns ist, weshalb meine Eltern mich zu Fabiana nach Puerto bringen wollten, wo auch schon Laurin war.) Wir fuhren also ein Stück, aber irgendwann rief ein Freund von meinem Gastvater an, der in Puerto wohnt, und meinte, dass da kein Durchkommen sei, weil das Wasser auf der Strasse stünde und sich dadurch ein Stau gebildet hätte. Also sind wir wieder umgekehrt, mit dem Plan, es etwas später nochmal zu probieren, haben Pizza gemacht, gegessen und kaum hatten wir die Autotüren geöffnet, piepste das Handy meiner Gastmama (sie hat ja ein BlackBerry, und BlackBerries haben so eine Funktion, mit der man kostenlos Nachrichten an andere BlackBerries verschicken kann, und da gibt es wieder was, mit dem man so eine Art Gruppennachricht an alle seine Kontakte verschicken kann.) Jedenfalls bekam sie so eine Gruppennachricht, in der mehr oder weniger stand: 'Liebe Freunde in Puerto la Cruz und Umgebung. Bitte versucht in nächster Zeit nicht, die Strasse nach Puerto zu benutzen, da sie komplett unter Wasser steht. Wenn du der Allgemeinheit helfen willst, schicke diese Nachricht ...' Inzwischen hatte es auch wieder angefangen zu regnen, wenn auch nicht so stark. Also ein zweites Mal wieder umgekehrt.
Und schliesslich und endlich beschlossen wir, es einfach zu lassen, weil ich auch aus unerfindlichen Gründen unglaublich müde war, und ausserdem Fabiana und Laurin auch nicht wegkamen, weil das Erdgeschoss ihres Hauses unter Wasser stand oder so ähnlich, und so legte ich mich um acht ins Bett und schlief bis am nächsten Morgen um halb zehn durch.
Es gibt eine Zeitung, da sah man ein paar Bilder vom Wasser, aber die sind irgendwie schon wieder verschwunden, was jetzt recht doof ist, weil ich doch eigentlich den ganzen Eintrag nur geschrieben habe, um diese Bilder zu posten, und jetzt finde ich die nicht mehr. Aber immerhin habt ihr mal wieder was von mir gehört.
übrigens super, dass es immer zu Wochenende anfängt so zu regnen, dass man das Haus nicht verlassen kann.

Donnerstag, 18. November 2010

Welcome to Palestine.

Halala! (Das ist das arabische Wort für WILLKOMMEN. Zumindest glaube ich das. Jolan und Raffael wissen das sicher besser, die beiden sind dank ausgesprägtem Islam-Interesse und Auslandsaufenthalt bei arabischer Familie in Nazareth sozusagen Experten, und darum war es natürlich nur naheliegend, mit ihnen in die Westbank zu fahren).
Nachdem mir also um zwei Uhr morgens einfiel, dass mein Pass noch sicher verwahrt im Safe des Bussehouses lag (zum Glück war Augustin noch so wach, dass er die Alarmanlage ausschalten und meinen Pass in der Sammelbox finden konnte), machten wir uns sechs Stunden später mit dem Bus auf in Richtung Afula - Jelome-Checkpoint - Jenin - Nablus. Es war nicht leicht, aber nachdem wir eine Weile in der prallen Sonne die Straße entlanggetrottet waren, konnten wir tatsächlich einen Autofahrer überzeugen, uns drei samt unserer mehr oder weniger großen Rucksäcke (ich sage nur: Greta Garbo) durch den Checkpoint bis nach Jenin mitzunehmen, und dort stiegen wir in ein Sherut nach Nablus.



Nablus ist die größte Stadt in der Westbank (oder Palestine, wie die Leute dort sagen) und angeblich die viertälteste Stadt der Welt (Platz Eins belegt Jericho). Bei 30 Grad im Schatten und angekleidet mit langer Hose, T-Shirt ohne Ausschnitt, einer Jacke mit langen Ärmel und einem Schal, um auch noch die letzten Reste von Unzüchtigkeit zu verstecken, sind wir trotzdem aufgefallen wie die bunten Hunde, aus dem einfachen Grund, dass ich kein Kopftuch trug. Das tun nämlich 95 Prozent der Frauen in Nablus, während sich der Großteil der Männer kaum von Italienern unterscheidet (einschließlich der protzigen Goldketten um Arme und Hals).
Es ist sehr verwirrend: alle Leute dort sind unglaublich gastfreundlich und hilfsbereit: wenn man sie nach dem Weg fragt und das ganze an mangelnden Englisch- bzw. Arabischkenntnissen auf der anderen Seite scheitert, lassen sie einen keineswegs einfach weiterziehen, sondern schreien und gestikulieren so lange, bis sie jemanden gefunden haben, der genug Englisch spricht, um einem den Weg zu erklären. Andererseits hängen überall in den Gassen Plakate mit größtenteils bewaffneten 'Helden' - die während der zweiten Intifada israelische Soldaten getötet haben und dabei gestorben sind - die allein durch ihre Masse einen leicht beklemmenden Eindruck verbreiten. Die Intifada ist sowieso immer noch allgegenwärtig, sei es in Form von Gedenktafeln, über denen auf Arabisch und Englisch NEVER FORGET NEVER FORGIVE steht, oder der Menschen, die einem begegnen und nicht nur seelische Narben davongetragen haben: vor einem Geschäft trafen wir einen Mann, der gleich sein Hemd hochgezogen hat, um uns die Einschusslöcher auf Höhe des Blinddarms und die lange Narbe über den gesamten Bauch durch eine Messerstecherei zu zeigen.






Ein Shopbesitzer (sein Laden gleicht einem Theaterfundus, er verkauft Kleider, Poster, allerlei Krimskrams, und außerdem stellt er innerhalb von anderthalb Minuten Fake-Goldrahmen her), den wir auf der Straßen getroffen hatten, nahm uns erst mit in eines der Baklava-Cafés, um uns genau zu zeigen, wie man Kunavi und Gulaasch herstellt (beides enthält kein Fleisch, sondern ganz viel Zucker und Ziegenkäse und schmeckt wesentlich besser, als es klingt). Anschließend verbrachten wir noch eine lange Zeit in seinem Geschäft, tranken arabischen Tee und Kaffee mit ihm, ließen uns erzählen, wie er Arafat und King Hussein von Jordanien getroffen hatte, und sprachen über den Frieden mit den Israelis. Einerseits war er ziemlich liberal und meinte: "Wir wollen keinen Krieg mit den Israelis, und sie wollen keinen Krieg mit uns. Die einzigen, die keinen Frieden wollen, sind die Regierungen" und "Es wird Zeit, dass der Frieden kommt. Meine Generation will ihn noch, aber meine Kinder werden ihn nicht mehr wollen, weil sie ihn nicht gewöhnt sind", andererseits lehnte er aber ganz kategorisch ab, dass Jerusalem die Hauptstadt des jüdischen Staates werden könnte, denn für ihn ist Jerusalem nur für die Muslime eine Heilige Stadt.
Am Ende wurde er jedoch etwas aufdringlich mit seinen Kaffee-Angeboten und dem Versuch, mich an einen Palästinenser zu verheiraten, darum machten wir uns auf die Suche nach dem Mittagessen. Wir standen gerade vor einem Falafel-Stand, als wir von einem anderen Mann angesprochen wurden. Zuerst dachten wir, dass er einfach nur ein aufdringlicher Falafel-Stand-Besitzer wäre, der versuchte Kundschaft zu gewinnen, dann stellte sich aber heraus, dass er einen Malereibetrieb hatte. Trotzdem lud Abdallah (das war sein Name) uns zum Mittagessen ein und zeigte uns den ganzen Nachmittag über die Altstadt von Nablus, was sich als wahrer Glücksfall herausstellte, weil er tatsächlich eine Ahnung davon hatte, welche Gasse wohin führte; und außerdem kannte er eine Menge Leute. So zeigte er uns zum Beispiel einen Gewürzladen samt Hinterzimmer, wo die Gewürze in riesigen Säcken aufbewahrt wurden und die Maschinen standen, in denen sie gemahlen wurden. Weiter ging's ins Türkische Bad (ja, über dem Brunnen hängt wirklich ein ausgestopftes Krokodil), wo es mehr Tee und Kaffee gab sowie einen kostenlosen Rundgang und äußerst schweißtreibenden Rundgang. Abschließend lud er uns noch zu sich nach Hause ein (seine Frau war in Holland aufgewachsen und nahm die Gelegenheit, mit Jolan Holländisch zu spreken, gerne wahr). Voller Stolz zeigte uns Abdallah zum Abschluss sein Auto (rot, aus dem Jahre 1975, ohne Anschnallgurte oder funktionierenden Tacho, dafür mit ausgeprägtem Benzingestank im Inneren), fuhr uns auf den Berg, um uns einen nächtlichen Ausblick über Nablus zu bescheren, und dann bei seinem besten Freund vorbei, einem Arzt, der 40 Jahre in Deutschland gearbeitet hatte. Auch wenn wir während seines ersten deutschen Satzes nicht einmal bemerkten, dass er Deutsch sprach, kamen seine Sprachkenntnisse schnell zurück und wir diskutierten bei mehr Kaffee über deutsche Innenpolitik und Al-Quaida. Der Kaffee scheint ihn übrigens bis nach Deutschland begleitet zu haben, denn er schrieb seine Doktorarbeit über folgendes Thema: 'Pharmakalogische Wirkung von unbehandelten und behandelten Kaffeeproben auf Zentralnervensysten, Darm und Galle'.
Am nächsten Morgen machten wir uns auf die Suche nach einem Taxi und durchquerten dabei den Souk: gerammelt voll, die Händler schreien mit einer Leidenschaft, die mich stark an die Szenen in Herr-der-Ringe erinnerte, wenn die Waffen verteilt und die Motivations-Rede vor der Schlacht gehalten wird, und über den Respekt eines Tierlebens lässt sich streiten:





Ergänzungsweise gab es noch einen Kuhkopf auf dem Boden, der einen aus halbgeschlossenen, blanken Augen (nicht mehr) anstarrte und aus dessen Halsöffnung noch 20 Zentimeter Zungenmuskel hingen, und mehrere äußerst blutige Schafsköpfe. Ich musste schlucken, Raffael und Jolan bestellten gleich das nächste Shawarma-Sandwich.
Schließlich fuhren wir auf den Mount Gerizim nach Kiryat Luza, wo eine der beiden einzigen Samariter-Gemeinden in Israel liegt. Es gibt heute nur noch 547 Samariter, und sie sagen von sich, allein noch nach der ursprünglichen Tora (bestehend nur aus den 5 Büchern Mose) zu leben: nach ihrer Ansicht wurde das Judentum von den im Exil lebenden Juden verfälscht. Wir besichtigten die Spitze des Berges, auf der sowohl die Synagoge mit dem Opferplatz liegen, auf dem Samariter Pessach die Schafe schlachten (denn für sie ist Mount Gerizim der Ort, an dem Abraham Isaak opfern sollte), und eine Moschee, die aus Saladins Zeiten stammt. In den letzten 900 Jahren scheint sich jedoch einiges verändert zu haben, denn der einzige Eingang in die Moschee war ein Fenster in der Felswand in 3 Metern Höhe, was uns eine ganz schöne Kletterpartie einbrockte.
Anschließend hatten wir das Glück, im dorfinternen Museum den zukünftigen Hohepriester der Samariter zu treffen (sozusagen an erster Stelle auf der Warteliste), der uns etwas über Alt-Hebräische-Torarollen erzählte und Jolan eine Tora verkaufte. Zufrieden machten wir uns auf den Rückweg und während wir am Checkpoint auf unser Taxi warteten, unterhielten wir uns noch etwas mit den dort stationierten Soldaten. Es ist übrigens wahr und nicht übertrieben: wenn ein israelischer Soldat sein Maschinengewehr verliert, drohen ihm bis zu sieben Jahre Gefängnis.
Die Rückreise ging überraschend schnell; wir hatten damit gerechnet, ewig lange am Checkpoint aufgehalten zu werden (man darf die Westbank nämlich nicht zu Fuß verlassen). Der bot übrigens ein gruseliges Bild: eine lange Autoschlange wälzt sich auf ein Gebilde zu, dass mit den Wachtürmen und dem Stacheldraht an eine Mischung aus KZ und Klischee-Amerikanisches-Gefängnis erinnert, dazwischen laufen Kinder und Jugendliche herum und versuchen, Salat und Plastik-Teletubbies zu verkaufen. Nachdem wir also eine Viertelstunde lang ratlos zwischen den Autos gestanden hatten, winkte uns einer der Soldaten heraus und ließ uns einfach an den Autos vorbeimarschieren. Wir mussten noch schnell unser Gepäck durchleuchten lassen und schwups - waren wir wieder zurück in Israel.
In Nes Ammim hatten wir auch nicht sonderlich viel verpasst, zumindest nichts erfreuliches: während des Wochenendes war mitten im Feld ein 70-Zentimeter-Durchmesser-Rohr geplatzt, was zur Folge hatte, dass sechs Ortschaften inklusive Nes Ammim ohne Wasser waren, und da es natürlich keine Vorwarnung gegeben hatte, mussten wir irgendwann dazu übergehen, Wasser aus dem Pool zu schöpfen, um den Toiletteninhalt hinunterspülen zu können (Zitat des Wochenendes von Kevin: 'If it's yellow, let it mellow, if it's brown, flush it down').

Dienstag, 9. November 2010

Warten ist was für Erwachsene.

Demnach muss ich leider feststellen, dass ich tatsächlich das Erwachsenenalter erreicht habe. Das Bildungs- oder Kultus- oder irgendein anderes Ministerium veranstaltet nämlich mehrmals pro Jahr Seminare für deutsche Volontäre, die in Israel leben, und auch wir in Nes Ammim fanden dafür eine Einladung in der Postbox. Weil ich mich aber ungefähr einen halben Tag zu spät angemeldet habe, stand ich dann nur auf der Warteliste (bahh), und als dann ein paar Tage vor Seminarbeginn immer noch kein mysteriöses Massensterben unter akzeptierten Volontären eingesetzt hatte, beschlossen Augustin (der wohl ebenfalls schon erwachsen ist) und ich, die freien Tage zu nutzen und nach Tel Aviv zu fahren.
Natürlich hatte sich die israelische Bahn genau wieder diese Tage ausgesucht, um an den Schienen zu arbeiten (erneut, und nie merkt man hinterher etwas davon), darum war der Zugverkehr stark eingeschränkt, und selbst für den Ersatztransport nach Kiryat Motzkin, dem nächsten Bahnhof in Betrieb, gab es Ersatztransport, sodass wir noch einmal in Hamifratz und in Hof HaKarmel den Bus wechseln mussten. Schließlich schafften wir irgendwann gegen Mitternacht, den dem Busbahnhof nächstgelegenen Bahnhof in Tel Aviv zu erreichen, aber natürlich fuhren dann keine Busse mehr. Wir zockelten also noch durch das nächtliche Tel Aviv und erreichten schließlich ein Youth Hostel, das direkt am Strand lag (zugegebenerweise war das nachts nicht mehr festzustellen). Als ich am nächsten Morgen in meinem Etagenbett im Schlafsaal aufwachte, stelle ich zwei Dinge fest:
Erstens war ich das einzige Mädchen im Zimmer, und zweitens befand sich ungefähr die Hälfte der Männer draußen auf dem Balkon, um unter Anleitung von Vaughn, dem Fitnesstrainer aus Südafrika, laut schnaufend und schwitzend ihre Liegestützenfähigkeiten zu verbessern. Wenigstens wissen diese Leute, wo die Duschen im Haus zu finden sind, und so konnten wir uns eine Stunde später (nach trocken Toast mit Instant-Kaffee) auf den Weg machen, an der Strandpromenade entlang nach Jaffa.



Tel Aviv scheint dem Schönheitswahn verfallen, viele Menschen sieht man zwar tagsüber nicht, aber dafür gibt es auf allen Spielplätzen Fitnessgeräte für Kinder. Früh übt sich eben.
An sich hat Tel Aviv erstaunlich wenig zu bieten an Museen oder Sehenswürdigkeiten, aber wenn man nicht den Bus nimmt, lässt's sich aushalten, denn der Kontrast von relativ beschaulichen Vierteln und dem Wolkenkratzer darüber, sobald man den Kopf hebt, ist doch beeindruckend. Wir liefen jedenfalls. Und liefen. Die gesamte Promenade hinunter nach Jaffa, bis hinunter zum Hafen, durch Neve Tzedek wieder in die Stadtmitte und noch weiter nach oben, bis zum Dizzengoff Centre, und dann wieder runter, die Rezeption des Hostels, in dem wir übernachten wollten, hatte nämlich abends geöffnet (und befand sich im vierten Stock, aber das wussten wir zum Glück noch nicht, als die Tür summend aufsprang). Jedenfalls fanden wir einen wirklich guten Falafel-Stand, an dem es sogar umsonst Pommes als Beilage gab ("Berlin, Berlin, here, for you!") und fanden schließlich bei unserem ausgedehnten nächtlichen Spaziergang heraus, dass orthodoxe Juden nach Einbruch der Dunkelheit gern Kinderspielplätze aufsuchen. Auf dem Rückweg trafen wir auch noch einen betrunkenen Deutschen, denn Schalke hatte an diesem Abend gegen Tel Aviv gespielt (0:0). Wir tauschten ein paar Höflichkeitsfloskeln aus und stellten fest, dass wir den deutschen Humor ("Wo wohnt ihr? Wie lange seid ihr schon hier? Ich muss leider eure Reisepässe sehen. - HAHAH! SCHERZ!") gar nicht vermisst hatten in den letzten vier Monaten.
Am nächsten Morgen hatten wir uns mit Matze und Sven verabredet, die es ins Seminar geschafft hatten und an diesem Morgen in Tel Aviv weilten. Natürlich verschliefen wir (es sei nur soviel gesagt: es war NICHT meine Schuld) und mussten uns doch dafür entscheiden, ein Taxi zu bemühen. Natürlich gerieten wir an den einzigen Taxifahrer, der kein Englisch konnte, weder den Rabin-Square noch die City Hall kannte, vor jedem Zebrastreifen pflichtbewusst bremste und mit uns auf Hebräisch über deutsche Autos und Al-Quaida diskutierte. Wir kamen eine halbe Stunde zu spät an, und Matze und Sven hatten tatsächlich draußen auf uns gewartet, um uns möglichst schnell in den elften Stock hochzubugsieren. Dort hatten wir ein Gespräch über israelische Politik mit einer Frau, von der ich immer noch nicht genau weiß, wer sie war, weil wir die Vorstellung verpasst hatten, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sie zu einer linken israelischen Partei gehörte. Sie hat zum Beispiel erzählt, dass an israelischen Universitäten und Schulen immer mehr darauf geachtet wird, dass die Lehrenden nichts falsches erzählen: "Natürlich besteht Lehrfreiheit, aber nur, solange keine antizionischistischen Meinungen geäußert werden". Danach versammelten wir uns noch auf dem Rabin-Square (Rabin war der israelische Ministerpräsident, der sich sehr für den Frieden zwischen Israelis und Palästinensern eingesetzt hat (er hat 1994 sogar den Friedensnobelpreis verliehen bekommen, zusammen mit Peres und Arafat), und dafür wurde er dann am vierten November 1995 während einer Friedenskundgebung auf dem damaligen Platz der Könige Israels von einem fundamentalistischen Juden erschossen).
Während dann die Seminar-Gruppe weiter Richtung Westbank fuhr, verbrachten wir tatsächlich noch den Nachmittag am Strand. Es ist hier nämlich noch warm im November. Gut, nur solange die Sonne da ist, aber als die unterging, machten wir uns auch wieder auf den Rückweg nach Nes Ammim.



Der nahm dann auch über sechs Stunden in Anspruch, und als wir um zehn Uhr in Regba aus dem Bus kletterten, hatten alle Menschen in Nes Ammim beschlossen, nicht an ihr Handy zu gehen, damit wir auch niemandem mitteilen konnte, dass wir gerne abgeholt worden würden. Wir stapften also los, durch Regba hindurch, und als wir am anderen Dorfende ans Tor kamen, öffnete es sich (natürlich nicht). Wir versuchten alles (in die Kamera winken, den Zaun nach Löchern absuchen, mit vollem Tempo auf das Tor zulaufen, We shall overcome singen). Es blieb uns nichts anderes übrig, wir mussten wieder zurücklaufen und dann noch einmal ganz außen rum. Die verbleibende Stunde Fußweg brachten wir also mit dem Nacherzählen von Horrorfilmen, in denen es um einsame Straßen im dunklen Feld geht (ganz schlechte Idee) sowie angestrengtem Gegrübel, warum wir den Großen Wagen nicht am Himmel finden konnten (vermutlich hat er Orion überfahren und anschließend Fahrerflucht begangen, aber die Hypothese konnten wir nicht mehr bestätigen). In dieser Zeit bretterten drei Autos (einschließlich der Polizei, Freund & Helfer, haha) an uns vorbei, ohne unsere verzweifelten Versuche, auf unseren Hitchhiking-Wunsch aufmerksam zu machen, zu beachten. Wären wir Soldaten gewesen, wäre das vermutlich einfacher gegangen, Israel ist das einzige Land, in dem dich die Leute bereitwilliger mitnehmen, wenn du ein Maschinengewehr dabei hast. Aber, wie man so schön sagt: Es wird alles gut, wenn man nur lange genug wartet. Wir warteten ziemlich lange, aber ungefähr 800 Meter vor Nes Ammim erbarmte sich einer unserer Mieter, packte alle Kindersitze in den Kofferraum und fuhr uns direkt bis vor die Haustür.

Dienstag, 2. November 2010

Pleiten, Pech und Pannen.

Eigentlich fing alles schon Dienstag letzter Woche an, ich wurde ein bisschen krank, aber nicht so, dass es genug ist, nicht in die Schule zu gehen. So schleppte ich mich also Dienstag und Mittwoch zum Unterricht, was ziemlich furchtbar war, unglaublich laut und chaotisch (ich gebe zu, ich habe im Unterricht geschlafen, mich wundert aber immer noch, wie ich das geschafft habe, bei der Lautstärke und bei den unbequemen Tischen.) Mittwoch war ich dann noch endlich meine Bücher kaufen und ausserdem Sachen für ein Bioexperiment, das am nächsten Tag durchgeführt werden sollte (zum Beispiel vier Gläser Babykompott, Watte, Bier, Hefe und noch einige andere Dinge-?!) und eigentlich wollte ich Donnerstag mit Laurin, einem Deutschen aus meinem Komitee und einer Freundin von ihm ins Kino, allerdings wusste ich nicht ganz sicher, ob ich kommen kann, weil ich erstens ja angeschlagen war und mich Mittwochabend schon recht schlecht fühlte und zweitens, weil meine Gastmama meinte, dass ihre Frisöse um zwei kommt und sie nicht weiss, ob die bis um halb fünf fertig ist. Okay. Jedenfalls hatte dann die andere Freundin auf einmal auch keine Zeit mehr und so haben wir die ganze Sache verschoben. Damit fiel also ein Grund weg, Donnerstag in die Schule zu gehen (der zweite war das Bioexperiment, für das wir extra eingekauft hatten, aber der war mir dann Donnerstag um sechs Uhr morgens nicht genug) und ich verbrachte meinen Tag mit Schlafen, Tee trinken und mich selbst bemitleiden. Freitag war für meine Klasse frei, auch wenn ich nicht weiss wieso, aber das war ganz gut und ich konnte meine Grippe, die inzwischen von Kopf und Nase in Nacken und Hals gewandert war, weiter auskurieren. Okay, nachmittags wollte ich dann spontan noch Laurin besuchen, aber der wohnt leider ein Stück weg und meine Mutter hatte noch was vor und mein Vater zu arbeiten und meine Mutter wollte mich nicht im Taxi fahren lassen (was hier ganz billig ist, aber ich kann sie irgendwie auch verstehen), weshalb ich dann nur zum Farmatodo spaziert bin und etwas eingekauft habe und sonst nicht mehr weg, was aber wahrscheinlich besser für meine Gesundheit war.
Samstag sind wir dann um halb sieben aufgebrochen Richtung Caracas, haben Früstück gekauft, so kleine Pastelitos mit Käse-Kartoffel-Füllung, das war sehr lecker. Nach ungefähr zwei Stunden fiel mir auf, dass die Oma noch im Auto sass. Aha. Mit der Oma in Caracas. Meine Laune sank. Nach ziemlich genau vier Stunden Fahrt kamen wir dann an am Haus meiner Tante, von uns aus gesehen wohl am Anfang von Caracas, in einer ruhigen Gegend, die mehr mehr wie ein Dorf vorkam. Aber das war wohl nur Einbildung. Während ich duschen war, haben die anderen Essen gekauft, Hähnchen, fritierte Yucca, Avocado und kleine Arepas, und wir haben zuerst mal zu Mittag gegessen. Danach brach meine Familie auf, um das Appartment meiner Oma auszumisten, oder so ähnlich. Eigentlich war geplant, dass Dani und ich bei der Tante bleiben, aber sie wollte dann doch mit, ich aber nicht, weil das ganze wohl ziemlich staubig war und meine Grippe sich inzwischen in den Bronchien niedergelassen hatte und ich sowieso schon gehustet habe. Ich ging davon aus, dass sie schnell wiederkommen und wir dann noch irgendwas unternehmen, ich meine, immerhin war ich ja in Caracas. übringens habe ich auch einen Cousin, ungefähr 21, der allerdings erst gegen zwei aufgetaucht ist, weil er noch gepennt hat.
Tja. Das Ende vom Lied war, dass ich zuerst am PC sass und mich gelangweilt habe und mich danach in das Bett gelegt habe, dass neben dem PC stand, weil ich furchtbar müde war, und zwei Stunden gepennt hab. Irgendwann kam noch ein Freund von meinem Cousin und die zwei haben am Laptop meiner Mutter rumgebastelt und ein bisschen mit mir geredet und dann sind wir noch zum Haus von dem Freund gefahren, um irgendwelche CDs zu holen. Das Haus war allerdings fünf Minuten entfernt und es war dunkel und es sah alles nicht sehr spannend aus. Meine Familie kam so gegen halb sieben wieder und alle waren furchtbar erledigt und wir haben zu Abend gegessen und sind schon gegen neun ins Bett, wo ich zuerst zum zweiten Mal hier das Ende von einem Film namens 16 Deseos und zum dritten Mal hier den Anfang von Verwünscht gesehen habe und dann habe ich beschlossen zu schlafen, was allerdings nicht so gleich geklappt hat, weil ich ja am Nachmittag bis halb sechs geschlafen hatte.
Am nächsten Morgen haben wir gegen halb elf das Haus der Tante verlassen und sind in eine Bäckerei und haben dort im Stehen gefrühstückt und sind dann losgefahren Richtung Heimat- auf meine Frage, ob wir nicht hier irgendwas noch machen wollen, wurde gereizt reagiert. Ich meine, wir haben ja nur noch fast den ganzen Tag. Und ich bin eine Deutsche, für die Caracas so was wie eine andere Welt ist. Aber passt.
So fuhren wir also wieder nach Hause, ich war furchtbar frustriert, weil ich mir doch etwas mehr vom Wochenende erhofft hatte, als das Haus meiner Tante (ich meine, nichts gegen das Haus, das war wundervoll.) und genervt und musste mir wirklich auf die Zunge beissen, als die Oma mich zum dritten Mal innerhalb von drei Stunden gefragt hat, was das da auf meiner Stirn ist. Ja, stellen sie sich vor (die Oma wird gesiezt), das ist ein Pickel. Ja, ich weiss, ich darf nicht daran rumdrücken, dass macht die Haut hässlich. Und ich weiss auch, dass die Schuhe hechos en Venezuela sind, das haste mir jetzt schon zum sechsten Mal erzählt! Ich beschloss also die 'ich seh dich nicht, ich hab Kopfhörer auf'- Strategie anzuwenden und liess mich die ganze Fahrt über von Kurt Cobain anbrüllen, und so ging das alles einigermassen und meine Laune besserte sich, als wir noch Essen beim Chinesen holten (auch wenn das hier verhältnismässig langweilig schmeckt. Scharf wird hier nie gekocht, nirgends.)
Danach ging ich noch relativ spontan zum Geburtstag von einem AFSer (ein Venezolaner, ich hatte ihn beim AFS-Ausflug kennengelernt. Okay. Das ist übertrieben. Ich kann mich nicht erinnern, mit ihm geredet zu haben, und später hat er mich auf Facebook angefragt und mich also zu seinem Geburtstag eingeladen, das aber keine richtige Geburtstagsfeier war, sondern eigentlich einfach nur eine Reunion- also Freunde treffen.) Mein Vater brachte mich also zum Plaza Mayor, eine Art Einkaufszentrum mit Kegelbahn, Freizeitpark und allen möglichen anderen Sachen. Die ganze Sache war etwas seltsam, zuerst sassen wir ein bisschen auf einem grossen Platz herum, dann sind wir in eine Art Spielhölle für kleine Kinder (man kauft solche Chips und dann kann man Autorennen fahren und solche Sachen). Laurin war zum Glück auch da, weshalb ich nicht die einzige war, die sich etwas deplaziert fühlte. Irgendwann hatten sie fertig gespielt und wir sind Pizza essen gegangen und dann kam auch noch Fabiana und letztendlich hatten wir doch noch Spass- aber nur wir drei, mit den anderen hatten wir nicht so viel zu tun. Die ganze Sache war seltsam. Kurz nach halb neun haben Laurins Eltern mich noch heimgebracht, weil das auf ihrem Weg lag, aber da ich kein Guthaben mehr hatte, dachte ich mir, dass das wohl klargeht und ich nicht anrufen muss. Kaum hatte mir allerdings der Sicherheitsmensch die Tür zu unserer Hausanlage aufgemacht, kam eine SMS an: Nur damit dus weisst, wir holen dich jetzt ab. AY. Wie gesagt, ich hatte kein Guthaben mehr, um zu antworten, dass ich schon zu Hause bin. Also bin ich zuerst nach oben zur Wohnung gelaufen, um zu sehen, ob Dani da ist und mir aufmacht oder die Oma, aber Fehlanzeige. Also bin ich wieder runter zu dem Security-Mensch gelaufen und wurde immer panischer und aufgeregter und er erzählte mir, dass sie genau in dem Moment, in dem ich gekommen war, weggefahren sind. Er beruhigte mich wieder etwas und machte mir klar, dass ich sowieso nichts anderes tun kann als warten, dass sie anrufen. Also setzte ich mich auf die Treppe und wartete zwanzig Minuten, bis sie tatsächlich angerufen haben, und nach zehn weiteren Minuten waren sie wieder da und ich hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen, aber ich glaube, ich war die Einzige, die die Aktion so furchtbar fand. Ich war dann also froh, als ich duschen konnte.
Montag war auch nicht so der Bringer. Der Sportlehrer kam nicht, Geschichte, die Premilitarlehrerin kam nicht, Stromausfall, was zur Folge hatte, dass die Biolehrerin nur eine fette Hausaufgabe aufgegeben hat und dann den Unterricht beendet. Und für sowas quäle ich mich um sechs aus dem Bett. Und dann war noch nicht mal der Eismann, der normalerweise bei Schulende vor der Tür steht, da. Dann kamen wir heim und ich wollte nur duschen, allerdings war der Strom auch in der Wohnung ausgefallen, und kein Strom=kein Wasser. Und das mit dem Essen kochen ist dann auch begrenzt, obwohl wir einen Gasherd haben, aber zum Beispiel der Ofen oder der Mixer funktionieren nicht. Zum Glück ging der Strom aber schnell wieder an, nur das Wasser blieb noch weiter weg, aus welchem Grund auch immer. Nach dem Essen machte ich mich daran, eine Psychologie-Präsentation vorzubereiten, allerdings fiel mir auf, dass das, was ich machen sollte, unglaublich viel war, und schon war meine Lust wieder vergangen. Letztendlich bin ich zum Kiosk spaziert, um eine neue Telefonkarte zu kaufen und ich dachte mir, biste extra schlau und kaufst eine für 50 Bolivares, damit dir nicht so schnell das Guthaben wieder ausgeht. Hier sind das noch so richtige Karten, die man freirubbeln muss, was ich dann daheim angekommen auch machte- allerdings nicht mit einer Münze und letzendlich hatte ich ein paar Zahlen mitgerubbelt. AAH!! Dann kam meine Mutter heim, die irgendwie ausgeflogen war, und meinte, ich solle runter, weil Renata mich abholen würde, um zur Musikschule zu gehen. Ich hatte verstanden, dass sie schon unten wartet, und hetzte los, um aber unten noch ein bisschen zu stehen. Singen konnte ich noch nicht und Renata noch weniger, der Gitarrenlehrer hat ihr letzendlich verboten, zu reden, damit sie ihre Stimme bis Freitag wiederhat, da ist nämlich das CaféConcert. Letztendlich fiel dann um halb zehn, als ich duschen wollte, wieder der Strom aus, und schlafen konnte ich bis halb zwölf nicht.
Und heute hat es den ganzen Nachmittag furchtbar geregnet und es war ganz duster.
Aber macht euch keinen Sorgen um mich, als ich gestern zwei Freundinnen von meinem Wochenende erzählt habe-lachend- meinte die eine, ob in Deutschland alle Leute so sind wie ich, wenn sie so ein frustrierendes Wochenende hinter sich hätte, würde sie nicht lachen, sondern weinen. Also, das wird schon.

Donnerstag, 28. Oktober 2010

Man bräuchte eine Menge Wichtel, aber möglich wär's.

... das zumindest ist das Gefühl, das manchmal aufkommt, wenn man im Housekeeping arbeitet.
Ich treibe mich ja nicht nur an der Rezeption herum, sondern muss auch gelegentlich die Zimmer der Gäste wieder aufräumen. Im Winter steigt die Anzahl der Housekeeping-Tage, denn da kommen eine Menge Gruppen aus Europa, und die bleiben nur für ein oder zwei Nächte, und nicht wie die Israelis während ihrer Sommerferien für eine ganze Woche. (Man kann übrigens, wenn man ein Zimmer betritt, am Verschmutzungs- und Chaosgrad sofort erkennen, ob sich Europäer oder Israelis darin aufgehalten haben).
Normalerweise beginnt unser Tag um neun Uhr (außer man hat die morning-shift, dann muss man um sechs Uhr die Rezeption und die Lobby putzen). Der Haken an der Sache ist, dass die meisten Gäste erst um elf Uhr auschecken und die frische laundry auch erst um diese Zeit zurückkommt. Meistens läuft es also darauf hinaus, dass man zwischen neun und elf Uhr zwei Zimmer säubert, und in den folgenden drei Stunden ZEHN putzen muss, denn gegen zwei Uhr ist die offizielle check-in-time.
Im Allgemeinen müssen wir die Betten ab- und wieder beziehen (und das meistens mehrmals, weil einem irgenwann auffällt, dass in dem Bettlaken ein Loch ist oder ein großer Fleck auf dem Bettbezug), das Badezimmer putzen, Staub wischen, den Boden fegen und nass wischen, und das nach einem bestimmten System, nämlich hinter einem her, damit man nicht über den nassen Boden latscht und hässliche Fußabdrücke hinterlässt. Dann muss man alles nämlich noch ein zweites Mal machen, und dafür reicht die Zeit meistens nicht.
Gelegentlich, wenn nicht so viele Gäste im Haus sind, sinkt also auch die Anzahl der zu putzenden Räume. Das klingt jetzt besser, als es ist, dann bekommen wir nämlich einen Haufen von Aufgaben, die uns stark daran zweifeln lassen, ob unsere Krankenversicherung das auch abdeckt.
Da wäre zum Beispiel das Putzen von Böden mit Putzmitteln, auf deren Flaschen sich Totenköpfe befinden. Wir arbeiten dann lieber mit Mundschutz:



Sehr schön ist auch der oilremover, den man auf den Kachelboden sprüht, heißes Wasser darüber kippt, und dann - mit einer Bürste ausgestattet - auf den Knien herumrutscht und versucht, den Dreck aus den Fugen zu kratzen. Für einen Raum braucht man ungefähr zwei Stunden, und wir haben eine ganze Menge Räume hier.
Eine schöne Aufgabe ist es auch, Klimaanlangen zu putzen, dann muss man nämlich eine wackelige Leiter heraufklettern, mit dem linken Arm die schwere Klappe hin die Luft halten und mit dem rechten Arm und einem Lappen das Klimaanlagenfach notdürftig auswischen (und hinterher das Trocknen natürlich nicht vergessen). An einem solchen Tag ist es mir beim Mittagessen unmöglich, die Arme noch zu heben, was das Essen gewissermaßen etwas schwierig gestaltet.
Aber wenigstens kriegt man Muskeln dabei, ohja!

Sonntag, 24. Oktober 2010

Die Situation ist aussichtlos, aber nicht kritisch.

Während mein herzallerliebster Bruder (der übrigens zusammen mit meinen Eltern die Herbstferien in Israel verbracht hat. Nach meinem bisherigen Wissenstand haben alle Beteiligten den Urlaub ohne nennenswerte Blessuren überstanden, außer einer Grippe, aber das ist praktisch das Aufnahmeritual für Nes Ammim, darum kann er jetzt seinen Zivildienst ebenfalls hier verbringen). Aber zurück zum Thema:
Während mein herzallerliebster Bruder seit Jahren treu Arminia Bielefeld durch alle Höhen und Tiefen (vor allem Tiefen) unterstützt und auch gelegentlich mal ein Stadion aufgesucht hat, ist meine Fußballbegeisterung zu nicht-WM-Zeiten praktisch nicht vorhanden. Trotzdem habe ich mich gestern in einem Auto voller Leute (von denen 3/5 keine hartgesottenen Fußball-Fans waren) aufgemacht, um das Stadion in Haifa zu besuchen. Auf dem Programm stand die Partie Maccabi-Haifa gegen Ashdod, und da Ashdod generell eher ein ziemlicher Außenseiter ist, war die Stimmung am Anfang nicht wirklich am Überkochen (nicht zu vergleichen mit den Straßenschlachten, die stattfinden, wenn sich die Erzfeinde Haifa-Tel Aviv oder Haifa - Jerusalem gegenübertreten). An fünf zusammenhängende Karten zu kommen, war trotzdem gar nicht so leicht, da es Israelis im Allgemeinen schwer fällt zu warten und ein Familienvater es nicht zulassen wollte, dass die anderen vier Leute unserer Gruppe ihre Karten bezahlen konnten, nachdem Jennie fünf Stück geordert hatte. Von der darauf folgenden Wortsalve auf Holländisch, Englisch und Hebräisch unsererseits war er dann aber doch so beeindruckt, dass er uns grummelnd unsere 40 Schekel abdrücken ließ.



Rechts von uns befand sich der Hooligan-Fanblock von Haifa:



links von uns der Fanblock des Gastspielers, in diesem Fall Ashdod. Ashdod liegt übrigens direkt nördlich vom Gaza-Streifen und kriegt immer als erstes die Bomben ab, aber vermutlich lag es nicht daran, dass so wenige Fans vorhanden waren (20), sondern daran, dass sie sich keine ernsthaften Chancen gegen Haifa ausrechneten.
Nachdem alle begeistert das Vereinseigene Lied geschmettert hatten (mit dem orginellen Titel: Haifa Haifa Maccabi schäli (auf gut Deutsch: Mein Maccabi Haifa), folgte eine relativ langweilige erste Halbzeit, auch wenn Haifa angeblich die ersten fünfzehn Minuten besonders gut gespielt haben soll, was ich allerdings nicht erkennen konnte.
Während der Pause bemerkte der gesamte Unter-10-Jahre-Fanclub von Haifa auf einmal, dass sie große Durstgefühlte verspürten, und versammelten sich um die Männer, die Cola verkauften und streckten ihnen durch die Absperrungen Geldscheine entgegen. Teilweise konnte man die Verkäufer unter dem krabbelnden und drängenden Berg von grünen Kindern nicht mehr erkennen, das Ganze erinnerte stark an KRIEG von Farin Urlaub:



Die zweite Halbzeit hatte kaum begonnen, da geschah das Wunder. ASHDOD schoss das erste Tor, und von diesem Zeitpunkt an begannen die Haifa-Fans mit dem Durchdrehen. Der Hooligan-Block hatte seine eigenen Trommeln mitgebracht, um die rhytmischen Sprechchöre zu unterstützen, und bald fühlte ich mich eher wie in einem afrikanischen Stammesritual, als in einem Fußballstadion im Mittleren Osten. Vor der Gruppe stand ein Kerl, der aussah wie Che Guevara mit langen Haaren, der wie wild herumhüpfte, die Fäuste in die Luft schwang und ausdauernd in sein Megafon brüllte, worauf ihm die Menge grollend antwortete.
Schließlich kam es dann doch noch zum Ausgleich (was die zeitweilig aufgekommene Aufregung unter den Ashdod-Fans schlagartig wieder beendete und sie auf ihre Sitze zurücksinken ließ), und den Rest des Spiels schossen die Haifa-Spieler fleißig auf das Ashdod-Tor, ohne jedoch einen Treffer erzielen zu können. Die Menge sprang jedes Mal wie ein Mann auf, raufte sich die Haare und stöhnte laut. Ein paar Reihen vor uns saßen ein paar kleine Jungs, die eifrig darauf bedacht waren, es ihren Vätern gleich zu tun:



Es bestätigt also nur das, was ich in meinem Fußball-Literaturkurs gelernt habe: Man muss leidenschaftlich leiden können als Anhänger dieses Sportes (und Scotty ist uns allen ein Vorbild).

Freitag, 22. Oktober 2010

Abwärts in Akko.

Es ist ein unterhaltsamer Anblick, wenn man in einem der Hafenrestaurants in Akko sitzt, vielleicht eine Shisha raucht und sich über die Katzen ärgert, die um den Tisch streichen, um etwas Hummus oder Shawarma zu ergattern: arabische Jugendliche, die auf die Stadtmauer klettern, springen, einen Salto schlagen und unten ins Wasser eintauchen.
Wollten wir auch probieren, sah bei uns weniger elegant aus und war eindeutig gruseliger als erwartet. Die Stadtmauer ist so um die 12, 15 Meter hoch. Die erste Hürde: sich überhaupt trauen zu springen. Die zweite Hürde: weit genug springen, so um die zwei Meter schätzungsweise. Am Rand sind nämlich Felsen im Wasser. Die dritte Hürde: Arme beim Aufschlag ausbreiten, zur Fallabschwächung. Besonders tief ist das Wasser nämlich nicht.



Eine once-in-a-lifetime-experience. Ein paar Sekunden heller Panik, und Abzug hätte es ganz sicher für die Haltung gegeben. Ich falle wie ein nasser Kartoffelsack, aber immerhin war ich das erste Mädchen, das gesprungen ist (:
Und hier das ganze nochmal, einfach nur, weil Lukas so schön schreit:

Das erste Mal...

... alleine draussen!
Also, ganz alleine.
Und es war ganz einfach, gegen vier Uhr heute, habe ich meine Mutter hier gefragt, ob ich ein bisschen rausdarf und spazieren gehen, und sie meinte, ja. Obwohl ich ihr angesehen habe, dass sie es eindeutig ueberhaupt nicht gerne hat. Natuerlich wollte sie wissen, wo ich hinwill (das ist auch klar- an den Strand.) und letztendlich hat sie mich gehen lassen und da es keine Milch mehr gab, hab ich gefragt, ob ich welche kaufen soll, was sie wiederum erstaunt hat, genauso wie es meinen Vater hier beeindruckt, wenn ich mir das Abendessen selbst richte. Ich bin dann also los, die Strasse entlang, vorbei an der Baeckerei, ueber die grosse Strasse, und dann eine Stunde am Strand entlangspaziert, der so mittelschoen ist, ziemlich dreckig, aber das Sand ist ganz fein und hell. Und es ist eben Meer, das einem da um die Beine plaetschert, und das ist gut. Irgendwann beschloss ich, wieder umzukehren, um die Nerven meiner Mutter nicht zu sehr zu strapazieren, und ich wollte noch die Milch kaufen, aber in der Panaderia, in der wir immer einkaufen, gab es keine, also bin ich nochmal ein paar Meter zurueckgelaufen, wo es noch eine Andere gibt. Es war uebrigens auch das erste Mal, dass ich alleine etwas anderes als zwei Brote gekauft habe. Der Verkaeufer hat ziemlich schnell gerafft, dass mein Spanisch nicht perfekt ist und hat mir dann mehr oder weniger erklaert, wie man hier einkauft (man bestellt sozusagen an einer Theke, kriegt das Zeug und geht dann zu einer anderen Theke, wo man noch solche Sachen wie Suessigkeiten kaufen kann, und bezahlt.) Letztendlich habe ich den Laden mit drei Litern Milch (was der freundliche Herr an der Theke zuerst nicht verstanden hat, aber nach einiger Zeit hatte ich es ihm erklaert, dass ich eine grosse und eine kleine Flasche moechte, und weder zwei Grosse noch zwei Kleine.) einem Eis und zwei Packungen Pfefferminzbonbons verlassen und war sehr zufrieden mit mir.
Nach ungefaehr eineinhalb Stunden kam ich wieder daheim an, wohlbehalten.
Bilanz des Ausflugs: fuenfmal hinterhergepfiffen, dreimal hinterhergebruellt, das Angehupe zaehle ich schon gar nicht mehr, und vom Starren rede ich jetzt lieber auch nicht, und einmal hat ein Auto eine Vollbremsung vor mir hingelegt, wobei die quietschenden Bremsen die Sache allerdings unnoetig dramatisiert haben.
Langsam kriege ich doch ein bisschen Selbststaendigkeit wieder, das ist gut.

Freitag, 15. Oktober 2010

Landhaus.

Zuerst eine Aufstellung der beteiligten Personen, extra fuer meinen lieben Grossvater:
- meine Familie, bestehend aus Rafa, Ivette und Dani (die Oma war nicht dabei)
- Annika, die Deutsche in Cumana- Annikas Familie, bestehend aus ihrer Mutter und ihrem Vater und Lourdes, die irgendwie zur Familie gehoert.
- Valerio, ein AFS-Italiener, und seine Familie, bestehend aus Carla und Mario
- Daniela, bei der ich meine ersten Tage verbracht habe, und ihr Freund Jesus
- Mary, Danielas Cousine, und zwei ihrer Geschwister: Sol und Carlo
- ein mit Mary befreundetes Paar: Christian und Melissa.

Nur so fuer die Uebersicht.
Annikas Vater hat uns also alle in seine Finca auf dem Land eingeladen. Die Finca liegt in der Naehe von El Pilar, einem Dorf in den Bergen, in dem sowohl Danielas Vater als auch er geboren wurden.Wir fuhren also Freitag irgendwann nach der Schule hier ab Richtung Cumana. Gegen sechs kamen wir an, aber leider kannte das Navi die Strasse nicht, weshalb wir zuerst dreimal im Kreis gefahren sind und schliesslich Daniela angerufen haben, damit sie uns abholt. Dann sassen wir in Cumana im Haus und es wurde ueber Politik geredet und ich war ziemlich muede und hatte Hunger und hab mich gefragt, wann wir wohl weiterfahren, weil es doch noch ein Stueck bis El Pilar ist, und schliesslich kam heraus, das wir um zehn Valerio und seine Familie von der Faehre abholen und dann alle zusammen im Strandhaus von Annikas Familie uebernachten (ja, sie haben ein riesiges Strandhaus mit Privatstrand, eine Stadtwohnung und eine Finca auf einem grossen Gelaende mit Wasserbueffeln und einer Possada.) Wir sind dann also irgendwann los um noch einzukaufen. Aus den Mengen an Refrescos (alles, was nicht Wasser oder Saft ist, heisst hier Refresco, das kann Cola sein oder Nestea oder etwas von den einheimischen Getraenken, die allerdings sehr suess und sehr kuenstlich schmecken), Knabberzeug und Alkohol schloss ich auf einen feucht-froehlich-gemuetlichen kommenden Abend.
Nachdem wir Valerio von der Faehre abgeholt hatten ('was fuer ein Auto habt ihr?' 'einen weissen Fiat' 'da, schau, ein weisser Fiat... aber wieso faehrt der vorbei? Hey, kann es sein, dass ihr gerade an uns vorbeigefahren seid?' (...)) machten wir noch an einem Haehnchen-aus-der-Pfanne-Laden halt und holten uns ein Abendessen, das dann einen wunderbaren Geruch im Auto verstroemt hat.
Letzendlich bin ich gegen eins ins Bett und am naechsten Morgen um 6.15 kam Daniela und riss mich aus dem Schlaf. Gegen sieben fuhren wir ab Richtung Dorf, um aber nach einer halben Stunde an einem Cachapa- Stand an der Strasse Halt zu machen und zu fruehstuecken und nach weiteren zehn Minuten musste noch irgendwer was einkaufen, aber danach sind wir durchgefahren bis in die naechste Stadt, Carupano, die ein oder zwei Stunden enfernt liegt. Dort haben wir Mary eingesammelt und sind dann nach El Pilar gefahren, um die Oma von Daniela und Mary zu besuchen. Irgendwie tummelten sich in dem Haus, das ziemlich gross war, einige Leute und ich hab schnell den Ueberblick verloren, wer jetzt wessen Tante/Cousin/Nachbarin ist. War aber nicht so tragisch, wir haben nur Marys Geschwister mitgenommen und haben uns von Annikas Mutter abholen lassen, damit sie uns den Weg zeigt. Dann ging es noch ungefaehr eine halbe Stunde aus dem Dorf raus mehr oder weniger durch den Urwald und schliesslich kamen wir an der Finca Villa Rosa an.



Auf dem riesigen, gruenen Gelaende gibt es auch noch eine Possada, also eine Art Gaestehaus, und Wasserbueffel und mindestens zwei Hausmeister mit Familie und eine Koechin.
Zu Mittag gab es Spanferkel.Aber zum Glueck auch Reis und Yucca und Linsen.
Danach bin ich zum ersten Mal duschen gegangen, es ist naemlich nicht kuehler in den Bergen oder so, und ausserdem gibt es unglaublich viele Schnaken.
Nach einer laengeren Diskussion wurde beschlossen, dass wir zu den 'Aguas Calientes' fahren, wir sind al
so los, hinten auf dem Pick-Up sitzend, eine halbe Stunde durch den Regenwald. (Insgeheim habe ich die ganze Zeit auf Mogli gewartet.)
Schliesslich kamen wir an, an einen Baum war ein Schild mit dem Namen genagelt und es gab einen dampfenden Fluss. Bis ich verst
anden habe, wieso der Fluss dampft, dauerte es eine Weile, aber es ist tatsaechlich so, dass der Fluss dampft, weil er so heiss ist. Dann sind wir zu Fuss eine Weile an dem Fluss entlang und kamen zu einer Stelle, an der man ein bisschen ueber Felsen klettern musste, dann aber baden konnte- allerdings nicht ueberall, an manchen Stellen hat das Wasser gekocht. Das ganze war wohl wegen einem Vulkanausbruch so heiss, vor langer, langer Zeit- wenn ich das richtig verstanden habe.
Doof an der ganzen Sache war nur, dass man eigentlich auf Erfrischung gewartet ha
t, und warmes Wasser + warme Umgebung ist jetzt nicht so erfrischend. Deshalb sind wir nach einer Weile weitergefahren zu einem Fluss, und das war dann richtig toll. Und kuehl. Und schoen.
Auf dem Heimweg haben wir noch ein paarmal angehalten und vor einem Laden hat ein Besoffener fuer uns gesungen und mir ein Gedicht vorgetragen (mir wollte spaeter allerdings keiner uebersetzen, was genau er gesagt hat. Verstanden habe ich kaum etwas.)
Eigentlich hatte ich ja so etwas wie gemuetliches Beisammensein nach dem Abendessen (Pasta mit Sosse mit den Resten vom Schwein oder mit Meeresfruechten) erwartet, aber irgendwie haben sich um halb neun schon die meisten in ihre Zimmer verzogen. Wir waren letztendlich aber doch erst um halb zwei im Bett und die Nacht war nicht wirklich entspannend (Klimaanlage ausgefallen/Schnaken/Erdbeben) und am naechsten Morgen weckte mich Lourdes, indem sie meine Fuesse in ihre kalten Haende nahm (was mir gerade einfaellt- wieso waren ihre Haende bei diesen Temperaturen kalt?!) und es gab Arepa zum Fruehstueck und dann sind wir schon aufgebrochen und noch bei Danielas Familie vorbei und haben Mary in Carupano wieder abgesetzt, weil sie dort am Wochenende wohnt und nur zum Arbeiten in Cumana ist, was nichts ungewoehnliches ist, viele Leute haben zwei Wohungen hier.
Meine Schwester hat sich im Auto noch uebergeben und danach irgendwie unglaublich Lust auf Fischsuppe, weshalb wir irgendwann an einem Restaurant an der Strasse Halt gemacht haben.
Schliesslich und endlich kamen wir wieder im Strandhaus an, in stroemenden Regen. Allerdings gab es mal richtig tolle, hohe Wellen, weshalb ich mich trotz Regen gleich mit Klein-Daniela ins Wasser gestuerzt habe. Als das Wetter besser wurde kam Valerio auch noch. Dann kamen geschaetzte zehn Kerle zwischen zehn und zwanzig, die die Strandhauswohungen gemietet hatten. Und dann kam Annika, der es gar nicht gefallen hat, dass die zehn Kerle sie angestarrt haben. Unverstaendlicherweise war ich die einzige, der die Wellen gefallen haben (Dani mag sie nicht, weil sie die ganze Zeit ueber sie drueberschwappen, und Valerio mag sie nicht, weil sie ihn beim Reden stoeren.)
Gegen sechs gab es noch Abendessen und dann ein sehr ploetzlicher Aufbruch, allerdings haben sich unsere Familien gleich zum Fischsuppe kochen verabredet, weil die Fischsuppe aus dem Restaurant wohl nicht so der Bringer war, und wir sind wieder zurueck nach Puerto gefahren. Mein Vater hier hat die Angewohnheit, immer in den Kurven Gas zu geben, um dann wieder abzubremsen, weil da noch andere Autos sind, die man in den Kurven nicht gesehen hat, und es gibt unendlich viele Kurven auf dem Weg von Cumana nach Puerto und mir war schon lange nicht mehr so uebel und ich war unglaublich muede, weshalb ich nur noch ins Bett gefallen bin und sofort eingeschlafen bin. Anscheinend muss man sich hier von den Wochenenden erholen, und nicht von der Schule.