Montag, 6. Dezember 2010

Dich konnte ich schon immer gut riechen.


Und diese Aussage ist nach drei Tagen in der Wüste wörtlich zu nehmen.
Am letzten Wochenende im November fand das NEGEV-SEMINAR statt, das erste der vier großen Seminare, die jedes Jahr für die Volontäre angeboten werden (oder zumindest für einen Teil, denn ein paar müssen natürlich immer die Stellung halten, und so kam es, dass die TS-Jungs ihr Wochenende nicht damit verbrachten, Wände zu streichen und Türen wieder in ihre Angeln zu heben, sondern im Housekeeping Toiletten zu putzen und Betten zu machen).
Zusammen mit Youssef, unserem Arabisch-Lehrer und Experten für die Wüste/Fossilien/Geschichte/Geographie machten wir uns Donnerstagsmorgens äußerst früh in einem Reisebus (vollgepackt mit Matratzen, Schlafsäcken, Decken, Lebensmitteln und Gaskochern) auf den Weg Richtung Negev. Wir mussten eine ganze Weile fahren, denn unser Ausgangspunkt lag ungefähr auf einer Höhe mit Mitzpe Ramon, und das ist ziemlich weit im Süden, noch nach Beer Sheva. Nach einer ersten Wanderung (bei der ich gleich nach fünf Minuten einen Hügel auf dem Hintern runtergerutscht bin) verbrachten wir die Kaffeezeit bei Beduinen, wo wir reichlich Kaffee serviert bekamen. Bei den Beduinen ist noch Polygamie erlaubt (oder wird zumindest praktiziert), das Familienoberhaupt musste nur mit einem Finger zucken, und sofort sprangen alle Frauen, Kinder und jüngeren Männer durch die Gegend, um Anweisungen auszuführen,  die
wir kaum mitbekommen hatten, ihnen jedoch verständlich waren. Nach der zweiten Tasse Kaffee brachen wir wieder auf, denn wie ein arabisches Sprichwort besagt: Die erste Tasse Kaffee ist für den Gast, die zweite für den Spaß und die dritte fürs Geschäft. Dabei liefen wir an ihrer Kamelherde vorbei, und wie ein anderes arabisches Sprichwort sagt: Binde dein Kamel an einen festen Pfahl (es gibt sehr, sehr viele arabische Sprichwörter, und die Hälfte von ihnen scheint entweder überflüssig oder nichtverständlich für Außenstehende).
Wir schlugen unser Lager für die Nacht im Makhtesch Ramon auf, schichteten Matrazen ums Lagerfeuer und machten uns ans Kochen.



Um halb sechs war es stockdunkel und kalt, um sechs war das Essen fertig, und um acht lagen alle in ihren Schlafsäcken und waren mit Sterne-Zählen bereits fertig. Es ist erstaunlich, wie schnell man sich an den Rhythmus der Natur gewöhnt, und tatsächlich  bin ich erst am nächsten Morgen um sechs Uhr wieder aufgewacht, als Jennie uns liebevoll mit der Bushupe aufgeweckt hat. Die Überwindung, aus dem Schlafsack zu krabbeln, war riesig, immerhin gab es weder eine Heizung noch Toilette, Dusche oder Spiegel. Zumindest letzteres war vielleicht ganz gut, denn meine Haare sahen aus, als hätten sich nachts ein paar Wüstenrennmäuse darin ein Rennen geliefert.
Nachdem wir unser Lunchpaket geschnürt hatten, machten wir uns auf, Makhtesch Ramon genauer zu erkunden. Youssef hatte den gesamten letzten Tag damit verbracht, uns zu warnen, wie anstrengend und gefährlich die Wanderung werden würde und dass wir uns auf keinen Fall irgendwelchen Kanten nähern sollten und nicht stolpern und überhaupt. Vor meinem inneren Auge spielten sich also schon wahre Horrorszenen ab:



Ganz so schlimm war es dann nicht, alle überlebten, und dafür bot sich uns eine atemberaubende Aussicht:



Nach einem äußerst steilen Abklettern des ersten Berges machten wir Halt an der nächstgelegenen Filiale der AHAVA-Pflegelinie und probierten das ganze auch gleich mal aus. Sieht aus wie Weiße auf Kriegspfad, soll aber gut für Haut sein.



Unser Nachtlager schlugen wir wieder an der Stelle des Vortages auf, und wieder schlief ich durch, und das, obwohl ich eigentlich mit Nachtschicht drangewesen wäre (im Zwei-Stunden-Takt müssen zwei Leute immer Patrouille gehen, um wilde Tiere/diebische Beduinen/Aliens vom Lager fernzuhalten) (und ich muss dazu sagen: es war nicht meine Schuld. Ich wurde einfach nicht geweckt). Jolan und Joanne verbrachten ihre Schicht dann auch damit, einen Wolf (erfolgreich) abzuwehren, und auch das Wecken am nächsten Morgen gestaltete sich etwas freundlicher: Jesse verzichtete auf das Hupen und sang stattdessen ein spontan selbstkomponiertes Lied, das anfangs mit einem Teil über Sterne über den Bergen sehr arabisch klang, dann jedoch im zweiten Teil, der von den nicht vorhandenen Toiletten und Waschbecken sowie einem Sandwich mit Käse und Zwiebeln eindeutig nicht mehr danach klang.
Auf dem Rückweg in den Norden hielten wir ungefähr alle drei Minuten an, um uns Fossilien/bunten Sand/versteinerte Bäume anzusehen. Youssef stellte seine umwerfenden Ortskenntnisse unter Beweis ("Youssef, was ist dieser schwarze Stein hier genau?" "Oh, der gehört hier gar nicht hin. Der gehört eigentlich an den nächsten Ort, den muss bestimmt ein Tourist einfach mitgenommen haben." Ja klar, denke sich alle - und am nächsten Ort bemerken wir, dass der schwarze Stein wirklich dorthingehört).(Der weiße Punkt auf dem Foto ist übrigens ein Ballon, der als Standortsangabe eines Nuklearreaktors dort schwebt. Sollten Flugzeuge durch dieses Gebiet fliegen, werden sie abgeschossen. Punkt).
Zum Abschluss besuchten wir noch das Grab von Ben Gurion (der erste Premierminister Israels von der Gründung 1948 an) und seiner Frau, bewunderten ein paar Ziegenböcke in relativ freie Wildbahn



paddelten kurz im Toten Meer herum und machten uns wieder auf den Weg nach Nes Ammim.
Das Dorf sah aus wie ausgestorben - wohlweislich hielten sich alle von uns fern, bis wir eine Dusche genommen hatten.

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