Sonntag, 24. Oktober 2010

Die Situation ist aussichtlos, aber nicht kritisch.

Während mein herzallerliebster Bruder (der übrigens zusammen mit meinen Eltern die Herbstferien in Israel verbracht hat. Nach meinem bisherigen Wissenstand haben alle Beteiligten den Urlaub ohne nennenswerte Blessuren überstanden, außer einer Grippe, aber das ist praktisch das Aufnahmeritual für Nes Ammim, darum kann er jetzt seinen Zivildienst ebenfalls hier verbringen). Aber zurück zum Thema:
Während mein herzallerliebster Bruder seit Jahren treu Arminia Bielefeld durch alle Höhen und Tiefen (vor allem Tiefen) unterstützt und auch gelegentlich mal ein Stadion aufgesucht hat, ist meine Fußballbegeisterung zu nicht-WM-Zeiten praktisch nicht vorhanden. Trotzdem habe ich mich gestern in einem Auto voller Leute (von denen 3/5 keine hartgesottenen Fußball-Fans waren) aufgemacht, um das Stadion in Haifa zu besuchen. Auf dem Programm stand die Partie Maccabi-Haifa gegen Ashdod, und da Ashdod generell eher ein ziemlicher Außenseiter ist, war die Stimmung am Anfang nicht wirklich am Überkochen (nicht zu vergleichen mit den Straßenschlachten, die stattfinden, wenn sich die Erzfeinde Haifa-Tel Aviv oder Haifa - Jerusalem gegenübertreten). An fünf zusammenhängende Karten zu kommen, war trotzdem gar nicht so leicht, da es Israelis im Allgemeinen schwer fällt zu warten und ein Familienvater es nicht zulassen wollte, dass die anderen vier Leute unserer Gruppe ihre Karten bezahlen konnten, nachdem Jennie fünf Stück geordert hatte. Von der darauf folgenden Wortsalve auf Holländisch, Englisch und Hebräisch unsererseits war er dann aber doch so beeindruckt, dass er uns grummelnd unsere 40 Schekel abdrücken ließ.



Rechts von uns befand sich der Hooligan-Fanblock von Haifa:



links von uns der Fanblock des Gastspielers, in diesem Fall Ashdod. Ashdod liegt übrigens direkt nördlich vom Gaza-Streifen und kriegt immer als erstes die Bomben ab, aber vermutlich lag es nicht daran, dass so wenige Fans vorhanden waren (20), sondern daran, dass sie sich keine ernsthaften Chancen gegen Haifa ausrechneten.
Nachdem alle begeistert das Vereinseigene Lied geschmettert hatten (mit dem orginellen Titel: Haifa Haifa Maccabi schäli (auf gut Deutsch: Mein Maccabi Haifa), folgte eine relativ langweilige erste Halbzeit, auch wenn Haifa angeblich die ersten fünfzehn Minuten besonders gut gespielt haben soll, was ich allerdings nicht erkennen konnte.
Während der Pause bemerkte der gesamte Unter-10-Jahre-Fanclub von Haifa auf einmal, dass sie große Durstgefühlte verspürten, und versammelten sich um die Männer, die Cola verkauften und streckten ihnen durch die Absperrungen Geldscheine entgegen. Teilweise konnte man die Verkäufer unter dem krabbelnden und drängenden Berg von grünen Kindern nicht mehr erkennen, das Ganze erinnerte stark an KRIEG von Farin Urlaub:



Die zweite Halbzeit hatte kaum begonnen, da geschah das Wunder. ASHDOD schoss das erste Tor, und von diesem Zeitpunkt an begannen die Haifa-Fans mit dem Durchdrehen. Der Hooligan-Block hatte seine eigenen Trommeln mitgebracht, um die rhytmischen Sprechchöre zu unterstützen, und bald fühlte ich mich eher wie in einem afrikanischen Stammesritual, als in einem Fußballstadion im Mittleren Osten. Vor der Gruppe stand ein Kerl, der aussah wie Che Guevara mit langen Haaren, der wie wild herumhüpfte, die Fäuste in die Luft schwang und ausdauernd in sein Megafon brüllte, worauf ihm die Menge grollend antwortete.
Schließlich kam es dann doch noch zum Ausgleich (was die zeitweilig aufgekommene Aufregung unter den Ashdod-Fans schlagartig wieder beendete und sie auf ihre Sitze zurücksinken ließ), und den Rest des Spiels schossen die Haifa-Spieler fleißig auf das Ashdod-Tor, ohne jedoch einen Treffer erzielen zu können. Die Menge sprang jedes Mal wie ein Mann auf, raufte sich die Haare und stöhnte laut. Ein paar Reihen vor uns saßen ein paar kleine Jungs, die eifrig darauf bedacht waren, es ihren Vätern gleich zu tun:



Es bestätigt also nur das, was ich in meinem Fußball-Literaturkurs gelernt habe: Man muss leidenschaftlich leiden können als Anhänger dieses Sportes (und Scotty ist uns allen ein Vorbild).

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