Montag, 11. Oktober 2010

Freitag.

Auch wenn es in letzter Zeit etwas still auf dem Blog war, sind wir noch am Leben (zumindest spreche ich für mich, aber ich habe auch nichts Gegenteiliges aus Venezuela gehört).
Letzten Freitag haben wir einen Ausflug nach Majdal Sham (das ist ein Drusendorf in den Golanhöhen) gemacht. Das Dorf ist eines der größten Drusendörfer im Golan und - da es direkt an der heutigen Grenze zu Syrien liegt - eines derjenigen, die sich nicht mit der israelischen Besatzung anfreunden können. Die Bewohner des Dorfes haben keine Nationalität und keinen Reisepass, denn die israelische Staatsbürgerschaft wollen sie nicht annehmen und die syrische können sie nicht bekommen.
Der Mann, der uns herumgeführt hat, hat zum Beispiel eine Schwester in Syrien (sie hat dorthin geheiratet), und die beiden werden sich nie wiedersehen können, es sei denn, Israel und Syrien schaffen es überraschenderweise, sich wieder zu vertragen (der ewige Streitpunkt sind die Golanhöhen, die Syrien wiederhaben und Israel nicht zurückgeben will). Bevor es Internet gab, mussten die beiden (jeweils ausgestattet mit einem Megafon) an das neutrale UN-Gebiet zwischen der israelischen und syrischen Grenze kommen und sich von dort aus zuschreien, was sie auf dem Herzen hatten. Über das ganze Dilemma gibt es auch einen Film (Die syrische Braut, anscheinend sehr zu empfehlen), den wir nächstens sehen werden, aber es ist schon heftiger, wenn einem so eine Geschichte von jemandem erzählt wird, der direkt vor einem steht. Auf dem Foto sieht man ein Haus, direkt darüber den israelischen Grenzposten, und das Gebiet dazwischen ist vermient. Bei jedem Regen rutschen die Mienen weiter nach unten, was zu mehr und mehr Unfällen mit spielenden Kindern führt, und keinen kümmert's wirklich.
Nachdem wir noch ein drusisches Grabmal und den Markt direkt daneben besucht hatten, fuhren wir weiter zum Lake Ram, einem See, der stark am austrocknen ist, und zwar weil die Iraelis Wasser abpumpen, das die Drusen dann kaufen müssen, um ihre eigenen Felder zu bewässern. Die Erde sah jedenfalls aus wie auf dem Mond (und fühlte sich auch vergleichbar an), und darauf lagen jede Menge toter Fische, was dem ganzen einen interessanten Geruch verlieh. Wie sich herausstellte, war der Boden nicht ganz so fest, wie wir gedacht hatten:



Es bedurfte dreier Männer, um Annemarie wieder aus dem Schlamm zu ziehen, und danach begab sich Jesse heldenhaft auf die Suche nach ihren Schuhen, die sich irgendwo in einer Tiefe von einem halben Meter im Matsch befanden.



Die Rückfahrt brachten wir tatsächlich hinter uns, ohne dass das Auto uns im Stich ließ (Randbemerkung: der Bus befindet sich immer noch in Reparatur, und weil wir eine Garantie auf den neuen Motor hatten, soll jetzt jemand von der Firma kommen, die uns den Motor verkauft haben, das muss aber erst mit der Versicherung abgeklärt werden, und darum weiß keiner auch nur ansatzweise, wann der Bus wieder zurückkommen wird, was uns alle arg in unserer Bewegungsfreiheit einschränkt).
Und dann geschah das Wunder: REGEN!
Während es auf den Golanhöhen schon den ganzen Tag kalt, grau, nebelig und nieslig gewesen war, schüttete es am Abend auch in Nes Ammim. Tamara und ich führten im nassen Garten einen Regentanz auf (der aus sich-unkoordiniert-im-Kreis-drehen und ein paar mehr oder weniger geglückten Rädern bestand), und verbrachten die nächste halbe Stunde damit, unsere Haare wieder zu trocknen. Bei dem Regenschauer stellte sich übrigens heraus, dass das Dach des Mädchen-Badcontainers nicht dicht ist, darum verwandelt sich der Boden jetzt bei jedem Regenschauer in einen See aus Wasser und Erde. Hoffen wir, dass sich der TS bald erbarmt.
Und weil das Auto ausnahmsweise mal frei war, beschlossen wir, abends noch spontan auf ein Hippiefestival auf einem Feld nach Haifa zu fahren. Diese Genauigkeit der Ortsangabe war auch so ziemlich alles, was wir hatten, aber nach anderthalb Stunden und jeder Menge Nachfragen an Tankstellen (was dazu führte, dass wir bestimmt fünf Mal die Richtung änderten und hin und zurück durch Haifa fuhren) fanden wir besagtes Feld tatsächlich. Wir fühlten uns direkt in die 60er zurückversetzt, denn wir waren die einzigen Menschen, die nicht in Jute gekleidet waren oder Drogen konsumiert hatten. Die Getränke- und Essenspreise waren allerdings nicht dazu geeignet, Liebe und Frieden zu verbreiten, aber wir setzten uns trotzig auf den Boden und beobachten die Hippies, die zu den Geräuschen von Klangschalen in Trance zu fallen versuchten. Das ganze war ein wenig merkwürdig, aber dann kam eine andere Band auf die Bühne (bestehend aus Medusa, einem Mann, der aussah wie die Männer, die früher in Filmen Jesus gespielt haben, nur mit hüftlangen Dreadlocks, und einem Rasputin mit Schifferklavier), und sie haben tatsächlich schöne worship-Musik gemacht (nur was geworshippt wurde, ist noch nicht so ganz klar, aber zwischendurch ging es auf jeden Fall um das Alte Testament). Hier ein Ausschnitt, stört euch nicht an den tanzenden Menschen im Vordergrund, das war auf dem Festival genauso:



Gegen halb drei traten wir dann den Rückweg an, und zwar mit sieben Personen im Auto, statt den erlaubten fünf (davon zwei im Kofferraum). Wir verfuhren uns mal wieder ein bisschen, und ehe wir uns versahen, waren wir in eine Polizeikontrolle geraten. Wir hätten es auf jeden Fall verdient, erwischt zu werden, aber wie durch ein Wunder bemerkten die Beamten nicht die Leute, die im Kofferraum auf dem Boden lagen und sich wunderten, woher die Stimmen kamen (Zitat hinterher: "Wer hat uns da gerade angehalten?"). War wohl besser für den Frieden.

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