Achteinhalb Stunden pro Tag hocke ich also hochmotivert auf einem roten Hocker hinter dem Tresen, um Telefonanrufe entgegenzunehmen und mich mit Gästen herumzuschlagen, die sich beschweren, weil es ihnen zu warm ist (ach nee), Mücken in ihren Zimmern herumschwirren (wirklich? hab ich noch nicht bemerkt) oder die Handtücher stinken (die werden gewaschen, ehrlich). Während im Juli/August und zu den Feiertagen Hochsaison ist, beschäftigen wir uns in weniger ausgebuchten Tagen (wie gerade, vor Yom Kippur) damit, alle 12 Schachspiele auf Vollständigkeit zu untersuchen und die Spielkartendecks zu sortieren (von 8 Decks sind 2 vollständig, und ich kann jetzt keine Spielkarten mehr sehen). Letzte Woche, während Rosh HaSahana (jüdisches Neujahr, euch allen A HAPPY NEW YEAR also, wir befinden und jetzt schon im Jahr 5771, wir sind euch also ein bisschen voraus, aber keine Sorge, es ist nichts, was ihr nicht aufholen könntet), waren wir völlig ausgebucht, da kann es auch schon mal passieren, dass sich die evening-shift, die normalerweise um 23 Uhr endet, etwas verzögert, so um ein, zwei Stunden etwa. Denn auch wenn die Rezeption normalerweise um 23 Uhr geschlossen wird, kommen auch noch um Mitternacht Leute rein, denen nach acht Stunden in ihrem Zimmer urplötzlich aufgefallen ist, dass die Betten nicht bezogen sind (was der israelische Code ist für: Die Betten sind bezogen, aber ich hätte gerne anderen Kopfkissen, solche wie zu Hause, größere Handtücher, solche wie zu Hause, und alle Fernsehkanäle, so wie zu Hause). Der Rezeptionist, der die Nachtschicht hat, muss dann auch das duty-phone mitnehmen, auf dem die Gäste uns rund um die Uhr anrufen dürfen. Das tun sie dann auch manchmal, wie zum Beispiel der Herr, der mich vorgestern Nacht um Mitternacht aus dem Schlaf geklingelt hat, weil er mir mitteilen wollte, dass er einen goldenen Ring in seinem Zimmer gefunden hat und gedenke, ihn am nächsten Morgen zur Rezeption zu bringen. Ja und Amen, mein Lieber, ein guter Plan! Das nächste Mal bitte für dich behalten, danke!
Manchmal ist die Rezeptionsarbeit also tatsächlich so stressig, dass man den ganzen Tag über nicht zum Sitzen kommt, weil man die ganze Zeit rennt, um pool towels in die laundry und wieder zurück zu bringen, in großen Körben, sodass man kaum sieht, wohin man rennt, den coffee table putzen muss (und nach fünf Minuten ist wieder alles von einer dicken Zucker-Kaffee-Schicht überzogen, das Glas mit dem Milchpulver ist umgekippt und die Plastiklöffel sind leer), die waterboiler mit einer riesigen blauen Gießkanne auffüllt oder Leuten am Telefon klarmacht, dass man kein Hebräisch spricht, I'm very sorry, aber wenn Sie mit mir auf Englisch sprechen wollen, kann ich Ihnen sagen, dass wir für Succot schon völlig ausgebucht sind, es sei denn, Sie wollen in ein Kibbutz-Appartement - und dann auf einmal feststellt, dass die Leute schon ganz am Anfang (nach dem Teil mit: HaIwrit schäli ra meod (mein Hebräisch ist SEHR schlecht) wortlos aufgelegt haben.
Manchmal, wenn nicht besonders viel zu tun ist, helfe ich auch in der Dining Hall aus, wo man dreckige Teller von den Tischen abräumt und sie in die Kästen einsortiert, die hinterher zum Dishwasher gebracht werden. Es ist übrigens äußerst schwer zu erkennen, ob ein leerer Tisch wirklich verlassen ist oder die Leute nur erneut zum Büffet ausgeschwärmt sind, denn die Mengen an Nahrung, die Israelis zurücklassen, entspricht ungefähr dem, was auf dem Tisch steht, wenn eine deutsche Familie sich zum Essen niederlässt. Nachdem eine dreiköpfige israelische Familie ein üppiges Frühstück zu sich genommen hat, bleiben auf dem Tisch zurück:
- sechs Scheiben Toast
- fünf Päckchen Frischkäse
- ein Teller mit Tomaten, Gurken, Hüttenkäse und Oliven
- anderthalb Schälchen Müsli
- vier Tassen Kakao und Kaffee
- drei bis fünf Plastikbecker mit Orangensaft
- ein großer Teller mit Spiegelei.
Pro Mahlzeit werden hier ungefähr bei ausgebuchtem Haus zwei ausgewachsene Mülltonnen mit Essenabfällen gefüllt, das ist echt schwer anzugucken.
Das treibe ich also den lieben langen Tag über, wenn ich nicht gerade im Housekeeping Toiletten putze oder Lagerfeuer abbrenne (das natürlich in meiner Freizeit), aber das ist eine andere Geschichte.
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