Gestern saß ich mit Raffael nichtsahnend friedlich an der Rezeption, als unsere Pastorin vorbeikam und unsere gesamte noch nicht existente Abendplanung über den Haufen warf. Nächstens startet hier wieder ein Projekt, in dem wir Volontäre nach Mazra'a fahren, um mit den arabischen Jugendlichen dort Englisch zu sprachen, und als Auftakt wurden wir zum iftar, also dem Fastenbrechen des Ramadans nach Sonnenuntergang, in muslimische Familien eingeladen. Mit sechs Leuten und unseren Fahrrädern machten wir uns also abends auf nach Mazra'a, um nach einer etwas angespannten Vorstellungsrunde in der Schule auf sechs Familien aufgeteilt zu werden. Rawan (das Mädchen, mit dem ich mitgegangen bin) und ich mussten erstmal ganz Mazra'a durchqueren, und währenddessen beendete der Muezzin vom Minarett schon das Abendgebet, sodass wir wirklich genau in dem Moment das Haus betraten, in dem der Startschuss für das Essen gegeben wurde. Ich überreichte mein Gastgeschenk (baklava, frisch aus dem Laden, und prompt war auch das T-Shirt total versaut mit dem Sirup, der aus der Pappschachtel tropfte) und wurde an den Tisch manövriert. Weil ich es so nett fand, dass ich mit ihnen essen durfte, traute ich mich nicht zu sagen, dass ich Vegetarierin bin, und aß misstrauisch das erste Fleisch seit drei Jahren (Schawarma, das ist Schaffleisch, ein bisschen wie türkischer Kebab). Das "Oh-das-habe-ich-wirklich-vermisst"-Gefühl ist aber nicht aufgetreten und mein Vegetariergewissen wieder zu neuem Leben erwacht. Rawans Eltern waren wirklich nett, der Vater arbeitet als Anwalt und spricht relativ gutes Englisch, die Mutter versteht sehr viel, spricht aber kaum, sodass es immer eine Unterhaltung über mehrere Übersetzungs-Stationen war. Nachdem ich zum Nachtisch noch unglaubliche Mengen von baklava und selbstgebackenen Keksen vorgesetzt bekam ("Really, I'm not hungry anymore!" "Good, take this!") und wir uns mit Rawans kleiner Schwester Spongebob auf Arabisch angeschaut hatten, machten wir uns wieder auf den Rückweg zur Schule und tauschten facebook-Adressen aus. (Ohne Scherz, die erste Frage, die man hier von Israelis gestellt bekommt, ist: "How are you?" Die zweite ist: "Do you have facebook?" - Ohne Ausnahme. Ihre Facebook-Leidenschaft scheint fast noch die Handy-Leidenschaft zu übertreffen. Ich würde schätzen, der durchschnittliche Israeli besitzt im Schnitt drei Handys. Damit laufe ich jetzt auch teilweise rum, mein deutsches, mein israelisches, und das Duty-Phone von der reception).
Bevor wir uns mit den Fahrrädern jedoch wieder endgültig auf den Rückweg machten, stoppten wir noch in einem winzigen Laden, dafür sehr gut klimatisiert, und wurden gleich wieder von der arabischen Familie im Nachbarhof eingeladen. Wir bekamen mehr arbaischen Kaffee, mehr Kekse, guckten mit ihnen Bab ElHara (eine der letzten Episoden, die Spannung steigt!), bis einer von ihnen sagte: "Come, come, we will show you something."
Was uns gezeigt wurde, war dann die Herstellung von neuem Schawarma, und zwar der allererste Schritt. Bevor ich mir genau überlegen konnte, ob ich das jetzt sehen wollte oder nicht, hatten sie sich schon die beiden Schafe geschnappt, hielten sie an den Hufen fest und schnitten ihnen die Kehle auf. Es folgte ein kurzes Gezappel, ein oder zwei halberstickte Blöker und eine Menge Blut auf dem Boden. Während ich noch die Arme der neben mir stehenden Personen umklammerte, holten sie einen Wasserschlauch, um Blut in den Abfluss zu schwemmen - und als das Wasser auf die Schafe niederprasselte, fingen sie wie wild an um sich zu treten. Und so oft die Leute mir auch erzählen, dass das nur eine Reaktion der Neven ist, frage ich mich immer noch, wie ausdauernd ein Tier zappeln kann, nachdem es offziell schon tot sein soll.
Das Ganze ist mir also ziemlich nahe gegangen, aber auf eine etwas perverse Art war es auch sehr interessant, und eigentlich gestehe ich es den Leuten, die ihr Fleisch selber töten, eher zu, es auch zu essen, als den Leuten, die einfach in den Supermarkt gehen, sich etwas kaufen, das weder nach Babykuh aussieht noch nach ihr schmeckt und dann sagen: "Ich habe kein Problem damit, Tiere zu essen".
Und bevor das jetzt in einen moralischen Vortrag abdriftet, weil es keinen logisch-nachvollziehbaren Grund gibt, Tiere zu essen, außer dem egoistischen Verlangen danach, weil es gut schmeckt, beende ich den Eintrag jetzt lieber mal.
In dem Sinne:
Ramadan karim!
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