Sonntag, 26. September 2010

Jesus Trail 2

Zumindest mit ein paar Stunden mehr Schlaf als letztes Mal stand am Freitag die letzte Etappe des Jesus Trails auf dem Programm (ich bin dann zumindest die Hälfte mitgelaufen, und wenn ich mich dunkel an die Zeiten meines Matheunterrichtes erinnere, meine ich, dass man ab der Hälfte aufrunden darf).
Der erste Teil der Strecke führte durch den Arbel National Park, und dafür wurden uns schon im Auto genaue Instruktionen von Frans gegeben: "Der Park ist heute offiziell geschlossen, darum darf man nicht hinein, wir müssen also sehr schnell gehen und dabei leise sein, und wenn uns jemand anspricht, geht ihr einfach weiter und ich versuche das zu regeln". Bei unserem Glück waren wir natürlich gerade mal 200 Meter weit gekommen, als uns der Guard erwischt hat, aber nachdem Frans eine ganze Weile verschwunden war, hatte er es tatsächlich geschafft, einen Studentenpreis für uns auszuhandeln. Wir setzten unseren Weg fort, steil den Berg herunter:





Der See Genezareth liegt ja nun bekannterweise ziemlich tief, da kommt kein Lufthauch mehr hin. Dementsprechend groß war die Hitze, in der wir laufen mussten, wir schätzen so um die 40 Grad. Nassgeschwitzt mussten wir noch über einen Stacheldrahtzaun klettern, und jetzt sieht mein linkes Bein so aus, als hätte ich nähere Bekanntschaft mit dem letzten Säbelzahntiger Israels gemacht.
Irgendwann kamen wir jedenfalls am Wasser an und stürzten hinein, nur etwas gestört vom penetranten Grill- und Benzingeruch, der über dem Wasser hing. Anschließend hopsten wir barfuß über den heißen Boden zum Bus, sprangen noch schnell in Tabgha einmal heraus, um Eis in rauen Mengen zu kaufen, und machten uns dann auf den Rückweg.
Irgendwann fiel uns, die wir in der letzten Reihe im Bus saßen, auf, dass die Klimaanlage merkwürdig roch. Augustin sagte: "Hey, genauso hat sie letztes Mal gerochen, als der Bus kaputt gegangen ist. Das war übrigens auch hier am See Genezareth." Wir wiesen ihn liebenswürdig darauf hin, dass man solche Dinge nicht sagt - und in diesem Moment lenkte Annemarie den Bus auf den Seitenstreifen - kaputt.



Auch der Teil des TS, der im Bus versammelt war, war nicht wirklich in der Lage, etwas zu unternehmen, immerhin hatte uns die Werkstatt versichert, den Schaden behoben zu haben, als der Bus letztes Mal ungefähr vier Wochen in der Werkstatt war. Wir mussten also unsere letzten Trinkwasservorräte opfern, damit das Kühlwasser nachgefüllt werden konnte, und nachdem wir noch ein naheliegendes Rabbigrab besucht hatten (so sehr, wie es darin gestunken hat, scheinen sie den Rabbi einfach so hineingeworfen zu haben, ohne Sarg oder anständige Beerdigung), war der Bus auch so weit abgekühlt, dass wir 10 Kilometer weiter fahren konnten. Da war das Kühlwasser dann auch wieder alle.
Wir hielten also an einer Tankstelle, und nachdem das NesCar angekommen war, um die erste Ladung von Leuten abzuholen, beschloss der Rest, es mit per-Anhalter-fahren zu versuchen. Wir teilten uns also günstig in Zweiergruppen auf (denn obwohl Hitchhiken in Israel im Allgemeinen sehr sehr einfach ist, sollte man doch als Mädchen nicht ohne männliche Begleitung fahren, wenn es sich vermeiden lässt), und dann fanden wir einen Mann, den wir vom Sehen aus der Synagoge in Nahariyya kannten und der uns gleich alle vier bis vor unsere Barackentür gefahren hat, und da er eine Vorliebe dafür hatte, das Gaspedal bis zum Anschlag durchzudrücken, waren wir überraschenderweise sogar noch vor dem NesCar wieder zurück.

Sonntag, 19. September 2010

Yom Kippur

Gestern war Yom Kippur, der Versöhnungstag, eigentlich der wichtigste jüdische Feiertag überhaupt. Früher wurden alle Sünden des Volkes auf einen Ziegenbock übertragen, der dann in die Wüste gejagt wurde, um dort zusammen mit den Sünden zu verenden, heute wird das ganze ein wenig anders begangen.
Was vor allem auffällt - und uns einen ziemlich ruhigen Vormittag bescherte - sind die ganzen Verbote, die es zu beachten gilt.
Verboten sind unter anderem:
- Essen
- Trinken
- Rauchen
- das Tragen von Leder (jedweder Art)
- jegliche Körperpflege, wie Duschen oder Zähneputzen
- sexuelle Handlungen aller Art
- sowie Autofahren, und traut man sich doch mit dem Auto in die falsche Gegend, wird man mit Steinen beworfen, und in dem Fall greift nicht einmal mehr die Versicherung, da ja Yom Kippur ist und damit das Autofahren verboten.

Nachdem wir jedenfalls den Morgen in einem Dorf ohne Gäste verbracht hatten, machten wir uns nachmittags auf den Weg in die Synagoge. Wir konnten mit dem Fahrrad bis nach Mazra'a fahren (denn obwohl Yom Kippur der einzige Tag des Jahres ist, an dem zum Beispiel auch der Faisal geschlossen haben muss, fuhren die Araber in ihrem Dorf trotzdem noch gelegentlich Auto), von dort wanderten wir in die Synagoge nach Nahariyya, und da ja keine Autos fahren durften, konnten wir bequem auf der Autobahn laufen.



Die Synagoge war schon recht gut gefüllt, als wir dort ankamen, und viele von den Juden waren schon den ganzen Tag dort, denn allein das Morgengebet am Yom Kippur dauert zwischen 5 - 7 Stunden. Sie tragen dabei die Tallit, den jüdischen Gebetsmantel (ganz in weiß), den sich die Männer manchmal auch über den Kopf ziehen und rhythmisch wippend beten. Der Frauenbalkon, auf dem ich stand, wurde immer voller und voller, und wir vermieden es tunlichst, andere Leute anzugucken, wenn sie laut beteten oder sangen, denn macht riecht es ganz eindeutig, wenn sich jemand den ganzen Tag über nicht die Zähne putzen darf. Wir verbrachten dann auch nur gute anderthalb Stunden in der Synagoge und machten uns danach wieder auf den Rückweg, immerhin mussten wir nach Hause kommen, bevor die Autobahn wieder zur Autobahn wurde.
Und jetzt ist unser Technischer Service schon fleißig dabei, die Sukka für Succoth aufzubauen, denn in drei Tagen kommt schon wieder der nächste Feiertag. Das ist wirklich mal ein guter Monat für israelische Schulkinder, die können eigentlich auch ganz zu Hause bleiben.

Freitag, 17. September 2010

Die ersten Tage (2).

Meine ersten Tage verbrachte ich also in Cumana damit, Daniela zu ihrer Terapia zu begleiten, um beim Arzt unglaublich suessen schwarzen Kaffee zu bekommen. Gleich am ersten Tag hatte ein Arzthelferin Geburtstag, was dazu fuehrte, dass wir die ganze Zeit mit Chips, Crackern mit Frischkaese und Getraenken versorgt wurden. Als schliesslich jemand mit einer riesigen Torte ankam, fluechteten wir.


Am gleichen Tag waren wir auch noch auf einer Burgruine, die wie ein Stern geformt ist und von der man einen wunderschoenen Blick auf die Stadt hat.

Zweimal war ich in meiner Zeit in Cumana mit Daniela, ihrer Cousine Mary Carmen und Annika an der Strasse, die am Meer entlang fuehrt. Interessant zu sehen war, wie viele Leute trotz der Hitze doch joggen gehen oder sich an diversen Trimm-dich-Geraeten hochziehen. Stoerend ist nur die grosse Strasse, die dort verlaeuft.


Ausserdem war ich natuerlich auch IM Meer und nicht nur AM Meer. Annika hat das Glueck, dass ihre Gastfamilie ein Strandhaus hat, etwas ausserhalb von Cumana. Es ist ein riesiges Haus mit einem Stueck Privatstrand, und der ist wirklich idyllisch.

Das Wasser ist unglaublich klar und man sieht auf den Boden, waehrend man darin laeuft, und die Fische. Viel Glueck hatten wir beim ersten Mal allerdings nicht, es fing ziemlich bald an zu gewittern, weshalb wir aus dem Wasser mussten.
Am naechsten Tag fuhren wir mit einem Onkel von Daniela an einen Hotelstrand, zu dem auch ein Pool gehoerte. Der Onkel hat Verbindungen, weshalb wir kostenlos reingekommen sind. Der Strand war wirklich schoen, aber der Pool war nicht mein Fall: irgendwann tauchten naemlich ein paar Animateure auf, die mit Wassergymnastik angefangen haben, was die Venezolanos auch begeistern mitgemacht haben. Nun ja.

Freitag kam dann Valerio, der Italiener zu Besuch, und wir waren bei Annikas Gastfamilie eingeladen, wo wir beschlossen, von Sonntag auf Montag im Strandhaus zu uebernachten. Was dann auch ziemlich nett wurde.


Dienstag habe ich mich dann schweren Herzens von Cumana verabschiedet und bin hier her gekommen, aber dazu spaeter.

"Guten Morgen" ist ein Oxymoron.

Eines der Kennzeichen von Nes Ammim ist, dass sich die Gruppe der Volontäre immer ändert, mal kommen neue dazu, mal müssen alte gehen, und gestern war es auch wieder so weit. Miriam - die erste, die ich nach meiner Ankunft hier getroffen habe - musste den Weg zurück nach Deutschland antreten, und da beschloss sie kurzerhand, ihre Shalom Party mit dem Barevening zusammenzulegen. Ihr Zug sollte um zwei gehen, und da wir sie nach Akko zum Bahnhof fahren sollten/mussten/wollten, mussten wir wohl oder übel wach bleiben. Nachdem die Musik so gegen halb zwei ausgeschaltet worden war, machten wir uns auf den Weg zum Auto. Das war allerdings nicht mehr vollständig aufgetankt, und da in den letzten Tagen der Zugverkehr zwischen Nahariyya und Akko und teilweise auch zwischen Akko und Haifa nicht funktioniert hatte, bestand also die Möglichkeit, dass wir bis nach Haifa fahren mussten. Dafür reichte der Sprit allerdings nicht mehr. Wir versuchten also, die NesAmmiminterne Tankstelle anzuwerfen, es blieb allerdings bei dem Versuch, und wir sattelten auf den Bus um. Ich saß schon begeistert hinterm Steuer, als uns auffiel, dass jedes Mal, wenn wir versuchten den Motor zu starten, stattdessen die Alarmanlage losging. Bei der carinstruction wurde nicht ausreichend auf den Code eingegangen, den man benötigt, umd das Auto zu starten. Wir hetzten also zurück in das Auto, und da die Zeit schon knapp wurde, bretterte ich mit 120 km/h über die Dorfstraße in Richtung Akko.
Ein junger Sicherheitsbeamte am Bahnhof kontrollierte Miriams Ausweis, durchleuchtete ihren Rucksack, und fragte dann: "Wo wollen Sie denn hin?" Auf die Antwort "Ben Gurion Airport" drehte er sich langsam um und sah dem Zug nach, der in diesem Augenblick aus dem Bahnhof herausrollte. Wunderbar gelaufen also, die ganze Sache, und da wir Miriam ja nicht alleine nachts in Akko stehen lassen konnten, überquerten wir die Straße und verbrachten die nächste Stunde in einem arabischen Shop, wo wir Eis aßen und einen Horrorfilm im draußen hängenden Fernseher anschauten (nachdem der Bösewicht mit der Eisenmaske so ziemlich alle Protagonisten zur Strecke gebracht hatte, wurde er am Ende gehängt, erstochen und zerschreddert, und schaffte es trotzdem wieder, von den Toten aufzuerstehen, aus dem See zu springen und die letzte weibliche Darstellerin zu packen).



Den nächsten Zug erwischte Miriam dann tatsächlich noch, sodass wir anderen um vier Uhr morgens wieder in Nes Ammim ankamen - und um halb sechs wieder aufzustehen, denn der JESUS TRAIL stand auf dem Programm. Der Jesus Trail ist eine viertägige Wanderroute (die im September jeden Freitag stattfindet), man wandelt dort auf den Spuren von (wer hätte es gedacht) Jesus und klettert mehr oder weniger munter über Stock und Stein. Nachdem ich die letzten beiden Wochen arbeiten musste, war ich natürlich hochmotiviert, selbst mit Schlafmangel.



Nachdem wir gleich am Anfang eine Kuhherde durchquert hatten, wurde es immer heißer und heißer. Von ferne konnten wir die Sea of Galilee sehen, aber wie gesagt nur von ferne (es kursieren jedoch Gerüchte, dass wir nächstes Mal tatsächlich schwimmen können). An einer Stelle passierten wir ein Schild, das davor warnte, die Wege zu verlassen, da sich immer noch Bomben auf dem Gelände befinden könnten, aber es sah alles sehr friedlich aus. Da die Mittagsessenpause jedoch schon um zehn abgehalten worden war, war ich so verwirrt gewesen, dass ich nicht daran gedacht hatte, meine zweite Wasserflasche aus der Kühlbox im Auto zu nehmen. Christine und ich trotteten also nebeneinander her, beide mit nur anderthalb Stunden Schlaf, Sonnenbrand und ohne Wasser. Für ein paar Minuten glaubten wir, ganz am Ende der Schlange zu laufen, und uns tanzten schon lebhafte Horrorvisionen vor den Augen herum: wenn wir jetzt ohnmächtig werden würden, würde uns niemand finden, und wir würden wie die Kuh enden, die in einer Brücke stecken geblieben war und jetzt so aussieht:




Hinter uns kamen dann aber doch noch einige Leute hergelaufen, teilten ihr Wasser mit uns, und wir erreichten an der Spitze der Gruppe das Etappenziel. Und jetzt werden wir schlafen gehen.
In dem Sinne: leila tov!

Die ersten Tage.

Aufgrund des USA-Urlaubs meiner Familie habe ich meine ersten Tage nicht hier, in Lecheria, verbracht, sondern in Cumana, einer kleinen Stadt, ungefaehr eine Stunde von hier. Ich war untergebracht bei einer sehr AFS-engagierten Familie, die Toechter waren beide im Ausland (Ungarn und Italien) und die Mutter hat wohl auch recht viel mit AFS zu tun. Insgesamt gab es in dem Haus die Mutter, den Vater, Maria Daniela und Daniela, die Zwillinge sind, was sich allerdings nicht erahnen laesst, weil sie komplett unterschiedlich sind, zwei grosse Katzen und drei kleine Katzen (von denen eine verschenkt wurde), einen Hund mit Ueberbiss am Unterkiefer und eine Schildkroete, mit der ich allerdings keine naehere Bekanntschaft geschlossen habe. In den ersten drei Tagen war eine Italienerin da, die Couchsurfing-Backpacking durch Venezuela macht, ein Jahr in Deutschland studiert hat und daher Deutsch kann, und die mir sehr viel erklaert hat, was fuer die Leute hier selbstverstaendlich ist. Quasi staendig waren auch noch irgendwelche Onkels, Tanten, Cousinen oder Cousins anwesend (ich schaetze, es sind insgesamt um die fuenfzig Cousinen und Cousins- ohne Witz. Da bin ich mit meinen doch beachtlichen 16 Stueck nichts dagegen.) Ausserdem gibt es auch noch Annika, die Deutsche in Cumana, die viel Zeit mit uns verbracht hat, und Valerio, einen AFS- Italiener (Sizilien, um genau zu sein. Jedes Mal, wenn er gesagt hat, wo er herkommt, gab es einen Spruch ueber die Mafia, ich bin froh, dass ich in einem kleinen, unbekannten Dorf cerca de Francia wohne.)
Den ersten Sonntag in Venezuela verbrachte ich mit einigen anderen AFSern mit warten. Wir fuhren gegen zehn zum Flughafen, um in unsere Bestimmungsorte zu fliegen, und kamen um ungefaer zwoelf an. Und dann fingen wir an zu warten. Und zu warten.

Irgendwann kam dann heraus, dass der Flieger nach Cumana erst um sieben geht. Also sassen wir da. Und warteten. Und warteten. Und assen was von Subway. Warteten weiter. Assen Churros (eine Art suesse, fritierte Teigstangen. Das Essen hier ist sowieso entweder total suess oder total fettig, oder beides, wie eben besagte Churros, aber das ist ein anderes Thema.)
Gegen halb sieben gingen also Maria, Daniela, Annika und ich zu Gate neun, wo laut Anzeigetalfen unser Flug gehen sollte. Dort angekommen (Annika und ich standen kurz vor dem Zusammenbruch, weil der ganze Tag so unglaublich anstrengend gewesen war, obwohl wir nichts getan haben, ausser auf dem Boden zu sitzen und wie gesagt, zu warten.) stand nichts angeschrieben von einem Flug nach Cumana. Also hetzte Maria davon, um zu schauen, wo der Flug wirklich abgeht- sie kam wieder mit der Info, dass der Flug eine Stunde Verspaetung hat. So setzten wir uns also wieder hin, um unserer Lieblingsbeschaeftigung-ratet- nachzukommen. Irgendwann liefen wir wieder los, um zu einem anderen Gate zu gehen, von wo aus der Flug tatsaechlich ging- allerdings erst um neun. Mindestens eine dreiviertel Stunde blinkte auf dem Monitor das Bording-Zeichen, aber es tat sich nichts.

Als wir dann schliesslich und endlich in das Flugzeug durften, ich hatte schon fast nicht mehr daran geglaubt, dass der Flieger heute noch geht, bin ich sofort eingeschlafen. Der Flug dauerte keine Stunde, vom Tag bleibt: mit dem Bus waere es schneller gegangen.

Montag, 13. September 2010

A vecces habe ich ni puta idea in which idioma I should parler.

Das Gefühl habe ich zumindest oft, wenn ich an der Rezeption arbeite, denn da werden alle Sprachen noch viel munterer vermischt als im normalen Dorfalltag. Während ich mich die meiste Zeit mit einem Gemisch aus Englisch und Hebräisch durchschlage, kommt es zuweilen sogar vor, dass ich auf meine eingestaubten Französischkenntnisse zurückgreifen muss, um Zimmerpreise zu nennen und darüber zu informieren, dass es mit vier Leuten in einem Hotelzimmer 'very crowded' werden kann (ich bin zwar in der Lage, auf Französisch über Sartres Existentialismus, das Innenleben eines Motors oder die Terrorattacken algerischer Islamisten zu diskutieren, leider haben wir jedoch nie die Vokabeln für einfache Hotelbesuche gelernt. Das kommt davon, wenn man hochengagierte Muttersprachler als Lehrer hat...).



Achteinhalb Stunden pro Tag hocke ich also hochmotivert auf einem roten Hocker hinter dem Tresen, um Telefonanrufe entgegenzunehmen und mich mit Gästen herumzuschlagen, die sich beschweren, weil es ihnen zu warm ist (ach nee), Mücken in ihren Zimmern herumschwirren (wirklich? hab ich noch nicht bemerkt) oder die Handtücher stinken (die werden gewaschen, ehrlich). Während im Juli/August und zu den Feiertagen Hochsaison ist, beschäftigen wir uns in weniger ausgebuchten Tagen (wie gerade, vor Yom Kippur) damit, alle 12 Schachspiele auf Vollständigkeit zu untersuchen und die Spielkartendecks zu sortieren (von 8 Decks sind 2 vollständig, und ich kann jetzt keine Spielkarten mehr sehen). Letzte Woche, während Rosh HaSahana (jüdisches Neujahr, euch allen A HAPPY NEW YEAR also, wir befinden und jetzt schon im Jahr 5771, wir sind euch also ein bisschen voraus, aber keine Sorge, es ist nichts, was ihr nicht aufholen könntet), waren wir völlig ausgebucht, da kann es auch schon mal passieren, dass sich die evening-shift, die normalerweise um 23 Uhr endet, etwas verzögert, so um ein, zwei Stunden etwa. Denn auch wenn die Rezeption normalerweise um 23 Uhr geschlossen wird, kommen auch noch um Mitternacht Leute rein, denen nach acht Stunden in ihrem Zimmer urplötzlich aufgefallen ist, dass die Betten nicht bezogen sind (was der israelische Code ist für: Die Betten sind bezogen, aber ich hätte gerne anderen Kopfkissen, solche wie zu Hause, größere Handtücher, solche wie zu Hause, und alle Fernsehkanäle, so wie zu Hause). Der Rezeptionist, der die Nachtschicht hat, muss dann auch das duty-phone mitnehmen, auf dem die Gäste uns rund um die Uhr anrufen dürfen. Das tun sie dann auch manchmal, wie zum Beispiel der Herr, der mich vorgestern Nacht um Mitternacht aus dem Schlaf geklingelt hat, weil er mir mitteilen wollte, dass er einen goldenen Ring in seinem Zimmer gefunden hat und gedenke, ihn am nächsten Morgen zur Rezeption zu bringen. Ja und Amen, mein Lieber, ein guter Plan! Das nächste Mal bitte für dich behalten, danke!
Manchmal ist die Rezeptionsarbeit also tatsächlich so stressig, dass man den ganzen Tag über nicht zum Sitzen kommt, weil man die ganze Zeit rennt, um pool towels in die laundry und wieder zurück zu bringen, in großen Körben, sodass man kaum sieht, wohin man rennt, den coffee table putzen muss (und nach fünf Minuten ist wieder alles von einer dicken Zucker-Kaffee-Schicht überzogen, das Glas mit dem Milchpulver ist umgekippt und die Plastiklöffel sind leer), die waterboiler mit einer riesigen blauen Gießkanne auffüllt oder Leuten am Telefon klarmacht, dass man kein Hebräisch spricht, I'm very sorry, aber wenn Sie mit mir auf Englisch sprechen wollen, kann ich Ihnen sagen, dass wir für Succot schon völlig ausgebucht sind, es sei denn, Sie wollen in ein Kibbutz-Appartement - und dann auf einmal feststellt, dass die Leute schon ganz am Anfang (nach dem Teil mit: HaIwrit schäli ra meod (mein Hebräisch ist SEHR schlecht) wortlos aufgelegt haben.
Manchmal, wenn nicht besonders viel zu tun ist, helfe ich auch in der Dining Hall aus, wo man dreckige Teller von den Tischen abräumt und sie in die Kästen einsortiert, die hinterher zum Dishwasher gebracht werden. Es ist übrigens äußerst schwer zu erkennen, ob ein leerer Tisch wirklich verlassen ist oder die Leute nur erneut zum Büffet ausgeschwärmt sind, denn die Mengen an Nahrung, die Israelis zurücklassen, entspricht ungefähr dem, was auf dem Tisch steht, wenn eine deutsche Familie sich zum Essen niederlässt. Nachdem eine dreiköpfige israelische Familie ein üppiges Frühstück zu sich genommen hat, bleiben auf dem Tisch zurück:
- sechs Scheiben Toast
- fünf Päckchen Frischkäse
- ein Teller mit Tomaten, Gurken, Hüttenkäse und Oliven
- anderthalb Schälchen Müsli
- vier Tassen Kakao und Kaffee
- drei bis fünf Plastikbecker mit Orangensaft
- ein großer Teller mit Spiegelei.
Pro Mahlzeit werden hier ungefähr bei ausgebuchtem Haus zwei ausgewachsene Mülltonnen mit Essenabfällen gefüllt, das ist echt schwer anzugucken.
Das treibe ich also den lieben langen Tag über, wenn ich nicht gerade im Housekeeping Toiletten putze oder Lagerfeuer abbrenne (das natürlich in meiner Freizeit), aber das ist eine andere Geschichte.

Dienstag, 7. September 2010

Ramadan für Fortgeschrittene(re)

Gestern saß ich mit Raffael nichtsahnend friedlich an der Rezeption, als unsere Pastorin vorbeikam und unsere gesamte noch nicht existente Abendplanung über den Haufen warf. Nächstens startet hier wieder ein Projekt, in dem wir Volontäre nach Mazra'a fahren, um mit den arabischen Jugendlichen dort Englisch zu sprachen, und als Auftakt wurden wir zum iftar, also dem Fastenbrechen des Ramadans nach Sonnenuntergang, in muslimische Familien eingeladen. Mit sechs Leuten und unseren Fahrrädern machten wir uns also abends auf nach Mazra'a, um nach einer etwas angespannten Vorstellungsrunde in der Schule auf sechs Familien aufgeteilt zu werden. Rawan (das Mädchen, mit dem ich mitgegangen bin) und ich mussten erstmal ganz Mazra'a durchqueren, und währenddessen beendete der Muezzin vom Minarett schon das Abendgebet, sodass wir wirklich genau in dem Moment das Haus betraten, in dem der Startschuss für das Essen gegeben wurde. Ich überreichte mein Gastgeschenk (baklava, frisch aus dem Laden, und prompt war auch das T-Shirt total versaut mit dem Sirup, der aus der Pappschachtel tropfte) und wurde an den Tisch manövriert. Weil ich es so nett fand, dass ich mit ihnen essen durfte, traute ich mich nicht zu sagen, dass ich Vegetarierin bin, und aß misstrauisch das erste Fleisch seit drei Jahren (Schawarma, das ist Schaffleisch, ein bisschen wie türkischer Kebab). Das "Oh-das-habe-ich-wirklich-vermisst"-Gefühl ist aber nicht aufgetreten und mein Vegetariergewissen wieder zu neuem Leben erwacht. Rawans Eltern waren wirklich nett, der Vater arbeitet als Anwalt und spricht relativ gutes Englisch, die Mutter versteht sehr viel, spricht aber kaum, sodass es immer eine Unterhaltung über mehrere Übersetzungs-Stationen war. Nachdem ich zum Nachtisch noch unglaubliche Mengen von baklava und selbstgebackenen Keksen vorgesetzt bekam ("Really, I'm not hungry anymore!" "Good, take this!") und wir uns mit Rawans kleiner Schwester Spongebob auf Arabisch angeschaut hatten, machten wir uns wieder auf den Rückweg zur Schule und tauschten facebook-Adressen aus. (Ohne Scherz, die erste Frage, die man hier von Israelis gestellt bekommt, ist: "How are you?" Die zweite ist: "Do you have facebook?" - Ohne Ausnahme. Ihre Facebook-Leidenschaft scheint fast noch die Handy-Leidenschaft zu übertreffen. Ich würde schätzen, der durchschnittliche Israeli besitzt im Schnitt drei Handys. Damit laufe ich jetzt auch teilweise rum, mein deutsches, mein israelisches, und das Duty-Phone von der reception).
Bevor wir uns mit den Fahrrädern jedoch wieder endgültig auf den Rückweg machten, stoppten wir noch in einem winzigen Laden, dafür sehr gut klimatisiert, und wurden gleich wieder von der arabischen Familie im Nachbarhof eingeladen. Wir bekamen mehr arbaischen Kaffee, mehr Kekse, guckten mit ihnen Bab ElHara (eine der letzten Episoden, die Spannung steigt!), bis einer von ihnen sagte: "Come, come, we will show you something."
Was uns gezeigt wurde, war dann die Herstellung von neuem Schawarma, und zwar der allererste Schritt. Bevor ich mir genau überlegen konnte, ob ich das jetzt sehen wollte oder nicht, hatten sie sich schon die beiden Schafe geschnappt, hielten sie an den Hufen fest und schnitten ihnen die Kehle auf. Es folgte ein kurzes Gezappel, ein oder zwei halberstickte Blöker und eine Menge Blut auf dem Boden. Während ich noch die Arme der neben mir stehenden Personen umklammerte, holten sie einen Wasserschlauch, um Blut in den Abfluss zu schwemmen - und als das Wasser auf die Schafe niederprasselte, fingen sie wie wild an um sich zu treten. Und so oft die Leute mir auch erzählen, dass das nur eine Reaktion der Neven ist, frage ich mich immer noch, wie ausdauernd ein Tier zappeln kann, nachdem es offziell schon tot sein soll.
Das Ganze ist mir also ziemlich nahe gegangen, aber auf eine etwas perverse Art war es auch sehr interessant, und eigentlich gestehe ich es den Leuten, die ihr Fleisch selber töten, eher zu, es auch zu essen, als den Leuten, die einfach in den Supermarkt gehen, sich etwas kaufen, das weder nach Babykuh aussieht noch nach ihr schmeckt und dann sagen: "Ich habe kein Problem damit, Tiere zu essen".
Und bevor das jetzt in einen moralischen Vortrag abdriftet, weil es keinen logisch-nachvollziehbaren Grund gibt, Tiere zu essen, außer dem egoistischen Verlangen danach, weil es gut schmeckt, beende ich den Eintrag jetzt lieber mal.
In dem Sinne:
Ramadan karim!

Montag, 6. September 2010

Zehn Stunden Flug.

Was tut man also zehn Stunden im Flugzeug?
Nachdem sich alle 28 Austauschschueler von ihren Eltern verabschiedet hatten, liefen wir los, immer hinter Rebecca her, unserer Flugbegleiterin, ohne die wir total aufgeschmissen waeren. Nachdem wir unsere Koffer abgegeben hatten ("Wenn ihr Uebergewicht habt, dann tut einfach so, als waere nichts, und schaut JA NICHT erschreckt auf die Waage") und es tatsaechlich keinerlei Probleme gab, ging es los, weiter zu warten. Irgendwann durften wir dann ins Flugzeug, wo wir begeistert feststellten, dass es sogar Filme gab, die man sich ohne grosse Ueberwindung anschauen konnte (Alice im Wunderland) und solche, die seichte Unterhaltung versprachen, mit der man sich ablenken konnte (Briefe an Julia, StreetDance).
So gingen die Stunden also mit Filme schauen, doesen und Einreise- und Zollformulare ausfuellen die Stunden vorbei, auch wenn sie eher weniger komfortabel waren.
Im Flugzeug fanden wir ausserdem noch Belgier, Italiener, Norweger und eine Schweizerin, die alle mit AFS nach Venezuela unterwegs waren.
Endlich angekommen, wurden wir herzlich begruesst und zuerst mal mit Wasser versorgt.
Schliesslich ging es in zwei Kleinbussen, die voellig ueberklimatisiert waren, zu unserem Aufenthaltsort fuer die naechsten drei Tage: Eine Art Jugendherberge in den Bergen bei Caracas.

Freitag, 3. September 2010

Alternative Abendgestaltung.

Gestern Abend sind wir nach Yakar (ein drusisches Dorf) gefahren, um dort den Abend auf irgendeinem Berghang zu verbringen. Yakar enthält zwar tatsächlich eine Menge Berghänge, die sind aber alle mit hohen Häusern und schmalen Gassen vollgebaut. Wir sattelten also um und entschieden uns, auf ein Dach zu klettern und von da aus das Feuerwerk in arabischen Dörfern zu betrachten, das immer nachts wegen des Ramadans abgebrannt wird.
Nachdem wir also leerstehendes Haus mit einem günstigen Dach gefunden hatten, machten wir uns an den Aufstieg, der nicht ganz so umkompliziert war, wie wir zuerst dachten, denn um das erste Flachdach des Hauses herum befand sich ein Graben. Sven opferte sich, und wir Mädchen durften uns erst auf seine Schultern stellen, um von da aus von den anderen Jungen aufs Dach gezogen zu werden.



Nachdem wir dann noch ein paar hüfthohe Stufen sowie eine lange Leiter erklommen hatten



erreichten wir tatsächlich das Dach, und die Aussicht war grandios. Wir verbrachten eine erfreuliche halbe Stunde oben, bis jemand sagte: "Da ist ein Junge, der auf uns zeigt!" Er näherte sich dem Dach, verschwand dann aber wieder. Fünf Minuten später kam er mit einem Freund wieder, es folgte eine Diskussion, dann waren auch die beiden nicht mehr zu sehen. Gerade fühlten wir uns sicher, als die beiden mit weiteren Jugendlichen sowie einem älteren Mann im Schlepptau wieder auftauchten - und zumindest der Mann war gar nicht begeistert, uns dort oben zu sehen. Er brüllte uns auf Arabisch an (und Arabisch klingt schon recht aggressiv, wenn man nur über das Wetter redet). Wir machten uns also flugs an den Abstieg und kamen gerade noch rechtzeitig an, um zu hören, dass er die Polizei rufen wollte. Die Jugendlichen schienen das ganze eher lustig zu finden und hielten den Mann fest, als er versuchen wollte, einen gezielten rechten Haken auf unsere männliche Begleitung loszulassen.
Wie sich dann herausstellte, hatte er auch allen Grund, ärgerlich zu sein: Wir hatten nämlich keineswegs auf einem leerstehenden und verfallenden Grundstück gesessen, sondern auf dem FRIEDHOF. Asche über unser Haupt, das haben wir weder gewusst noch erkannt. Wir entschuldigten uns ausdauernd bei der zusammenlaufenden Dorfbevölkerung (We are legend) und ließen uns dann von den immer noch lachenden Jugendlichen zu unserem Auto zurückbringen.
Als wir noch einmal anhielten, um etwas zu trinken zu kaufen, saßen in einem Hinterhof arabische Männer und Jugendliche, und bevor wir reagieren konnten, hatten sie uns Plastikstühle geholt und wir saßen zwischen ihnen, um mit ihnen auf dem Beamer arabisches GZSZ (Bab Alhara) zu gucken. Es ist eine Serie, die jedes Jahr während des Ramadans ausgestrahlt wird, irgendwo in Syrien spielt und ungefähr 51 ständige Cast-Mitglieder hat. Die Emotionalität und Dramatik befanden sich bereits in den ersten fünf Minuten auf einen Punkt, der in Deutschland nicht einmal beim Staffelfinale zu erreichen wäre, und umfassten schwangere Frauen, die die Treppe hinunterfielen und Frühwehen bekamen, Männer, die auf offener Straßen mit hochrotem Gesicht und von Weinkrämpfen geschüttelt zu Boden gingen, eine spontane Auferstehung von den Toten und sehr sehr viel Geschrei.



Zum Schluss bekamen wir noch arabischen Kaffee (sehr interessante Würzung hier, übrigens, ich vermute, es war Kardamon) in Plastikbechern und machten uns hinterher total aufgekratzt auf den Rückweg. Gelobt sei die arabische Gastfreundlichkeit.

Donnerstag, 2. September 2010

Ein wunderbarer Abend.

Letzten Dienstag kam es also doch noch zu einer Abschiedsparty in unserem Hof (Auch wenn am Anfang angezweifelt wurde, dass ich meinen Plan verwirkliche).
Nach einigen Planungen auf der Heimreise von unserem Urlaub ('Wie viel zu trinken?-'Keine Ahnung', 'Wie viel Fleisch braucht man denn da?' 'Woher soll ich das denn wissen?') waren wir also mehr oder weniger vorbereitet auf grillen und chillen.
Nachdem schließlich alle eingetrudelt waren, wurde es ein wunderbarer Abend.


Mitgegessen haben auch unsere polnischen Hilfsarbeiter, die sich die meiste Zeit damit beschäftigt haben, unterschiedlichen Leuten die Kunst des Papierrosen basteln beizubringen- mehr oder weniger erfolgreich.


Jedenfalls hatten wir viel Spaß :D




Danke für diesen wunderschönen Abend (und die lange Nacht) und die tollen Geschenke (fast alle hatten Platz im Koffer)!