Donnerstag, 28. Oktober 2010

Man bräuchte eine Menge Wichtel, aber möglich wär's.

... das zumindest ist das Gefühl, das manchmal aufkommt, wenn man im Housekeeping arbeitet.
Ich treibe mich ja nicht nur an der Rezeption herum, sondern muss auch gelegentlich die Zimmer der Gäste wieder aufräumen. Im Winter steigt die Anzahl der Housekeeping-Tage, denn da kommen eine Menge Gruppen aus Europa, und die bleiben nur für ein oder zwei Nächte, und nicht wie die Israelis während ihrer Sommerferien für eine ganze Woche. (Man kann übrigens, wenn man ein Zimmer betritt, am Verschmutzungs- und Chaosgrad sofort erkennen, ob sich Europäer oder Israelis darin aufgehalten haben).
Normalerweise beginnt unser Tag um neun Uhr (außer man hat die morning-shift, dann muss man um sechs Uhr die Rezeption und die Lobby putzen). Der Haken an der Sache ist, dass die meisten Gäste erst um elf Uhr auschecken und die frische laundry auch erst um diese Zeit zurückkommt. Meistens läuft es also darauf hinaus, dass man zwischen neun und elf Uhr zwei Zimmer säubert, und in den folgenden drei Stunden ZEHN putzen muss, denn gegen zwei Uhr ist die offizielle check-in-time.
Im Allgemeinen müssen wir die Betten ab- und wieder beziehen (und das meistens mehrmals, weil einem irgenwann auffällt, dass in dem Bettlaken ein Loch ist oder ein großer Fleck auf dem Bettbezug), das Badezimmer putzen, Staub wischen, den Boden fegen und nass wischen, und das nach einem bestimmten System, nämlich hinter einem her, damit man nicht über den nassen Boden latscht und hässliche Fußabdrücke hinterlässt. Dann muss man alles nämlich noch ein zweites Mal machen, und dafür reicht die Zeit meistens nicht.
Gelegentlich, wenn nicht so viele Gäste im Haus sind, sinkt also auch die Anzahl der zu putzenden Räume. Das klingt jetzt besser, als es ist, dann bekommen wir nämlich einen Haufen von Aufgaben, die uns stark daran zweifeln lassen, ob unsere Krankenversicherung das auch abdeckt.
Da wäre zum Beispiel das Putzen von Böden mit Putzmitteln, auf deren Flaschen sich Totenköpfe befinden. Wir arbeiten dann lieber mit Mundschutz:



Sehr schön ist auch der oilremover, den man auf den Kachelboden sprüht, heißes Wasser darüber kippt, und dann - mit einer Bürste ausgestattet - auf den Knien herumrutscht und versucht, den Dreck aus den Fugen zu kratzen. Für einen Raum braucht man ungefähr zwei Stunden, und wir haben eine ganze Menge Räume hier.
Eine schöne Aufgabe ist es auch, Klimaanlangen zu putzen, dann muss man nämlich eine wackelige Leiter heraufklettern, mit dem linken Arm die schwere Klappe hin die Luft halten und mit dem rechten Arm und einem Lappen das Klimaanlagenfach notdürftig auswischen (und hinterher das Trocknen natürlich nicht vergessen). An einem solchen Tag ist es mir beim Mittagessen unmöglich, die Arme noch zu heben, was das Essen gewissermaßen etwas schwierig gestaltet.
Aber wenigstens kriegt man Muskeln dabei, ohja!

Sonntag, 24. Oktober 2010

Die Situation ist aussichtlos, aber nicht kritisch.

Während mein herzallerliebster Bruder (der übrigens zusammen mit meinen Eltern die Herbstferien in Israel verbracht hat. Nach meinem bisherigen Wissenstand haben alle Beteiligten den Urlaub ohne nennenswerte Blessuren überstanden, außer einer Grippe, aber das ist praktisch das Aufnahmeritual für Nes Ammim, darum kann er jetzt seinen Zivildienst ebenfalls hier verbringen). Aber zurück zum Thema:
Während mein herzallerliebster Bruder seit Jahren treu Arminia Bielefeld durch alle Höhen und Tiefen (vor allem Tiefen) unterstützt und auch gelegentlich mal ein Stadion aufgesucht hat, ist meine Fußballbegeisterung zu nicht-WM-Zeiten praktisch nicht vorhanden. Trotzdem habe ich mich gestern in einem Auto voller Leute (von denen 3/5 keine hartgesottenen Fußball-Fans waren) aufgemacht, um das Stadion in Haifa zu besuchen. Auf dem Programm stand die Partie Maccabi-Haifa gegen Ashdod, und da Ashdod generell eher ein ziemlicher Außenseiter ist, war die Stimmung am Anfang nicht wirklich am Überkochen (nicht zu vergleichen mit den Straßenschlachten, die stattfinden, wenn sich die Erzfeinde Haifa-Tel Aviv oder Haifa - Jerusalem gegenübertreten). An fünf zusammenhängende Karten zu kommen, war trotzdem gar nicht so leicht, da es Israelis im Allgemeinen schwer fällt zu warten und ein Familienvater es nicht zulassen wollte, dass die anderen vier Leute unserer Gruppe ihre Karten bezahlen konnten, nachdem Jennie fünf Stück geordert hatte. Von der darauf folgenden Wortsalve auf Holländisch, Englisch und Hebräisch unsererseits war er dann aber doch so beeindruckt, dass er uns grummelnd unsere 40 Schekel abdrücken ließ.



Rechts von uns befand sich der Hooligan-Fanblock von Haifa:



links von uns der Fanblock des Gastspielers, in diesem Fall Ashdod. Ashdod liegt übrigens direkt nördlich vom Gaza-Streifen und kriegt immer als erstes die Bomben ab, aber vermutlich lag es nicht daran, dass so wenige Fans vorhanden waren (20), sondern daran, dass sie sich keine ernsthaften Chancen gegen Haifa ausrechneten.
Nachdem alle begeistert das Vereinseigene Lied geschmettert hatten (mit dem orginellen Titel: Haifa Haifa Maccabi schäli (auf gut Deutsch: Mein Maccabi Haifa), folgte eine relativ langweilige erste Halbzeit, auch wenn Haifa angeblich die ersten fünfzehn Minuten besonders gut gespielt haben soll, was ich allerdings nicht erkennen konnte.
Während der Pause bemerkte der gesamte Unter-10-Jahre-Fanclub von Haifa auf einmal, dass sie große Durstgefühlte verspürten, und versammelten sich um die Männer, die Cola verkauften und streckten ihnen durch die Absperrungen Geldscheine entgegen. Teilweise konnte man die Verkäufer unter dem krabbelnden und drängenden Berg von grünen Kindern nicht mehr erkennen, das Ganze erinnerte stark an KRIEG von Farin Urlaub:



Die zweite Halbzeit hatte kaum begonnen, da geschah das Wunder. ASHDOD schoss das erste Tor, und von diesem Zeitpunkt an begannen die Haifa-Fans mit dem Durchdrehen. Der Hooligan-Block hatte seine eigenen Trommeln mitgebracht, um die rhytmischen Sprechchöre zu unterstützen, und bald fühlte ich mich eher wie in einem afrikanischen Stammesritual, als in einem Fußballstadion im Mittleren Osten. Vor der Gruppe stand ein Kerl, der aussah wie Che Guevara mit langen Haaren, der wie wild herumhüpfte, die Fäuste in die Luft schwang und ausdauernd in sein Megafon brüllte, worauf ihm die Menge grollend antwortete.
Schließlich kam es dann doch noch zum Ausgleich (was die zeitweilig aufgekommene Aufregung unter den Ashdod-Fans schlagartig wieder beendete und sie auf ihre Sitze zurücksinken ließ), und den Rest des Spiels schossen die Haifa-Spieler fleißig auf das Ashdod-Tor, ohne jedoch einen Treffer erzielen zu können. Die Menge sprang jedes Mal wie ein Mann auf, raufte sich die Haare und stöhnte laut. Ein paar Reihen vor uns saßen ein paar kleine Jungs, die eifrig darauf bedacht waren, es ihren Vätern gleich zu tun:



Es bestätigt also nur das, was ich in meinem Fußball-Literaturkurs gelernt habe: Man muss leidenschaftlich leiden können als Anhänger dieses Sportes (und Scotty ist uns allen ein Vorbild).

Freitag, 22. Oktober 2010

Abwärts in Akko.

Es ist ein unterhaltsamer Anblick, wenn man in einem der Hafenrestaurants in Akko sitzt, vielleicht eine Shisha raucht und sich über die Katzen ärgert, die um den Tisch streichen, um etwas Hummus oder Shawarma zu ergattern: arabische Jugendliche, die auf die Stadtmauer klettern, springen, einen Salto schlagen und unten ins Wasser eintauchen.
Wollten wir auch probieren, sah bei uns weniger elegant aus und war eindeutig gruseliger als erwartet. Die Stadtmauer ist so um die 12, 15 Meter hoch. Die erste Hürde: sich überhaupt trauen zu springen. Die zweite Hürde: weit genug springen, so um die zwei Meter schätzungsweise. Am Rand sind nämlich Felsen im Wasser. Die dritte Hürde: Arme beim Aufschlag ausbreiten, zur Fallabschwächung. Besonders tief ist das Wasser nämlich nicht.



Eine once-in-a-lifetime-experience. Ein paar Sekunden heller Panik, und Abzug hätte es ganz sicher für die Haltung gegeben. Ich falle wie ein nasser Kartoffelsack, aber immerhin war ich das erste Mädchen, das gesprungen ist (:
Und hier das ganze nochmal, einfach nur, weil Lukas so schön schreit:

Das erste Mal...

... alleine draussen!
Also, ganz alleine.
Und es war ganz einfach, gegen vier Uhr heute, habe ich meine Mutter hier gefragt, ob ich ein bisschen rausdarf und spazieren gehen, und sie meinte, ja. Obwohl ich ihr angesehen habe, dass sie es eindeutig ueberhaupt nicht gerne hat. Natuerlich wollte sie wissen, wo ich hinwill (das ist auch klar- an den Strand.) und letztendlich hat sie mich gehen lassen und da es keine Milch mehr gab, hab ich gefragt, ob ich welche kaufen soll, was sie wiederum erstaunt hat, genauso wie es meinen Vater hier beeindruckt, wenn ich mir das Abendessen selbst richte. Ich bin dann also los, die Strasse entlang, vorbei an der Baeckerei, ueber die grosse Strasse, und dann eine Stunde am Strand entlangspaziert, der so mittelschoen ist, ziemlich dreckig, aber das Sand ist ganz fein und hell. Und es ist eben Meer, das einem da um die Beine plaetschert, und das ist gut. Irgendwann beschloss ich, wieder umzukehren, um die Nerven meiner Mutter nicht zu sehr zu strapazieren, und ich wollte noch die Milch kaufen, aber in der Panaderia, in der wir immer einkaufen, gab es keine, also bin ich nochmal ein paar Meter zurueckgelaufen, wo es noch eine Andere gibt. Es war uebrigens auch das erste Mal, dass ich alleine etwas anderes als zwei Brote gekauft habe. Der Verkaeufer hat ziemlich schnell gerafft, dass mein Spanisch nicht perfekt ist und hat mir dann mehr oder weniger erklaert, wie man hier einkauft (man bestellt sozusagen an einer Theke, kriegt das Zeug und geht dann zu einer anderen Theke, wo man noch solche Sachen wie Suessigkeiten kaufen kann, und bezahlt.) Letztendlich habe ich den Laden mit drei Litern Milch (was der freundliche Herr an der Theke zuerst nicht verstanden hat, aber nach einiger Zeit hatte ich es ihm erklaert, dass ich eine grosse und eine kleine Flasche moechte, und weder zwei Grosse noch zwei Kleine.) einem Eis und zwei Packungen Pfefferminzbonbons verlassen und war sehr zufrieden mit mir.
Nach ungefaehr eineinhalb Stunden kam ich wieder daheim an, wohlbehalten.
Bilanz des Ausflugs: fuenfmal hinterhergepfiffen, dreimal hinterhergebruellt, das Angehupe zaehle ich schon gar nicht mehr, und vom Starren rede ich jetzt lieber auch nicht, und einmal hat ein Auto eine Vollbremsung vor mir hingelegt, wobei die quietschenden Bremsen die Sache allerdings unnoetig dramatisiert haben.
Langsam kriege ich doch ein bisschen Selbststaendigkeit wieder, das ist gut.

Freitag, 15. Oktober 2010

Landhaus.

Zuerst eine Aufstellung der beteiligten Personen, extra fuer meinen lieben Grossvater:
- meine Familie, bestehend aus Rafa, Ivette und Dani (die Oma war nicht dabei)
- Annika, die Deutsche in Cumana- Annikas Familie, bestehend aus ihrer Mutter und ihrem Vater und Lourdes, die irgendwie zur Familie gehoert.
- Valerio, ein AFS-Italiener, und seine Familie, bestehend aus Carla und Mario
- Daniela, bei der ich meine ersten Tage verbracht habe, und ihr Freund Jesus
- Mary, Danielas Cousine, und zwei ihrer Geschwister: Sol und Carlo
- ein mit Mary befreundetes Paar: Christian und Melissa.

Nur so fuer die Uebersicht.
Annikas Vater hat uns also alle in seine Finca auf dem Land eingeladen. Die Finca liegt in der Naehe von El Pilar, einem Dorf in den Bergen, in dem sowohl Danielas Vater als auch er geboren wurden.Wir fuhren also Freitag irgendwann nach der Schule hier ab Richtung Cumana. Gegen sechs kamen wir an, aber leider kannte das Navi die Strasse nicht, weshalb wir zuerst dreimal im Kreis gefahren sind und schliesslich Daniela angerufen haben, damit sie uns abholt. Dann sassen wir in Cumana im Haus und es wurde ueber Politik geredet und ich war ziemlich muede und hatte Hunger und hab mich gefragt, wann wir wohl weiterfahren, weil es doch noch ein Stueck bis El Pilar ist, und schliesslich kam heraus, das wir um zehn Valerio und seine Familie von der Faehre abholen und dann alle zusammen im Strandhaus von Annikas Familie uebernachten (ja, sie haben ein riesiges Strandhaus mit Privatstrand, eine Stadtwohnung und eine Finca auf einem grossen Gelaende mit Wasserbueffeln und einer Possada.) Wir sind dann also irgendwann los um noch einzukaufen. Aus den Mengen an Refrescos (alles, was nicht Wasser oder Saft ist, heisst hier Refresco, das kann Cola sein oder Nestea oder etwas von den einheimischen Getraenken, die allerdings sehr suess und sehr kuenstlich schmecken), Knabberzeug und Alkohol schloss ich auf einen feucht-froehlich-gemuetlichen kommenden Abend.
Nachdem wir Valerio von der Faehre abgeholt hatten ('was fuer ein Auto habt ihr?' 'einen weissen Fiat' 'da, schau, ein weisser Fiat... aber wieso faehrt der vorbei? Hey, kann es sein, dass ihr gerade an uns vorbeigefahren seid?' (...)) machten wir noch an einem Haehnchen-aus-der-Pfanne-Laden halt und holten uns ein Abendessen, das dann einen wunderbaren Geruch im Auto verstroemt hat.
Letzendlich bin ich gegen eins ins Bett und am naechsten Morgen um 6.15 kam Daniela und riss mich aus dem Schlaf. Gegen sieben fuhren wir ab Richtung Dorf, um aber nach einer halben Stunde an einem Cachapa- Stand an der Strasse Halt zu machen und zu fruehstuecken und nach weiteren zehn Minuten musste noch irgendwer was einkaufen, aber danach sind wir durchgefahren bis in die naechste Stadt, Carupano, die ein oder zwei Stunden enfernt liegt. Dort haben wir Mary eingesammelt und sind dann nach El Pilar gefahren, um die Oma von Daniela und Mary zu besuchen. Irgendwie tummelten sich in dem Haus, das ziemlich gross war, einige Leute und ich hab schnell den Ueberblick verloren, wer jetzt wessen Tante/Cousin/Nachbarin ist. War aber nicht so tragisch, wir haben nur Marys Geschwister mitgenommen und haben uns von Annikas Mutter abholen lassen, damit sie uns den Weg zeigt. Dann ging es noch ungefaehr eine halbe Stunde aus dem Dorf raus mehr oder weniger durch den Urwald und schliesslich kamen wir an der Finca Villa Rosa an.



Auf dem riesigen, gruenen Gelaende gibt es auch noch eine Possada, also eine Art Gaestehaus, und Wasserbueffel und mindestens zwei Hausmeister mit Familie und eine Koechin.
Zu Mittag gab es Spanferkel.Aber zum Glueck auch Reis und Yucca und Linsen.
Danach bin ich zum ersten Mal duschen gegangen, es ist naemlich nicht kuehler in den Bergen oder so, und ausserdem gibt es unglaublich viele Schnaken.
Nach einer laengeren Diskussion wurde beschlossen, dass wir zu den 'Aguas Calientes' fahren, wir sind al
so los, hinten auf dem Pick-Up sitzend, eine halbe Stunde durch den Regenwald. (Insgeheim habe ich die ganze Zeit auf Mogli gewartet.)
Schliesslich kamen wir an, an einen Baum war ein Schild mit dem Namen genagelt und es gab einen dampfenden Fluss. Bis ich verst
anden habe, wieso der Fluss dampft, dauerte es eine Weile, aber es ist tatsaechlich so, dass der Fluss dampft, weil er so heiss ist. Dann sind wir zu Fuss eine Weile an dem Fluss entlang und kamen zu einer Stelle, an der man ein bisschen ueber Felsen klettern musste, dann aber baden konnte- allerdings nicht ueberall, an manchen Stellen hat das Wasser gekocht. Das ganze war wohl wegen einem Vulkanausbruch so heiss, vor langer, langer Zeit- wenn ich das richtig verstanden habe.
Doof an der ganzen Sache war nur, dass man eigentlich auf Erfrischung gewartet ha
t, und warmes Wasser + warme Umgebung ist jetzt nicht so erfrischend. Deshalb sind wir nach einer Weile weitergefahren zu einem Fluss, und das war dann richtig toll. Und kuehl. Und schoen.
Auf dem Heimweg haben wir noch ein paarmal angehalten und vor einem Laden hat ein Besoffener fuer uns gesungen und mir ein Gedicht vorgetragen (mir wollte spaeter allerdings keiner uebersetzen, was genau er gesagt hat. Verstanden habe ich kaum etwas.)
Eigentlich hatte ich ja so etwas wie gemuetliches Beisammensein nach dem Abendessen (Pasta mit Sosse mit den Resten vom Schwein oder mit Meeresfruechten) erwartet, aber irgendwie haben sich um halb neun schon die meisten in ihre Zimmer verzogen. Wir waren letztendlich aber doch erst um halb zwei im Bett und die Nacht war nicht wirklich entspannend (Klimaanlage ausgefallen/Schnaken/Erdbeben) und am naechsten Morgen weckte mich Lourdes, indem sie meine Fuesse in ihre kalten Haende nahm (was mir gerade einfaellt- wieso waren ihre Haende bei diesen Temperaturen kalt?!) und es gab Arepa zum Fruehstueck und dann sind wir schon aufgebrochen und noch bei Danielas Familie vorbei und haben Mary in Carupano wieder abgesetzt, weil sie dort am Wochenende wohnt und nur zum Arbeiten in Cumana ist, was nichts ungewoehnliches ist, viele Leute haben zwei Wohungen hier.
Meine Schwester hat sich im Auto noch uebergeben und danach irgendwie unglaublich Lust auf Fischsuppe, weshalb wir irgendwann an einem Restaurant an der Strasse Halt gemacht haben.
Schliesslich und endlich kamen wir wieder im Strandhaus an, in stroemenden Regen. Allerdings gab es mal richtig tolle, hohe Wellen, weshalb ich mich trotz Regen gleich mit Klein-Daniela ins Wasser gestuerzt habe. Als das Wetter besser wurde kam Valerio auch noch. Dann kamen geschaetzte zehn Kerle zwischen zehn und zwanzig, die die Strandhauswohungen gemietet hatten. Und dann kam Annika, der es gar nicht gefallen hat, dass die zehn Kerle sie angestarrt haben. Unverstaendlicherweise war ich die einzige, der die Wellen gefallen haben (Dani mag sie nicht, weil sie die ganze Zeit ueber sie drueberschwappen, und Valerio mag sie nicht, weil sie ihn beim Reden stoeren.)
Gegen sechs gab es noch Abendessen und dann ein sehr ploetzlicher Aufbruch, allerdings haben sich unsere Familien gleich zum Fischsuppe kochen verabredet, weil die Fischsuppe aus dem Restaurant wohl nicht so der Bringer war, und wir sind wieder zurueck nach Puerto gefahren. Mein Vater hier hat die Angewohnheit, immer in den Kurven Gas zu geben, um dann wieder abzubremsen, weil da noch andere Autos sind, die man in den Kurven nicht gesehen hat, und es gibt unendlich viele Kurven auf dem Weg von Cumana nach Puerto und mir war schon lange nicht mehr so uebel und ich war unglaublich muede, weshalb ich nur noch ins Bett gefallen bin und sofort eingeschlafen bin. Anscheinend muss man sich hier von den Wochenenden erholen, und nicht von der Schule.

Donnerstag, 14. Oktober 2010

Schule und so.

Jajaja, ich hab einiges zu erzaehlen.
Meine zweite Woche Schule geht jetzt bald zu Ende (obwohl dieser Dienstag ein Feiertag war und daher frei).
Die Nacht vor meinem ersten Schultag war nicht sehr erholsam, ich war fuerchterlich nervoes und konnte kaum schlafen und am naechsten Morgen habe ich den Haferflockenbrei, den meine Gastmutter jeden Morgen kocht, kaum runtergekriegt (eigentlich ist das Zeug ganz lecker.) Ausserdem war ich sogar fuenf Minuten vor halb sieben fertig, auch wenn ihr euch das jetzt wahrscheinlich nicht vorstellen koennt :D Wir fuhren los und holten zuerst Daniel ab, der in der Klasse meiner kleinen Schwester ist, und dann noch Renata und ihren kleinen Bruder Ricky, der allerdings nicht bei uns auf der Schule ist. Renata ist in meiner Klasse und hat mich gleich ein bisschen unter ihre Fittiche genommen, wofuer ich ihr sehr dankbar war, und mich allen vorgestellt. Kurz darauf kam noch ein anderes Maedchen, Roxymar, die auch neu auf der Schule ist und nur Renata kannte. Da waren wir schon zu zweit.

Ein typischer Schultag:
Um sieben stellen sich alle Schueler nach Reihe geordnet auf dem vorderen Hof, der auch als Sportplatz dient (nicht wirklich gross, und wenn man dann im Kreis laufen muss, ist das erstens voll und zweitens unglaublich langweilig.) nach Klassen geordnet in Reihen auf. Dann sagt ein Lehrer kurz etwas zum Tag und manchmal wird die Nationalhymne getraellert oder die Hymne vom Staat Anzoategui (an einem Tag mussten wir und eine andere Klasse zweimal singen, weil die Lehrerin nicht zufrieden war. Und die Nationalhymne ist lang). Dann geht zuerst die hoechste Klasse, 5to grado, in den Klassenraum und dann kommen wir, 4to grado. Bis ich das verstanden hatte, hatte ich mich am zweiten Tag, wo ich als Letzte in der Reihe stand und somit als Erste gehen musste, gleich mal blamiert, weil ich mich munter bei der anderen Klasse eingereiht hatte und nicht auf das Signal der Lehrerin gewartet habe, die mich sehr boese angeschaut hat.
Dann kommen zwei Stunden Unterricht und dann kommt die erste Pause, zehn Minuten. Dann kommen vier Stunden Unterricht und dann wieder eine Pause von zehn Minuten und dann nochmal zwei Stunden und dann ist es 13.20 und die Schule ist fertig. In Realitaet sieht das aber so aus, dass wir mindestens zehn Minuten frueher in die erste Pause gehen, weil alle Hunger haben, und spaetestens um eins den Klassenraum verlassen. Eine Stunde dauert 45 Minuten, meistens gibt es Doppelstunden. Am Schlimmsten ist der Mittwoch, an dem ich zwei Stunden Physik und zwei Stunden Chemie ohne Pause habe, und davor noch zwei Stunden Mathe. Insgesamt habe ich je vier Stunden Chemie, Physik, Bio, Mathe, Castellano, venezolanische Geschichte und Englisch, dann gibt es noch Dibujo, was so etwas wie Geometrie ist, denke ich, zwei Stunden Sport und Computacion und drei Psychologie, was das einzige ist, was ich richtig gut finde. Und dann gibt es da noch Premilitar. Als ich das erfahren habe, war ich doch zuerst ein bisschen geschockt, da ich doch ein sehr friedliebender Mensch bin, als ich dann die Militaerlehrerin Montag das erste Mal gesehen habe, fielen mir fast die Augen aus dem Kopf: eine Frau mit zehn Zentimeter hohen, goldenen High-Heels, die vorne offen waren, eine knallenge Leggins in jeansfarbe und ein durchsichtiges, sehr weit ausgeschnittenes, gelbes Seidenoberteil mit riesigen Flatteraermeln. Tja, und dann kam sie und hat kurz etwas zu dem Buch erklaert, mit dem wir arbeiten,und dass die ersten beiden Jahresdrittel Theorie sind und das Dritte Praxis, und dann hat sie sich mit uns Schueler ueber peinliche Eltern unterhalten (wobei sie erzaehlt hat, dass ihre Tochter nicht will, dass sie mit auf Partys kommt.)
Anfangs hatte ich das Gefuel, dass sich ausser Renata und Roxy keiner richtig an mich rantraut, aber das hat sich inzwischen auch gelegt und ich werde munter beschwatzt und fuehle mich recht wohl in der Klasse (auch wenn der Lautstaerkepegel um einiges hoeher ist, als ich es aus Deutschland gewoehnt bin. Und ich bin doch einiges gewoehnt.) Wir sind wohl so um die dreissig Leute, auch wenn sie noch nie alle auf einmal da waren. Die erste Woche wurde von einigen komplett geschwaenzt und auch heute kam noch ein Maedchen, dass die Ferien um fast zwei Wochen verlaengert hatte. Aber ich denke, langsam sind es alle.
Ordentliche Tische und Stuehle gibt es keine, es ist ein bisschen wie im grossen Musiksaal an der Lender, Stuehle mit Tischen dran, nur dass sich die Tische nicht bewegen lassen. Der Vorteil ist, dass man sie schnell verschieben kann, der Nachteil ist, dass man doch kaum Platz hat und auch nicht fuer die Beine und insgesamt sind die Stuehle ziemlich unbequem.
Das mit dem Verstehen ist so eine Sache. In Bio verstehe ich zum Beispiel so gut wie nichts, weil die Lehrerin Monologe haelt. Chemie und Physik geht, weil ich das im Prinzip schon koennen muesste, und Mathe auch. Englisch sowieso, meine Klasse wiederholt gerade das Simple Past und mein Englischlehrer haelt mich fuer perfekt in Englisch und benutzt mich sehr gerne als Beispiel, dass in Europa jeder Englisch kann und ausserdem auch viel mehr Sprachen in der Schule unterrichtet werden. Wenn mich allerdings hier jemand nach Franzoesisch fragt, kann ich nur erklaeren, dass mein Franzoesisch komplett verschwunden ist und ich keine ordentlichen Satz mehr rauskriege, was mich ziemlich aergert.
Wenn ich also von der Schule nach Hause komme, bin ich furchtbar muede und ich esse zu Mittag und lege mich dann ins Bett, um ein Stuendchen zu schlafen - ohne Scherz. Und ich schlafe sofort ein. Ist aber auch noetig, weil die Wochenenden hier anscheinend oft verplant sind und ausschlafen und solche Dinge nicht sehr verbreitet. Aber da werde ich mich wohl oder uebel dran gewoehnen muessen.

Montag, 11. Oktober 2010

Freitag.

Auch wenn es in letzter Zeit etwas still auf dem Blog war, sind wir noch am Leben (zumindest spreche ich für mich, aber ich habe auch nichts Gegenteiliges aus Venezuela gehört).
Letzten Freitag haben wir einen Ausflug nach Majdal Sham (das ist ein Drusendorf in den Golanhöhen) gemacht. Das Dorf ist eines der größten Drusendörfer im Golan und - da es direkt an der heutigen Grenze zu Syrien liegt - eines derjenigen, die sich nicht mit der israelischen Besatzung anfreunden können. Die Bewohner des Dorfes haben keine Nationalität und keinen Reisepass, denn die israelische Staatsbürgerschaft wollen sie nicht annehmen und die syrische können sie nicht bekommen.
Der Mann, der uns herumgeführt hat, hat zum Beispiel eine Schwester in Syrien (sie hat dorthin geheiratet), und die beiden werden sich nie wiedersehen können, es sei denn, Israel und Syrien schaffen es überraschenderweise, sich wieder zu vertragen (der ewige Streitpunkt sind die Golanhöhen, die Syrien wiederhaben und Israel nicht zurückgeben will). Bevor es Internet gab, mussten die beiden (jeweils ausgestattet mit einem Megafon) an das neutrale UN-Gebiet zwischen der israelischen und syrischen Grenze kommen und sich von dort aus zuschreien, was sie auf dem Herzen hatten. Über das ganze Dilemma gibt es auch einen Film (Die syrische Braut, anscheinend sehr zu empfehlen), den wir nächstens sehen werden, aber es ist schon heftiger, wenn einem so eine Geschichte von jemandem erzählt wird, der direkt vor einem steht. Auf dem Foto sieht man ein Haus, direkt darüber den israelischen Grenzposten, und das Gebiet dazwischen ist vermient. Bei jedem Regen rutschen die Mienen weiter nach unten, was zu mehr und mehr Unfällen mit spielenden Kindern führt, und keinen kümmert's wirklich.
Nachdem wir noch ein drusisches Grabmal und den Markt direkt daneben besucht hatten, fuhren wir weiter zum Lake Ram, einem See, der stark am austrocknen ist, und zwar weil die Iraelis Wasser abpumpen, das die Drusen dann kaufen müssen, um ihre eigenen Felder zu bewässern. Die Erde sah jedenfalls aus wie auf dem Mond (und fühlte sich auch vergleichbar an), und darauf lagen jede Menge toter Fische, was dem ganzen einen interessanten Geruch verlieh. Wie sich herausstellte, war der Boden nicht ganz so fest, wie wir gedacht hatten:



Es bedurfte dreier Männer, um Annemarie wieder aus dem Schlamm zu ziehen, und danach begab sich Jesse heldenhaft auf die Suche nach ihren Schuhen, die sich irgendwo in einer Tiefe von einem halben Meter im Matsch befanden.



Die Rückfahrt brachten wir tatsächlich hinter uns, ohne dass das Auto uns im Stich ließ (Randbemerkung: der Bus befindet sich immer noch in Reparatur, und weil wir eine Garantie auf den neuen Motor hatten, soll jetzt jemand von der Firma kommen, die uns den Motor verkauft haben, das muss aber erst mit der Versicherung abgeklärt werden, und darum weiß keiner auch nur ansatzweise, wann der Bus wieder zurückkommen wird, was uns alle arg in unserer Bewegungsfreiheit einschränkt).
Und dann geschah das Wunder: REGEN!
Während es auf den Golanhöhen schon den ganzen Tag kalt, grau, nebelig und nieslig gewesen war, schüttete es am Abend auch in Nes Ammim. Tamara und ich führten im nassen Garten einen Regentanz auf (der aus sich-unkoordiniert-im-Kreis-drehen und ein paar mehr oder weniger geglückten Rädern bestand), und verbrachten die nächste halbe Stunde damit, unsere Haare wieder zu trocknen. Bei dem Regenschauer stellte sich übrigens heraus, dass das Dach des Mädchen-Badcontainers nicht dicht ist, darum verwandelt sich der Boden jetzt bei jedem Regenschauer in einen See aus Wasser und Erde. Hoffen wir, dass sich der TS bald erbarmt.
Und weil das Auto ausnahmsweise mal frei war, beschlossen wir, abends noch spontan auf ein Hippiefestival auf einem Feld nach Haifa zu fahren. Diese Genauigkeit der Ortsangabe war auch so ziemlich alles, was wir hatten, aber nach anderthalb Stunden und jeder Menge Nachfragen an Tankstellen (was dazu führte, dass wir bestimmt fünf Mal die Richtung änderten und hin und zurück durch Haifa fuhren) fanden wir besagtes Feld tatsächlich. Wir fühlten uns direkt in die 60er zurückversetzt, denn wir waren die einzigen Menschen, die nicht in Jute gekleidet waren oder Drogen konsumiert hatten. Die Getränke- und Essenspreise waren allerdings nicht dazu geeignet, Liebe und Frieden zu verbreiten, aber wir setzten uns trotzig auf den Boden und beobachten die Hippies, die zu den Geräuschen von Klangschalen in Trance zu fallen versuchten. Das ganze war ein wenig merkwürdig, aber dann kam eine andere Band auf die Bühne (bestehend aus Medusa, einem Mann, der aussah wie die Männer, die früher in Filmen Jesus gespielt haben, nur mit hüftlangen Dreadlocks, und einem Rasputin mit Schifferklavier), und sie haben tatsächlich schöne worship-Musik gemacht (nur was geworshippt wurde, ist noch nicht so ganz klar, aber zwischendurch ging es auf jeden Fall um das Alte Testament). Hier ein Ausschnitt, stört euch nicht an den tanzenden Menschen im Vordergrund, das war auf dem Festival genauso:



Gegen halb drei traten wir dann den Rückweg an, und zwar mit sieben Personen im Auto, statt den erlaubten fünf (davon zwei im Kofferraum). Wir verfuhren uns mal wieder ein bisschen, und ehe wir uns versahen, waren wir in eine Polizeikontrolle geraten. Wir hätten es auf jeden Fall verdient, erwischt zu werden, aber wie durch ein Wunder bemerkten die Beamten nicht die Leute, die im Kofferraum auf dem Boden lagen und sich wunderten, woher die Stimmen kamen (Zitat hinterher: "Wer hat uns da gerade angehalten?"). War wohl besser für den Frieden.

Sonntag, 3. Oktober 2010

Wo ich gelandet bin.


Ich wohne in Lecheria/Barcelona/Puerto la Cruz. Ich glaube, Lecheria ist eigentlich ein Stadtteil von Barcelona, aber alle reden immer von Puerto, auch wenn sie in Barcelona oder in Lecheria wohnen. Wenn man bei Google Maps meine Adresse eingibt, sieht man die Carrera 4 aufs Meer zu verlaufen, senkrecht zur Avenida Rodrigo de Triana. Stellt man das ganze auf Satellitenbild, sieht man an der Ecke, an der sich die beiden Strassen treffen, ein Haus mit Swimmingpool-das ist es. (Wer weiss, wie man die Karte hier herkriegt, moege sich doch bitte melden.)
Ich wohne in einem Hochhaus mit sieben Stoecken, und von der Kueche aus kann man aufs Meer schauen, wo man in der Naehe des Ufers meist ein paar kleinere Boote duempeln sieht, in der Ferne riesige Oelschiffe. Die Wohnung ist fuer venezolanische Verhaeltnisse wohl recht gross, es gibt ein grosses Wohnzimmer, drei Baeder und drei Schlafzimmer, eine Art Abstellkammer, wo die Waschmaschine steht und das Buero der Mutter, das allerdings geschaetzte zwei Quadratmeter gross ist und dadurch vernachlaessigt werden darf.
Ich schlafe mit meiner kleinen Schwester in einem Zimmer, dass praktisch nur aus zwei Betten und einem Schrank besteht. Als ich mein Bett das erste Mal sah, dachte ich, dass das jetzt nicht wahr sein kann.
Inzwischen habe ich allerdings zum Glueck andere Bettwaesche.
Meine Familie besteht aus Mama und Papa, der viel arbeitet (soweit ich weiss, arbeitet die Mutter nicht), meiner kleinen Schwester Daniela, die im Dezember elf wird und gerne Barbiefilme schaut und einer Oma, die mir etwas verwirrt scheint und der festen Ueberzeugung ist, dass ich alle Rezepte von den Gerichten, die es gab, aufschreibe, um sie nach Hause zu schicken, auch wenn wir ihr schon einige Male erklaert haben, dass das tatsaechlich mein Tagebuch ist, was ich da schreibe.
Ansonsten wollen die Fotos nicht so, wie ich das will, aber es geht mir gut hier.