Montag, 16. August 2010

Luftballons über Jerusalem.



Zurück aus Jerusalem. Auch wenn wir zu Anfang gewisse Probleme hatten, uns mit dem Auto in Jerusalem fortzubewegen (bevor wir typisch deutsche Eigenschaften wie Sicherheitsabstand, Zurückhaltung und verantwortungsbewusstes Fahren abgelegt hatten), fanden wir tatsächlich ein Hostel, geführt von französischen Franziskanerinnen, in dem wir bleiben konnten, und das außerdem direkt am Damaskustor lag.






Woran man sich in Jerusalem eindeutig erst gewöhnen muss, ist die noch ausgeprägtere Militärpräsenz. Überall sieht man bewaffnete Polizeieinheiten oder Soldaten, egal ob vor Kirchen, auf Plätzen oder um Cafés herum. Trotzdem wurden die Sicherheitsvorkehrungen zum Beispiel an der Klagemauer nicht so ernst genommen, wie ich angenommen hatte: während ein Schild vor der Kontrolle noch in dicken Lettern verkündete, dass Waffen jedweder Art nicht mit aufs Gelände genommen werden dürften, war es kein Problem für uns, Taschenmesser (natürlich nur zum Apfelschneiden) im Rucksack zu lassen - anscheinend stellen stumpfte Messer keine Bedrohung dar.
Am ersten Nachmittag machten wir - wie es sich für typische Touristen gehört - eine Tour durch Jersualem mit FREE TOURS (gibt es in vielen Städten, man darf umsonst mitgehen und hinterher Trinkgeld geben, sehr geeignet für Volontäre mit leichtem Geldbeutel), sehr anstrengend in der Sonne und nach der langen Autofahrt, aber dafür bekamen wir einen Überblick und wussten danach, was wir uns noch einmal in Ruhe ansehen wollten. Abends sind wir dann kurz vor Schließung zur Grabeskirche gegangen, als es schon dunkel war, was der beste Zeitpunkt war, denn es waren kaum noch Touristen darin; andernfalls wäre sie sicher nicht so beeindruckend gewesen (der einzige Störfaktor war die Gruppe von Armeniern, die vor der Stelle, an der Jesus früher angeblich aufgebahrt gewesen sein soll, posten und ein Foto nach dem anderen schossen (mit breitem Lächeln und Victory-Zeichen)).
Außerdem haben wir herausgefunden, dass man auch mit verstaubten Klamotten und billigen Taschen ins King David Hotel kommt, wenn man nur entschlossen genug ist. Wir folgten eine Weile dem 'Walk of Fame' (oder wie auch immer das genannt wird) im Hotel, eine weiße Kachelreihe, auf der berühmte Leute unterschrieben haben (über Niveau und Wichtigkeit lässt sich streiten: direkt über Nelson Mandela und Leonard Bernstein hatte sich Axel Springer verewigt). Schließlich wagten wir uns auch ins oberste Geschoss und entdeckten voller Freude die marsan (das hebräische Wort für Abstellkammer, wo zum Beispiel Putzutensilien gelagert werden); als erfahrene Housekeeping-Leute war das natürlich sehr interessant. Es muss allerdings hinzugefügt werden, dass wir in NesAmmim immer sehr darauf bedacht sind, die marsan auch wieder abzuschließen, wenn sie nicht mehr in Gebrauch ist.


In den Felsendom sind wir leider nicht reingekommen, erstens war Ramadan (am Anfang haben wir uns noch jedes Mal erschrocken, wenn Feuerwerkskörper abgeschossen wurden, aber nach einer Weile gewöhnt man sich daran) und zweitens muss man seit einem Anschlag 2003 einen Antrag im Voraus stellen, dem dann stattgegeben wird oder eben nicht - davon wussten wir allerdings nichts. Dafür verbrachten wir den Nachmittag in Mea Shearim, dem Viertel der ultraorthoxen Juden. Es war absolut surreal, ich habe mich gefühlt wie in einem Freilichtmuseum, als würde man um 200 Jahre in der Zeit zurückversetzt (abgesehen von den Autos, die dann doch durch die Straßen gefahren sind). Wir haben uns übrigens an die strengen Kleidervorschriften gehalten, hatten extra lange, schwarze Röcke gekauft und weiße Blusen mitgebracht, die sowohl Arme als auch den Ausschnitt völlig verdecken. Für die Touristen sahen wir anscheinend überzeugend aus (sie machten aufgeregt Fotos von uns), die Bewohner Mea Shearims konnten wir allerdings nicht täuschen, als wir das Viertel schon fast wieder verlassen hatten, wurden wir von einer Gruppe von kleineren Jungen angespuckt.
Die ultraorthodoxen Juden sind übrigens keine Zionisten, wie man denken könnte, im Gegenteil, sie sind der Meinung, dass Juden erst dann einen Staat in Israel gründen sollen, wenn der Messias gekommen ist; darum weigern sich viele von ihnen zum Beispiel auch, Steuern zu zahlen oder zum Militär zu gehen.
Nach einen morgendlichen Marsch auf den Ölberg (am nächsten Tag) und wieder herunter fuhren wir nach Yad Vashem , dem Holocaust-Museum in Jerusalem. Definitiv einen Besuch wert, falls es euch mal nach Jerusalem verschlagen sollte, ich war noch nie in einem so beeindruckenden Museum, das geht einem wirklich ganz schön an die Nieren.
Nachdem wir uns abends noch einmal reichlich mit Brot eingedeckt hatten (und dafür eine Menge böser Blicke von den muslimischen Straßenhändlern geerntet hatten, denn die durften ja wegen Ramadan vorerst nicht essen) und fast gestorben wären (zumindest vor Schreck), als uns auf einer unglaublich steilen Straße drei Mal der Motor ausgegangen war, fuhren wir in Richtung Massada, um dort in der Wüste zu übernachten. Klarer Vorteil: ein unglaublicher Sternenhimmel. Klarer Nachteil: 40 Grad, die ganze Nacht über.


Morgens um vier machten wir uns wieder auf den Weg, denn wir wollten den Schlangenpfad bezwingen, der nach Massada führt, und das tut man am besten im Dunkeln, denn wenn die Sonne aufgeht, wird es unerträglich heiß. Wir kamen gerade, gerade noch rechtzeitig oben an (es ist ein ziemlich anstrengender Aufstieg):



Nach einem schon ziemlich heißen Abstieg um neun Uhr morgens fuhren wir weiter ans Tote Meer, das aber nicht für Abkühlung sorgte und uns obendrein noch die Fußsohlen verbrannte (auch wenn es lustig ist, immer oben zu schwimmen, egal wie sehr man sich bemüht es nicht zu tun).
Irgendwo zwischen Ein Gedi und Nazareth war ich dann am Steuer so müde, dass mir wirklich schon die Augen zufielen - kurz vor dem Grenzübergang (um in den Süden zu kommen, muss man auf vielen Wegen in die West-Bank hineinfahren, und da stehen eben immer Soldaten an der Grenze). Ich hoffte also auf ein Gespräch, das mich wieder wach machen würde, aber meistens gehen solche Wünsche ja viel besser in Erfüllung, als man sich das eigentlich vorgestellt hatte. Die vorausgegangen drei Male wurden wir immer hindurchgewinkt, aber diesmal mussten wir unsere Reisepässe vorzeigen, und die gefielen ihnen wohl irgendwie nicht. Sei es, weil einer von ihnen grün war, sei es, weil wir eine Holländerin im Auto hatten (die werden hier immer sehr scharf durchsucht, wegen Drogen, kein Witz), wir wurden jedenfalls herausgewunken und gebeten, all unser Gepäck aus dem Auto zu laden. Wir waren mit fünf Mädchen unterwegs, und hinzu kam noch der Umstand, dass wir unsere Wüsten-Camping-Ausrüstung dabei hatten: als wir die Kofferraumklappe öffneten, konnte man förmlich zusehen, wie dem Grenzbeamten (natürlich mit Maschinengewehr und Sonnenbrille, wir wollen ja keine Klischees auslassen) das Gesicht einfiel, so hatte er sich das anscheinend nicht vorgestellt. Trotzdem packten wir alles brav aus Durchleuchtungsband, und nachdem ein Drogenhund unser Auto durchschnüffelt hatte, durften wir alles wieder einpacken und unseren Weg fortsetzen. Wieder in Nes Ammim angekommen, ignorierten wir alle Leute, die wissen wollten, wie es uns geht, und stürmten schnurstracks in den Duschcontainer - ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie sehr man hier von dem Gedanken an eine Dusche besessen sein kann...

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