Donnerstag, 31. März 2011

Hisbollah-Watching

Zusammen mit Eva & Dominik (meiner Hebron-Reisegruppe) und zwei weiteren Freunden, die sie inzwischen vom Flughafen eingesammelt hatten, habe ich mich Mitte März zum Hisbollah-Watching aufgemacht.
Sie hatten auf dem Rückweg von Nazareth in Nes Ammim ubernachtet, und nach zwei äußerst missglückten Billiardpartien und einer freien Flasche Wein, die vom Barevening der deutschen & hollandischen Reisegruppen ubergeblieben war (eigentlich ein Wunder, denn die trinken am meisten), beschlossen wir, uns mit ihrem winzigen (dafur metallic-blauen) Auto am nachsten Morgen an der libanesischen und syrischen Grenze entlangzuschlagen.
Da sich die Hauptstrasse nicht in Hisbollah-Sichtweite an der Grenze entlangwindet, kurvten wir durch Pinienwaldchen (vorher nie bemerkt, sehr schon) und diverse Kibbutzim, bis unsere Fahrt abrupt unterbrochen wurde.



Bei dem Unternehmen zu drehen und auf die Hauptstraße zurückzukehren verwirrten wir eine Gruppe Soldaten, als wir mit dem Auto in einen Grenzposten hineinzufahren versuchten (unbeabsichtigt) und sie anhupten, damit sie Platz auf der Straße machte (halb unbeabsichtigt, Eva hatte gewisse Aggressionen auf Leute entwickelt, die auf der Strasse laufen, sowie Schwierigkeiten, Soldaten ohne Gewehr und in Zivil als solche auszumachen).
Weiter ging es ganz in den Norden Israels, nach Majdal Shams: wer sich erinnert: dort war ich im Oktober schon einmal. Majdal Shams liegt am Fuß des Mount Hermons, auf dem zur Zeit noch Schnee liegt (und wo man für sehr viel Geld Ski fahren kann), darum betrachteten wir den Grenzübergang nach Syrien mit den Füßen im Schnee.



Auf dem Rückweg freuten wir uns schon, dass wir die gut ausgebaute Straße völlig fur uns allein hatten (auch wenn die DANGER MINES Schilder am Straßenrand vielleicht leicht beunruhigend waren). Als wir dann irgendwann von einem Militärfahrzeug gestoppt wurden, das uns zum Umkehren aufforderte, weil wir uns mitten in militärischem Sperrgebiet befanden, wurde dieses Rätsel auch gelöst. Zu unserer Verteidigung ist zu sagen, dass das Warnschild vermutlich sehr klein gewesen sein muss.
Insgesamt waren wir von diesem Umstand jedoch recht wenig beeindruckt (in Israel gibt es schließlich jede Menge militärisches Sperrgebiet, die Chance, dass man mehr oder weniger freiwillig hineingerät, ist also realtiv groß, und meine Reisebegleitung verbrachte ihren Urlaub normalerweise in Ländern wie dem Iran oder Kambodscha und war deswegen relativ unbesorgt). Erst als uns vier riesige Lastwagen entgegenkamen, die dreckverkrustete Panzer von der syrischen Grenze abtransportierten, und über uns zwei Kampfhubschrauber kreisten (wenn auch vermutlich nicht wegen uns), machten wir uns dann doch langsam wieder auf die Rückreise.



Übrigens sind wir in Nes Ammim auch nicht völlig verschont geblieben, am Abend kreiste ein Suchhubschrauber über den Feldern und leuchtete mit einem riesigen Scheinwerfer Nes Ammim samt Umgebung ab, was sie genau gesucht haben, ist uns immer noch rätselhaft.

Dienstag, 29. März 2011

Es gibt sie doch...



Hiermit gruesse ich meinen Vater, es gibt doch Spaetzle in Venezuela! :D

Freitag, 25. März 2011

(Ejn) Shalom achschaw.

Wenn man dem ZDF glaubt, steht Israel kurz vor dem nächsten Krieg mit Gaza und das ganze Land unter Schock. Ein wenig übertrieben vielleicht, aber seit Dienstag wird der Gazastreifen wieder bombardiert, wobei bisher nicht nur Hamasmitglieder gestorben sind, sondern auch Zivilisten. Übrigens haben die IDF Gaza angegriffen, weil die Hamas bzw. deren militärische Unterorganisation - die Quassam-Brigaden - schon seit längerer Zeit immer wieder Raketen nach Israel schießt und nicht, weil am Mittwoch seit sieben Jahren zum ersten Mal in Jerusalem wieder eine Bombe hochgegangen ist.
Sie ist am tachana merkazit, also am Zentralen Busbahnhof, explodiert, und zwar zwei Stunden, nachdem Friederike (die gerade zu Besuch ist) und ich dort aus Tel Aviv angekommen sind. Dabei ist eine Frau gestorben, angeblich keine Israelin, sondern Britin.
Am gleichen Abend saßen Friederike & ich bei zwei Arabern in Ost-Jerusalem in einer ziemlich heruntergekommenen ehemaligen Schreinerei und haben Kamillentee mit ihnen getrunken, und die wollten uns erklären, dass Israel die Bombe selber in der Innenstadt deponiert hat, um einen Grund zu haben, noch härter gegen die Palästinenser vorzugehen. Äh sicher.
Wir sind jedenfalls sicher wieder oben im Norden angekommen, der Gazastreifen ist weit entfernt, im Libanon scheint Ruhe zu herrschen (was man von Jordanien und vor allem Syrien nicht gerade sagen kann), und wenn der Flughafen nicht ausgebombt wird, was Friederikes Aufenthalt zwangsläufig verlängern würde, weil Shuttlebusse zum Flughafen in Amman vielleicht gerade keine so gute Idee sind, sollte sich keine(r) (Großmutter) gezwungen sehen, sich zu große Sorgen um uns zu machen.

Montag, 21. März 2011

AFS- Another Fat Student.

Eigentlich hatte ich ja vor, mich dieses Jahr nicht auf die Waage zu stellen (okay, wir haben auch gar keine, zumindest keine, von der ich wuesste. Oder wissen will.), ich meine, ich merke natuerlich, dass mir meine Hosen nicht mehr passen, aber wieviel genau, das wollte ich eigentlich nicht wissen.
Dann waren wir heute am Strand und danach war ich noch kurz bei Laurin und in seinem Bad gibt es leider schon eine Waage und letztendlich habe ich mich doch gewogen: fuenf Kilo.
Hinterhergepfiffen wird mir trotzdem noch zu genuege.
PS: Knut ist tot? Den kennt hier keiner. Diese Nachricht ist ungefaehr noch nebensaechlicher als Meine.

Sonntag, 20. März 2011

Prioritätensetzung.

Scheiß auf Japan und Lybien, Knut ist tot!

Auch das amerikanische Nachrichtenmagazin "Time" platzierte den toten Knut an einer angesichts der aktuellen Ereignisse in Libyen und Japan erstaunlich prominenten Stelle. In der Nachrichtenleiste stand die Meldung "Eisbär Knut stirbt tragisch" am Sonntagmittag auf Platz sechs, gleich hinter der Nachricht aus Japan, dass eine erhöhte Strahlenbelastung bei Spinat und Milch aus der Umgebung der Unglücksreaktoren von Fukushima gemessen wurde. Beim großen US-Promi-Portal "people.com" zählte die Knut-Meldung am Sonntag zu den drei meistgelesenen.

(http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,752082,00.html)

Freitag, 18. März 2011

Bienvenidos a Venezuela.

Die Idee von einem Austauschjahr ist ja im Prinzip, alle Erfahrungen mitzunehmen, die man kann. Es gibt aber einige, auf die ich auch gut verzichten koennte: ich wurde beklaut (und jetzt hab ich auch noch Laeuse, aber das ist das ist doch eher das kleinere Uebel.)
Ueber Carnaval war ich mit der Kusine von Daniela aus Cumana, Mary, in Carupano (andere Geschichte) und als wir wieder zurueck in Cumana waren, ich hatte schon eine Nacht bei Annika uebernachtet, holte Mary uns ab (Annika, ihre Gastschwester Irina und mich) und wir wollten Daniela besuchen gehen. Wer auf die Idee kam, noch ein Eis zu essen, weiss ich gar nicht mehr, aber letztendlich haben wir das Auto in einer Strasse stehen lassen und sind zu Fuss das Stueckchen zum McDonalds gelaufen. Es war Dienstag, der letzte Tag des Carnavals und es gab einen Umzug, weshalb eine Menge Polizei auf der Kreuzung stand, die man vom Auto aus gesehen hat, und wir nicht direkt zu unserem McFlurry fahren konnten. Das Auto ist ein neuer Ford Fiesta, der so eine neumodische Gasflasche im Kofferraum hat, mit der man es antreiben kann, die aber leider viel Platz wegnimmt, weshalb ich meinen Koffer auf den Mittelsitz gestellt hatte. Ausserdem war ich Schlaue mal wieder mit zwei Handtaschen unterwegs, weil der Koffer absolut vollgestopft war, und da ich nicht mit zwei Handtaschen auf der Strasse herumspazieren wollte, habe ich die eine eben im Auto gelassen. Wir haben dann unser Eis gegessen und nach einer halben Stunde kamen wir wieder zurueck und ich stand vor dem Auto und merkte gleich, dass etwas nicht stimmt: meine Tuer war nicht richtig zu. Von unserem nicht mehr ganz neuen Auto in Deutschland habe ich allerdings die Angewohnheit, die Tueren zuzuknallen, weshalb ich mir nicht vorstellen konnte, dass ich sie aufgelassen hatte. Ich oeffnete sie dann richtig und nach ein paar Sekunden merkte ich, was genau passiert war: mein Koffer und meine Handtasche waren weg. Das heisst in Fakt: mein Pass und meine Reiseerlaubnis, mein Tagebuch, mein Mp3Player, meine Festplatte, meine Kreditkarte, meine Kleidung (und zwar eine unglaubliche Menge an Kleidung), und was frau eben sonst noch so auf Reisen dabei hat. Dagelassen haben sie mir meine Blumenschuhe, die ich so im Fussraum stehen hatte.
Ich war ziemlich im Schock (verstaendlicherweise) und wir sind zu Daniela gefahren, ihr Vater hatte Geburtstag. Nach einem Glas Wasser ging es mir langsam etwas besser und wir sind auf die Polizeistation gefahren. Dort wurde Mary zwei Stunden lang interviewt (und der Polizist meinte, er wuerde auf dem Protokoll jetzt mal angeben, dass Irina, der die Handtasche, die sie im Auto gelassen hatte, auch geklaut wurde mit Ausweis und Schminke und ihrem Lieblingspulli, und ich nicht anwesend waeren, sonst muessten sie auch noch mit uns reden, und das wuerde dann nochmal so lange dauern. Da wir ja sowieso nichts erzaehlen konnten, hatte er da keine Lust darauf. Ja, okay, wir auch nicht.) und der Polizist stellte mit einem Blick fest, dass ich die Tuer eindeutig nicht aufgelassen hatte, es war ein fingerdickes Loch unter das Schluesselloch der Fahrertuer gemacht worden.
Wir kamen dann bei Daniela an und stellten fest, dass Marys Ausweisnummer falsch angegeben war, weshalb sie letztendlich am naechsten Tag doch noch einmal hinmusste, typisch.
Ich wollte die Kreditkarte sperren lassen, aber dummerweise hatte ich die Nummer nicht dabei und meine Gastmutter konnte in meinen Papieren natuerlich nichts passendes finden, das war ja alles auf Deutsch. Ans Telefon oder Handy ging natuerlich auch keiner, es war ja mitten in der Nacht, und ich wusste mir nicht anders zu helfen als aufzubleiben bis sechs Uhr in Deutschland. Dooferweise ging da immer noch keiner ans Telefon und spaeter fiel mir ein, dass es in Deutschland ja auch Fasent war und meine Mama mit meinen kleinen Geschwistern verreist. Ich schrieb ihr also eine SMS und letztendllich wurde die Karte gesperrt.
Tja. Irinas Freund hat sogar herausgefunden, wer ungefaehr uns beklaut hat, aber es ist wohl sehr schwierig, es wieder zurueckzuholen, zumindest den Pass und das Tagebuch, und mit jedem Tag steigt die Chance, dass der Dieb alles, mit dem er nichts anfangen kann, wegwirft.
Das Ganze ist also unglaublich traurig und aergerlich und unpraktisch, und deshalb ist es jetzt recht schwierig, den Blogeintrag ueber die Gran Sabana weiterzuschreiben, weil mein Tagebuch und meine Fotos zum Opfer gefallen sind. :/

Intermittent Explosive Disorder

Irgendjemand in Tel Aviv scheint ein schwerwiegendes Problem mit Minnie Mouse zu haben:

Mittwoch, 9. März 2011

Falafel zum Frühstück.

Bethlehem

Da ein Platz zum Volontärsdasein ja recht wenig ist in einem Jahr, bin ich letzte Woche nach Bethlehem gefahren, um dort für ein paar Tage im Caritas Baby Hospital zu arbeiten.
Das Caritas Baby Hospital ist ein katholisches Krankenhaus, das vor allem über Spenden aus der Schweiz, Österreich und Deutschland finanziert wird, und das einzige Kinderkrankenhaus in der Westbank (das heißt, dass es Anlaufstelle für ungefähr eine halbe Million Kinder ist). Pro Jahr werden dort ungefähr 30 000 Patienten behandelt, und zwar auch, wenn sie keine Versicherung und/oder kein Geld haben. Viele der Kinder dort haben Atemwegserkrankungen oder leiden an Unterernährung, aber ein großer Teil von ihnen hat auch genetische Krankheiten, was vor allem darauf zurückzuführen ist, dass die Eltern zu nah miteinander verwandt sind.
Ich habe viel Zeit im Playroom mit den Kindern verbracht (was dank meiner sehr bescheidenen Arabischkenntnisse und einer schon früh entwickelten Pascha-Mentalität bei manchen kleinen Jungs eine gewisse Herausforderung war) und konnte mit den Ärzten auf Visite gehen. Es war schon ziemlich heftig, Babys zu sehen, die ein halbes Jahr alt aber noch nicht einen Zentimeter gewachsen waren oder die Zugänge für den Tropf im Kopf hatten, weil an Hand oder Fuß keine passende Vene gefunden werden konnte.
Ich hatte den Eindruck, dass es vor allem in der arabischen Gesellschaft für Menschen mit Behinderung nicht einfach ist: wenn eine Mutter schon 12 Kinder hat und es dem dreizehnten nicht gut geht, kann es schon mal passieren, dass sie es im Krankenhaus abliefert und erst zwei Monate später wiederkommt, wenn es ihrem Kind wieder besser geht (das ist jetzt aber nicht der Alltag, die meisten Mütter sind ihren Kindern nicht von der Seite gewichen und haben auch im Krankenhaus übernachtet). Im Playroom habe ich auch ein 6-jähriges Mädchen kennengelernt, Razan, die an spina bifida litt, also am sogenannten Offenen Rücken, der untere Teil der Knochen ist nicht zusammengewachsen und darum haben sich die Nerven gar nicht bzw. nicht vollständig gebildet. Sie ist vom Bauch abwärts gelähmt, hat einen Blasenkatheter - und zu heiraten, Kinder zu kriegen und einen Haushalt zu führen, gestaltet sich für sie natürlich etwas schwierig.
Am letzten Tag wurde ich zusammen mit Christian, einem deutschen Medizinstudenten, auf einen Osteoporose-Kongress in Beit Sahour eingeladen, angeblich auf Arabisch und Englisch. Als wir dort ankamen, gestaltete sich das ganze etwas anders, als wir vermutet hatten: der Saal war gerammelt voll mit Frauen, von denen ein Großteil sicher nicht im medizinischen Milieu arbeitete, sie hatten ihre Kinder mitgebracht, rauchten und aßen und hörten nicht ein Wort des 20-minütigen (arabischen) Vortrags über Osteoporose, wurden aber ganz aufmerksam, als danach eine Tombola, Modenschau und Lifemusik folgten. (Wenigstens der Humus war gut).
Gewohnt habe ich in dieser Woche bei einer palästinensischen Familie in Beit Jala (einem Stadtteil von Bethlehem). Faten - die Frau - ist in Deutschland aufgewachsen und wurde mit 20 während eines Heimaturlaubs in Beit Jala verheiratet. Meine Eltern haben sie im Oktober besucht, als sie in Israel waren, und so konnte auch ich dort unterkommen, auch wenn sie die Großmutter in ein anderes Zimmer umquartiert haben. In der arabischen Welt ziehen die Kinder erst aus, wenn sie heiraten, also war auch noch der Sohn Kamal zu Hause, und die Tochter Ursula mit ihren beiden Töchtern Leen und Sana sowie Onkel Ibrahim schauten regelmäßig vorbei.
Ich wurde sehr herzlich empfangen und gleich in ihren Tagesablauf integriert, kaum angekommen, ging es schon wieder weiter zu einer Friedensdemonstration, denn am 1. März 2006 wurde der erste Betonpfeiler für die Mauer gesetzt, die die Westbank umgibt. Bei der Prozession wurde ein großes Holzkreuz vorangetragen, das mit Ölzweigen und einem Palästinensertuch geschmückt war.






Auch alle meine restlichen Abende waren schon verplant worden, und so bekam ich von arabischen Basketballspielen (bei denen sorgfältig abgewogen werden muss, in welcher Mannschaft man mehr Leute kennt und mit wem man besser befreundet ist) über Abendessen mit entfernter Verwandschaft sowie deren Bekanntschaften bis hin zu Geburtstagsfeiern alles mit.

In Beit Jala gibt es übrigens einen Lieferservice, der frische Falafel, Pitabrot und Humus morgens direkt an die Haustür liefert. Daran sollte Nes Ammim sich mal ein Beispiel nehmen, beim letzten Volunteers Meeting wurde uns verkündet, dass es ab jetzt morgens kein Rührei mehr gibt, weil wir zu viel essen und das nicht bezahlt werden kann. Äh, ja.



Hebron

Samstagabend mussten wir noch ein paar zusätzliche Stühle am Küchentisch unterbringen, eine Freundin von Faten hatte nämlich ein deutsches Geschwisterpaar, Eva und Dominik, im Bus in Beit Jala getroffen, und die sind kurzerhand auch noch bei uns untergekommen.
Am Sonntag bin ich mit ihnen spontan nach Hebron gefahren, was wirklich praktisch war, weil Dominik ein Jahr in Syrien gelebt hat sowie in Ägypten, im Libanon und im Iran war und fließend Arabisch sprechen konnte, was uns nicht nur einen Haufen Straßenhändler vom Hals gehalten, sondern auch zu einem interessanten Gespräch mit einem Ladenbesitzer verholfen hat.
In Hebron wohnen ja nicht nur Palästinenser, sondern auch jüdische Siedler, die das Zentrum besetzt halten. 1998 wurde Hebron verwaltungstechnisch geteilt, in die Zonen H1 (palästinensisch kontrolliert) und H2 (israelisch kontrolliert). Inzwischen wurden in Hebron Mauern, Zäune und über 100 Straßensperren gebaut, und wenn man der ACRI Glauben schenken kann, mussten Palästinenser wegen der Anwesenheit von israelischen Zivilisten und Soldaten um die 1000 Wohnungen räumen und mindestens 1829 Geschäfte und Betriebe im Stadtzentrum aufgeben. Der Schneider, mit dem wir bzw. Dominik gesprochen haben, war trotz allem noch in einem Gebiet nahe des Zentrums geblieben, einfach weil er kein Geld hatten, um so woanders einen Laden zu kaufen. Als wir vorbeikamen, war von den Israelis gerade der Strom abgestellt worden, darum hatte er Zeit, uns seine Schneiderei zu zeigen und Tee zu kochen. Eine Wand war voller Einschusslöcher, angeblich schießen die israelischen Soldaten einfach durchs Fenster hinein, wenn sie abends Licht sehen. Dominik versuchte, große Teile des Gesprächs zu übersetzen, aber als es in eine religiöse Diskussion über Koranauslegung abglitt, konnten Eva und ich nicht mehr ganz mithalten und konzentrierten uns auf unseren Tee. Es war übrigens das erste Mal, dass ich einen Palästinenser habe persönlich sagen hören, dass Hitler zwar ein Verrückter gewesen sei, aber das Problem (die Juden) damals schon ganz gut erkannt hätte.



Schließlich wagten wir uns auch noch ins Stadtzentrum: es ist völlig ausgestorben und heruntergekommen, die Fenster sind kaputt, Balkone hängen halb herausgebrochen aus der Fassade, es ist grau und trist. Man muss schon sehr fanatisch sein, um dort leben und Kinder aufziehen zu wollen.
Auf dem Bild ist (glaube ich) ein Geschäft zu sehen, vor dem jüdische Siedlerkinder spielen, oben drüber steht ein Soldat Wache. Auf dem Schild steht:

Diese Gebäude wurden auf Land errichtet, das 1807 von der jüdischen Gemeinschaft Hebron erworben wurde. DIESES LAND WURDE 1929 NACH DEM MORD AN 67 JUDEN AUS HEBRON VON ARABERN GESTOHLEN. Wir verlangen Gerechtigkeit! Gebt uns unser Eigentum zurück!




Zuletzt besuchten wir noch die Machpela, das Patriarchengrab, nach dem Tempelberg in Jerusalem die heiligste Stätte des Judentums, in dem die drei Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob sowie ihre Frauen Sara, Rebecca und Leah begraben seien sollen. Die Anlage ist aufgeteilt in eine Moshee und eine Synagoge (natürlich mit getrennten Eingängen, kugelsicherem Glas, Sicherheitskontrollen und beschränktem Eintritt für Juden und Muslime, je nachdem, auf welcher Seite man sich befindet).
Als wir hinterher noch ein bisschen draußen saßen, rief der Muezzin zum Gebet, und darüber wehte die israelische Flagge. Gefühlt etwas widersprüchlich:




Ramallah & Nablus

Am Abend kamen dann Christine und Annemarie aus Nes Ammim in Beit Jala an, und nachdem wir noch eine Nacht bei Faten übernachtet hatten (inzwischen war es wirklich eng geworden und wir mussten Matrazen im Wohnzimmer stapeln), machten wir uns am nächsten Morgen auf in Richtung Nablus mit Zwischenstop in Ramallah.





In Ramallah gibt es außer Arafats Grab nicht sonderlich viel zu sehen und wir verbrachten den Nachmittag damit, bei Stars & Bucks (der arabischen Version von Starbucks) überteuerten und merkwürdig gewürzten Kaffee zu trinken sowie einen arabischen Mann sehr wütend zu machen, weil wir uns für eine kurze Verschnaufpause auf den Stufen einer Moschee niedergelassen hatten.
Abends kamen wir schließlich in Nablus an und verwirrten alle Insaßen eines Baklavashops mit unserem herzlichen Wiedersehen mit Jesse, einem Amerikaner, der bis Januar Volontär in Nes Ammim war und seitdem in Nablus lebt.
Jesse, der durch das ganze Laufen in Nablus ziemlich fit geworden ist, machte mit uns noch einen kleinen Abendspaziergang durch die Altstadt (aber schnell, denn nach zehn Uhr traut er sich auch nicht mehr raus, wenn er nicht in Begleitung von Einheimischen ist) und scheuchte uns die lange lange Treppe zu seiner Wohnung hoch. Wir waren leicht deprimiert, weil er (doppelt so alt wie wir und Kettenraucher) noch genug Luft hatte, um seinen Redefluss nicht einmal zu unterbrechen, während wir ernsthafte Probleme hatten nicht zu kollabieren. Schließlich konnte er uns noch überreden, mit aufs Dach zu kommen (dessen Tür man mit einer Gabel auf und zu schließen muss), und der Ausblick lohnte sich:



Vor allem nach meiner Zeit in Bethlehem (wo die moderaten Palästinenser mit Bildung leben, die zwar nicht gut auf Israel zu sprechen sind, aber doch verhandeln wollen), war unser Aufenthalt in Nablus das absolute Kontrastprogramm: während der zweiten Intifada war Nablus völlig abgeschottet (über einen Zeitraum von sieben Monaten war insgesamt drei Monate lang eine 24-Stunden-Ausgangssperre verhängt), denn dort wurden in den engen Gassen die Bomben gebaut, und auch heute sind 13 von 15 Leuten im Stadtrat von der Hamas.
Am nächsten Morgen hatten wir zwar etwas mit dem Wetter zu kämpfen, aber wir ließen uns trotzdem nicht davon abhalten, die Jakobs-Quellen-Kirche sowie Balata Refugee Camp zu besuchen. Dort wohnen vor allem Palästinenser aus Haifa und Jafo, deren Familien 1948 vertrieben wurden. Da die Leute dort inzwischen in der vierten Generation leben, stehen überall normale Häuser, auch wenn die Gassen noch enger und die Häuser noch ein bisschen schäbiger sind. Miete muss nicht gezahlt werden, aber die meisten Leute wollen auch deshalb nicht dort weg, weil damit ihre Chancen sinken würden, ihre alten Grundstücke wiederzubekommen, wenn der zionistische Staat erst einmal verschwunden ist (ihrer Meinung nach nur eine Frage der Zeit).
Unser Mittagessen nahmen wir spontan in einer Art Bäckerei in der Altstadt ein: dort befindet sich in einem schmalen Raum ein Steinofen, und Leute können ihr Essen bringen, um es dort backen zu lassen.



An der Wand hing ein großes Märtyrerposter, und bei Nachfragen stellte sich heraus, dass es sich um den Sohn des Ladenbesitzers handelte, der 2008 an einem Checkpoint erschossen worden war (angeblich, weil er MP3-Player-Kabel in den Ohren hatte, aber israelische Soldaten wissen, was ein MP3-Player ist und werden nicht einfach versuchsmäßig auf 15-Jährige schießen. Das sollte man natürlich nicht erwähnen in einem Laden voller Männer, die sich bei Erwähnung des Wortes Israel mit dem Finger über die Kehle fahren). Jesse erzählte, dass die meisten Jugendlichen, die man auf der Straße sieht, solche Fotos von sich zu Hause haben - immerhin könnte es sein, dass sie ums Leben kommen, um wie man in Europa Sänger oder Schauspieler sein möchte, möchten die Jungen dort auf Märtyrerpostern an den Häuserwänden hängen (wenn es sich schon nicht vermeiden lässt).
Nachmittags fuhren wir dann bei strahlender Sonne nach Sebastia, einem kleinen Dorf nördlich von Nablus, wo es zum Beispiel ein altes römisches Amphitheater gibt sowie die Überreste einer Kirche, wo angeblich Johannes der Täufer begraben liegen soll.





Auch wenn Jesse uns zu überreden versuchte, nicht wieder nach Nes Ammim zurückzufahren, sondern bei ihm zu bleiben (er wollte sogar einen Esel kaufen, und bei ihm weiß man nie, ob er es nicht sogar tun würde) mussten wir uns schließlich wieder auf den Rückweg machen. Die Fahrt zurück war recht abenteuerlich, was vor allem daran lag, dass der Taxifahrer, der uns von Jenin zum Jelome Checkpoint brachte, kein Wort Englisch sprach und Christines Arabisch nicht verstand, uns aber trotzdem weißzumachen versuchte, dass der Checkpoint bereits geschlossen hatten. Hatte er zwar nicht, aber der Soldat im Wachturm wollte uns nicht hinüberlassen, weil wir nicht in einem Auto saßen. Nach einer Improvisations-Theateraufführung auf Hebräisch (Verzweiflung: "Wir müssen aber heute noch nach Israel!") und gewisser Irritation über die Gruppe arabischer Taxifahrer, die uns alle zuriefen, dass wir jetzt erschossen würden, öffneten die israelischen Soldaten schließlich doch noch einen employee-checkpoint für uns, den man zu Fuß durchqueren konnte, der aber recht gruselig war. Wir schafften es jedenfalls hindurch und beeilten uns den Parkplatz zu überqueren, denn hinter uns hatte jemand mit dem Schießen angefangen und das Echo der Gewehrschüsse hallte über den Asphalt.
Als wir schließlich nach einigen Stunden Hitchhiken und Busfahren in Regba ankamen, waren die Jungs mit dem Auto nicht da, der Handyakku alle und wir verwirrt - wir waren uns nicht mehr sicher, ob wir Regba oder Nahariyya als Destination angegeben hatten. Wir hielten also das nächste Auto an, das uns nach Nes Ammim mitnehmen wollte - und waren gerade um die Ecke gebogen, als uns Matze im Bus entgegen kam. Der Autofahrer hatte bestimmt gewisse Schwierigkeiten zu verstehen, warum in aller Welt wir nach nicht einmal 600 Metern schon wieder aussteigen wollten, doch er hielt pflichtbewusst an und wir liefen zurück, um ins richtige Auto einzusteigen.

Freitag, 4. März 2011

Was es im Nichts so alles gibt.

Hier kommt also doch noch der langersehten Eintrag ueber meine Reise, die inzwischen schon mehr als einen Monat her ist.
In der Nacht vom 18. Januar auf den 19. wurden wir hier in Puerto vom Autobus abgeholt. Urspruenglich sollten wir am Terminal von der Faehre nach Margarita warten, weil die Jungs aus Margarita auch kamen, aber das wurde zum Glueck gecancelt und wir wurden im Haus einer AFS-Freiwilligen abgeholt. Geplant war 12 Uhr, letztendlich im Bus sassen wir um 3.30, total durchgefroren, weil Danmar, unsere Freiwillige, die Klimaanlage angestellt hat und sich dann ins Bett verzogen, weil sie am naechsten Tag arbeiten musste. Der Bus kam uns also zuerst nicht so kalt vor, aber nach zwei Stunden auf den Liegesitzen aenderte diese Einstellung sich... wir haben wirklich gefroren auf dieser Reise.
Wir kamen gegen zehn in Puerto Ordaz an, wir hatten also gute 6 Stunden Fahrt und waren damit noch gut dran: die Leute aus Merida hatten insgesamt 26 Stunden und dementsprechend erledigt (und durchgefroren). Wir hatten ein paar Parks und ein Wasserkraftwerk, wo 75% der Energie fuer ganz Venezuela produziert wird, und ein Einkaufscenter auf dem Programm. Es war heiss und jeder wollte duschen oder zumindest sich mal umziehen, und die angemessenen Schuhe hatte auch fast keiner. Es war schoen, aber richtig geniessen konnte man es nicht (vor allem das Wasserkraftwerk, wir hatten eine Fuehrung, aber ich koennte jetzt so gut wie nichts mehr darueber wiedergeben.)
Der zweite Park war unglaublich schoen (mit viel Wasser, wir mussten uns gegenseitig davon abhalten, die Bruecke als Sprungbrett in die Frische zu benutzen
Im Orinocia, dem Einkaufscenter, gab es die besten Prezel:

Schliesslich sind wir gegen neun losgefahren Richtung Upata, der Stadt vor der Gran Sabana, wo es am Ende wirklich eine Dusche und ein Bett gab.

Am naechsten Morgen ging es dann letztendlich los Richtung Gran Sabana, nach dem Fruehstueck sind wir los und nach wohl ungefaehr drei Stunden haben wir einen Halt in einem Doerfchen namens El Callao gemacht, was bekannt ist fuer den ersten Goldfund in Venezuela (oder sowas in die Richtung) und es wird sehr guenstig Gold verkauft. Gekauft haben wir aber nichts, sondern uns nur in den vielen gleichaussehenden Laeden umgeschaut und dann wieder in den Bus, eigentlich haben wir hier nur Halt gemacht, weil wir eine AFSerin abgeholt haben, die hier wohnt (auf dem Programm stand El Callao eigentlich erst auf dem Rueckweg.)
Wir sind also weitere drei-vier Stunden gefahren und unser naechster und letzter Halt vor der Gran Sabana war Km 88- aus unerfindlichen Gruenden sind alle Doerfer dort nach Kilometern benannt. Wir sind aber schnell weiter und wurden angewiesen, auf keinen Fall mit jemandem zu Reden. Und dann ging es hoch. Gute zwei Stunden fuhren wir, mit Blick auf einen riesigen Mond und einen unglaublichen Sternenhimmel. Dort sahen wir auch zum ersten Mal diese Feuer, die wir zuerst fuer eine Art Waldbrand gehalten haben, in Wirklichkeit ist es aber die Brandrodung der Indigenos.
Gegen neun kamen wir im Camp an, wo wir zwei Naechte blieben. Die Zimmer der Maedels waren okay, es gab Baeder, sogar Steckdosen, wir waren in einem Fuenferzimmer. Die Jungs allerdings hatten weniger Glueck: sie hatten keine Baeder, alles war in einem Extrahaus untergebracht, und manche hatten ein Einzelzimmer, und da unsere Betreuer den fiesen Trick hatten, die Tueren nachts mit Klebeband zuzukleben, sodass sie sehen konnten, wer nicht den Regeln gefolgt war, verbrachten sie zwei einsame Naechte.



Am naechsten Morgen stand ein Ausflug mit Jeeps 4x4 auf dem Programm (fuer alle, die im Thema Autos genauso bewandert sind wie ich: 4x4 ist Allrad.)



Wir sind ungefaehr zwei Stunden gefahren, hinten auf Sitzbaenken, die nicht wirklich bequem waren, und kamen schliesslich in einem Indianerdorf an. Von dort aus sind wir in Booten ein Stueck gefahren und mussten dann noch ein Stueck laufen und schliesslich kamen wir an: der zweihoechste Wasserfall der Sabana, der vierthoechste der Welt.