Wie ein typisch südindisches Dorfmädchen
herumläuft:
Das Outfit eines Mädchens besteht
typischerweise aus einer weiten Stoffhose, die oben einfach mit einem Band
zusammengezurrt wird, und einem knielangen Top (genannt Chulidar), das an der
Seite einen Schlitz hat (das ist unter anderem praktisch, wenn man auf dem
Boden sitzt: man kann das Top einfach hochklappen und macht es so nicht
dreckig). Dazu kommt noch ein Schal, der über die Brüste drapiert wird, damit
auch ja nichts zu aufreizend aussieht. Den Mustern und Farben, die kombiniert
werden, sind keine Grenzen gesetzt: inzwischen habe ich mich an den wilden Mix
gewöhnt und finde vieles auch schön, was ich vor 11 Monaten ganz furchtbar
gefunden hätte. Meistens hat die Hose ein Muster und das Oberteil hat ein
anderes und im Schal findet man dann Elemente aus beidem. Früher ging man ins
Geschäft und kaufte sich den Stoff, den man schon so im Set kriegt. Damit ging
man dann zum Schneider und ließ sich eben ein passendes Outfit schneidern. Ich
hab das nur einmal gemacht (eben bei diesem Outfit), und war ein bisschen
enttäuscht: Ich hatte sogar ein Musteroutfit dagelassen, aber das haben sie
wohl vergessen gehabt. Das Top war so eng, dass ich es nicht anziehen konnte
und die Hose war mindestens zehn Zentimeter zu lang. Man kann seine Kleidung
auch Readymade kaufen, also schon fertig geschneidert, und das hat bei mir ganz
gut geklappt.
Das Outfit ist in Indien nur die
halbe Miete. Mindestens genauso wichtig ist der Schmuck: ein weibliches Wesen,
das etwas auf sich hält, verlässt nicht ohne anklets, bangles, chain und
campbell das Haus, heißt (wie auch in meinem Fall): Fußkettchen (die sind meist
in Silber und werden nur selten gewechselt), Armreifen, die man dann matching
matching zum Outfit anzieht (es gibt bunte Armreifen aus Glas und Plastik,
goldene oder mit bunten Bändern umwickelte, usw), dann eine Kette und passende
Ohrringe. Am liebsten alles mit viel Glitzer, blingbling und Steinchen (an den
meisten indischen Schmuck habe ich mich noch nicht gewöhnt…). Übrigens muss
immer alles symmetrisch sein: Natürlich hat man nicht nur an einem Fuß ein
anklet, sondern an beiden und auch an beiden Armen Armreifen und zwar die
gleiche Anzahl (mein Festival-Bändchen ist nicht ganz stilecht auf dem Bild).
Einen Nasenstecker haben hier auch sehr viele Frauen, ich habe jetzt auch
einen. Die meisten haben so ähnlich wie ich einen Goldstecker, Mädchen eher
einen Dezenten und ältere Frauen haben oft richtig große, dicke Stecker. Dann
kommt noch der letzte indische Touch: das Bindi, der rote Punkt auf der Stirn.
Bindis kann man in allen möglichen verschiedenen Größen, Farben, Formen kaufen,
auch hier ist Glitzer wieder sehr beliebt. Sie haben auf der Hinterseite ein
Papierchen, was man abzieht, darunter ist dann eine klebende Stelle. Ursprünglich
galt ein Bindi als Zeichen dafür, dass man verheiratet ist. Inzwischen wurde es
aber zur Mode und es ist einfach nur noch Schmuck. In unserem Projekt ist es
leider trotzdem nicht gerne gesehen: für unseren Gastvater ist es ein Zeichen
des Hinduismus, das geht natürlich nicht für gute Christen. (Andere Freiwillige
arbeiten mit Nonnen, die selbst Bindis tragen-man muss das also nicht so eng
sehen und ich bin nicht konvertiert, nur weil ich in meiner Freizeit einen roten
Punkt auf der Stirn habe). Auch sehr südindisch sind Blumen in den Haaren. So
gut wie alle Frauen haben lange Haare. Falls eine Frau mal keine langen Haare
hat, deutet das darauf hin, dass sie ihre Haare im Tempel geopfert hat-dann ist
sie aber gerade dabei, die Haare wieder wachsen zu lassen. Diese oft
wunderschönen Haare werden aber äußerst selten offen getragen, sondern meistens
straff zurückgekämmt und dann typischerweise zu einem langen Zopf gebunden. Die
Blumen werden dann einfach mit einer Haarspange dazu gesteckt. Die Blumenketten
werden von Frauen am Straßenrand verkauft, die die Jasminblüten einzeln in
einem Korb liegen haben und dann mit flinken Fingern zu Ketten knoten. Ich
liebe Blumen in den Haaren! Immer wenn man den Kopf bewegt, steigt einem der
Geruch in die Nase-so riecht Indien (wenn es nicht gerade stinkt).
Um wirklich authentisch indisch zu wirken, darf man auf Bildern übrigens auch nicht laecheln. Ich muss unsere Kinder immer kitzeln oder Grimassen schneiden, dass man mal schoene, lachende Fotos kriegt.
Festtagsoutfit:
Hier mal das Sonntagsoutfit unserer Mädchen.
Das wird wirklich nur zu Festtagen angezogen und hat deshalb auch keine Löcher
oder Flecken, wie so manch anderes. Die typischen Festtagsoutfits
charakterisieren sich durch viiiiiel, viiiiiiiiiel Glitzer und Tüll. Zu
feierlichen Anlässen werden übrigens auch sehr gerne aufwendige Frisuren
gemacht mit ganz viel Flechten, die sieht man jetzt hier leider nicht so gut.
Annika und ich hatten zu wirklich feierlichen Anlässen (also jetzt nicht der
normale Sonntagsgottesdienst) meist einen Sari an, weil wir leider kein so
fancy Outfit besitzen und unsere normalen Outfits zu ranzig sind…
Wie ich so herumlaufe:
Meine Haare sind verwuschelt, mein Oberteil
ist zu kurz, meine Leggins hat ungefähr zehn Löcher und ich sehe es nicht ein,
mir hier noch eine neue zu kaufen, ich habe nur einen Armreif und am anderen
Arm komische andere Bänder, die gar nicht glitzern und Ohrringe hab ich meistens
auch keine an. Dafür habe ich Blumen in den Haaren und die Inderinnen können es
mir verzeihen, weil ich blond bin.
Saris:
Sobald man verheiratet ist, trägt man in
Südindien einen Sari (außerdem eine dicke goldene Kette und Fußringe und je
nach dem auch noch einen Strich mit roten Puder am Scheitelansatz). Wir sind
zwar nicht verheiratet, wären aber durchaus schon im passenden Alter und
außerdem finden es alle super, wenn wir mal einen Sari anhaben. Ein Sari
besteht nicht nur aus einem Stück Stoff, wie ich anfangs glaubte, sondern noch
aus einem Unterrock und einer Bluse, die matching matching, also farblich
passend, sein sollte. Der Saristoff ist mehrere Meter lang und meistens
gemustert. Es gibt Saris aus Baumwolle, Seide und Viskose. Meistens zeigt sich
auch bei den Saris die lieber der Inderinnen zu Glitzer und es sind Steinchen
aufgeklebt oder goldene Fäden eingewebt. Vor allem diese Glitzersteinchen sind
nicht so mein Fall… Einen Sari anzuziehen, ist eine Kunst für sich. Wir
beherrschen das leider nur so halb, weil wir bis jetzt immer angezogen wurden.
Man stellt sich einfach hin und dann schwirren oft zwei oder drei Mädchen um
einen herum und wickeln, falten und zupfen an einem herum. Am Sonntag wollten
wir uns endlich mal selbst einen Sari anziehen und dann kamen wir, nachdem wir
eine Stunde lang (!) herumgemacht hatten, ins Projekt und wurden da nur mit
einem müden Lächeln begrüßt und in den nächsten Abstellraum gezerrt, wo uns ein
Mädchen komplett neu anzog-na toll. Das muss ich echt noch üben, bevor ich nach
Deutschland komme! Ein Sari ist übrigens weder luftig noch bequem (das ist auch
der Grund, warum wir fast nur an besonderen Anlässen einen anhatten). Man hat
den Baumwollunterrock, um den mehrere Lagen Stoff kommen. Die einzige Körperpartie,
die gut belüftet wird, ist am Bauch und am Rücken und das ist ja wiederum eher
ungewohnt und deshalb auch nicht so angenehm. Außerdem muss man den Unterrock
richtig fest binden, damit es auch hält-besser nicht so viel Essen, sonst wird
es schnell unangenehm! Dazu kommt, dass der Sari bis fast auf den Boden reicht,
man deshalb aufpassen muss, dass man nicht drauftritt und er sich die ganze
Zeit so zwischen die Beine schlägt, dass man eher watschelt statt läuft.
Trotzdem sieht ein Sari natürlich irgendwie
doch schön aus und ich habe gerne ab und zu mal einen angehabt… nur für den
täglichen Gebrauch wäre mir das zu doof. Die Inderinnen bei uns im Dorf haben
aber wirklich alle, alle jeden Tag einen Sari an.
Wie ihr seht, spielen Farben und Muster bei der
indischen Kleidung eine ganz große Rolle und so hat man anfangs den Eindruck,
es wäre wirklich abwechslungsreich. Wenn man aber mal genauer hinschaut, merkt
man, dass man eigentlich keine Kombinationsmöglichkeiten hat: man überlegt sich
nicht, welches Oberteil man jetzt mit welcher Hose anzieht, oder heute doch
lieber ein Kleid oder ein Rock?- sondern man zieht eben das blaue, pinke oder
rote Outfit heraus, zusammen mit Hose und Schal. Um das nicht ganz so
langweilig werden zu lassen, gibt es die vielen Muster und ich denke, dass
daher auch die Schmuckversessenheit der Inderinnen kommt: ein kleines bisschen
Individualität
Männeroutfits:
Trägt man(n) kein Lungi mit Hemd, dann trägt
man eine Hose und dazu oft ein T-Shirt mit einem englischen Spruch, der keinen
Sinn ergibt (zum Glück verstehen sie ihn höchstwahrscheinlich sowieso nicht).
Unser Gastvater trägt (wenn er nicht
gerade einen Lungi mit einem ehemals weißen Unterhemd trägt, er ist auch so
einer) immer weiße Hemden mit schwarzen Hosen. Letztens hatte er mal ein
kariertes Hemd an-wow! Das hatten wir noch nie an ihm gesehen!
Alles in allem hängt der Kleidungsstil sehr vom Ort
ab. Was ich euch eben beschrieben habe, ist der Dorf-Look. Fährt man nach
Chennai, sieht es schon ganz anders aus: Frauen in Jeans und Blusen findet man
durchaus. Dann gibt es auch noch regionale Unterschiede: in Nordindien zum
Beispiel ist der Sari kein Alltagsoutfit. Traditionelle Frauen tragen das, was
hier als Mädchen-Outfit gilt, eine weite Hose mit Top und Schal. Lungis gibt es
im Norden auch nicht-man muss sich nicht wundern, dass mir die Nordinder
generell gesehen attraktiver vorkommen…
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