Montag, 15. Juni 2015

Kleider machen Leute











Wie ein typisch südindisches Dorfmädchen herumläuft:
Das Outfit eines Mädchens besteht typischerweise aus einer weiten Stoffhose, die oben einfach mit einem Band zusammengezurrt wird, und einem knielangen Top (genannt Chulidar), das an der Seite einen Schlitz hat (das ist unter anderem praktisch, wenn man auf dem Boden sitzt: man kann das Top einfach hochklappen und macht es so nicht dreckig). Dazu kommt noch ein Schal, der über die Brüste drapiert wird, damit auch ja nichts zu aufreizend aussieht. Den Mustern und Farben, die kombiniert werden, sind keine Grenzen gesetzt: inzwischen habe ich mich an den wilden Mix gewöhnt und finde vieles auch schön, was ich vor 11 Monaten ganz furchtbar gefunden hätte. Meistens hat die Hose ein Muster und das Oberteil hat ein anderes und im Schal findet man dann Elemente aus beidem. Früher ging man ins Geschäft und kaufte sich den Stoff, den man schon so im Set kriegt. Damit ging man dann zum Schneider und ließ sich eben ein passendes Outfit schneidern. Ich hab das nur einmal gemacht (eben bei diesem Outfit), und war ein bisschen enttäuscht: Ich hatte sogar ein Musteroutfit dagelassen, aber das haben sie wohl vergessen gehabt. Das Top war so eng, dass ich es nicht anziehen konnte und die Hose war mindestens zehn Zentimeter zu lang. Man kann seine Kleidung auch Readymade kaufen, also schon fertig geschneidert, und das hat bei mir ganz gut geklappt.


Das Outfit ist in Indien  nur die halbe Miete. Mindestens genauso wichtig ist der Schmuck: ein weibliches Wesen, das etwas auf sich hält, verlässt nicht ohne anklets, bangles, chain und campbell das Haus, heißt (wie auch in meinem Fall): Fußkettchen (die sind meist in Silber und werden nur selten gewechselt), Armreifen, die man dann matching matching zum Outfit anzieht (es gibt bunte Armreifen aus Glas und Plastik, goldene oder mit bunten Bändern umwickelte, usw), dann eine Kette und passende Ohrringe. Am liebsten alles mit viel Glitzer, blingbling und Steinchen (an den meisten indischen Schmuck habe ich mich noch nicht gewöhnt…). Übrigens muss immer alles symmetrisch sein: Natürlich hat man nicht nur an einem Fuß ein anklet, sondern an beiden und auch an beiden Armen Armreifen und zwar die gleiche Anzahl (mein Festival-Bändchen ist nicht ganz stilecht auf dem Bild). Einen Nasenstecker haben hier auch sehr viele Frauen, ich habe jetzt auch einen. Die meisten haben so ähnlich wie ich einen Goldstecker, Mädchen eher einen Dezenten und ältere Frauen haben oft richtig große, dicke Stecker. Dann kommt noch der letzte indische Touch: das Bindi, der rote Punkt auf der Stirn. Bindis kann man in allen möglichen verschiedenen Größen, Farben, Formen kaufen, auch hier ist Glitzer wieder sehr beliebt. Sie haben auf der Hinterseite ein Papierchen, was man abzieht, darunter ist dann eine klebende Stelle. Ursprünglich galt ein Bindi als Zeichen dafür, dass man verheiratet ist. Inzwischen wurde es aber zur Mode und es ist einfach nur noch Schmuck. In unserem Projekt ist es leider trotzdem nicht gerne gesehen: für unseren Gastvater ist es ein Zeichen des Hinduismus, das geht natürlich nicht für gute Christen. (Andere Freiwillige arbeiten mit Nonnen, die selbst Bindis tragen-man muss das also nicht so eng sehen und ich bin nicht konvertiert, nur weil ich in meiner Freizeit einen roten Punkt auf der Stirn habe). Auch sehr südindisch sind Blumen in den Haaren. So gut wie alle Frauen haben lange Haare. Falls eine Frau mal keine langen Haare hat, deutet das darauf hin, dass sie ihre Haare im Tempel geopfert hat-dann ist sie aber gerade dabei, die Haare wieder wachsen zu lassen. Diese oft wunderschönen Haare werden aber äußerst selten offen getragen, sondern meistens straff zurückgekämmt und dann typischerweise zu einem langen Zopf gebunden. Die Blumen werden dann einfach mit einer Haarspange dazu gesteckt. Die Blumenketten werden von Frauen am Straßenrand verkauft, die die Jasminblüten einzeln in einem Korb liegen haben und dann mit flinken Fingern zu Ketten knoten. Ich liebe Blumen in den Haaren! Immer wenn man den Kopf bewegt, steigt einem der Geruch in die Nase-so riecht Indien (wenn es nicht gerade stinkt). 
Um wirklich authentisch indisch zu wirken, darf man auf Bildern übrigens auch nicht laecheln. Ich muss unsere Kinder immer kitzeln oder Grimassen schneiden, dass man mal schoene, lachende Fotos kriegt. 

Festtagsoutfit:
Hier mal das Sonntagsoutfit unserer Mädchen. Das wird wirklich nur zu Festtagen angezogen und hat deshalb auch keine Löcher oder Flecken, wie so manch anderes. Die typischen Festtagsoutfits charakterisieren sich durch viiiiiel, viiiiiiiiiel Glitzer und Tüll. Zu feierlichen Anlässen werden übrigens auch sehr gerne aufwendige Frisuren gemacht mit ganz viel Flechten, die sieht man jetzt hier leider nicht so gut. Annika und ich hatten zu wirklich feierlichen Anlässen (also jetzt nicht der normale Sonntagsgottesdienst) meist einen Sari an, weil wir leider kein so fancy Outfit besitzen und unsere normalen Outfits zu ranzig sind…



Wie ich so herumlaufe:
Meine Haare sind verwuschelt, mein Oberteil ist zu kurz, meine Leggins hat ungefähr zehn Löcher und ich sehe es nicht ein, mir hier noch eine neue zu kaufen, ich habe nur einen Armreif und am anderen Arm komische andere Bänder, die gar nicht glitzern und Ohrringe hab ich meistens auch keine an. Dafür habe ich Blumen in den Haaren und die Inderinnen können es mir verzeihen, weil ich blond bin. 






















Saris:
Sobald man verheiratet ist, trägt man in Südindien einen Sari (außerdem eine dicke goldene Kette und Fußringe und je nach dem auch noch einen Strich mit roten Puder am Scheitelansatz). Wir sind zwar nicht verheiratet, wären aber durchaus schon im passenden Alter und außerdem finden es alle super, wenn wir mal einen Sari anhaben. Ein Sari besteht nicht nur aus einem Stück Stoff, wie ich anfangs glaubte, sondern noch aus einem Unterrock und einer Bluse, die matching matching, also farblich passend, sein sollte. Der Saristoff ist mehrere Meter lang und meistens gemustert. Es gibt Saris aus Baumwolle, Seide und Viskose. Meistens zeigt sich auch bei den Saris die lieber der Inderinnen zu Glitzer und es sind Steinchen aufgeklebt oder goldene Fäden eingewebt. Vor allem diese Glitzersteinchen sind nicht so mein Fall… Einen Sari anzuziehen, ist eine Kunst für sich. Wir beherrschen das leider nur so halb, weil wir bis jetzt immer angezogen wurden. Man stellt sich einfach hin und dann schwirren oft zwei oder drei Mädchen um einen herum und wickeln, falten und zupfen an einem herum. Am Sonntag wollten wir uns endlich mal selbst einen Sari anziehen und dann kamen wir, nachdem wir eine Stunde lang (!) herumgemacht hatten, ins Projekt und wurden da nur mit einem müden Lächeln begrüßt und in den nächsten Abstellraum gezerrt, wo uns ein Mädchen komplett neu anzog-na toll. Das muss ich echt noch üben, bevor ich nach Deutschland komme! Ein Sari ist übrigens weder luftig noch bequem (das ist auch der Grund, warum wir fast nur an besonderen Anlässen einen anhatten). Man hat den Baumwollunterrock, um den mehrere Lagen Stoff kommen. Die einzige Körperpartie, die gut belüftet wird, ist am Bauch und am Rücken und das ist ja wiederum eher ungewohnt und deshalb auch nicht so angenehm. Außerdem muss man den Unterrock richtig fest binden, damit es auch hält-besser nicht so viel Essen, sonst wird es schnell unangenehm! Dazu kommt, dass der Sari bis fast auf den Boden reicht, man deshalb aufpassen muss, dass man nicht drauftritt und er sich die ganze Zeit so zwischen die Beine schlägt, dass man eher watschelt statt läuft.


Trotzdem sieht ein Sari natürlich irgendwie doch schön aus und ich habe gerne ab und zu mal einen angehabt… nur für den täglichen Gebrauch wäre mir das zu doof. Die Inderinnen bei uns im Dorf haben aber wirklich alle, alle jeden Tag einen Sari an. 
Wie ihr seht, spielen Farben und Muster bei der indischen Kleidung eine ganz große Rolle und so hat man anfangs den Eindruck, es wäre wirklich abwechslungsreich. Wenn man aber mal genauer hinschaut, merkt man, dass man eigentlich keine Kombinationsmöglichkeiten hat: man überlegt sich nicht, welches Oberteil man jetzt mit welcher Hose anzieht, oder heute doch lieber ein Kleid oder ein Rock?- sondern man zieht eben das blaue, pinke oder rote Outfit heraus, zusammen mit Hose und Schal. Um das nicht ganz so langweilig werden zu lassen, gibt es die vielen Muster und ich denke, dass daher auch die Schmuckversessenheit der Inderinnen kommt: ein kleines bisschen Individualität


Männeroutfits:
Noch kurz ein Wort zu dem, was die Männer hier so tragen: sehr verbreitet auf dem Dorf sind die sogenannten Lungis, das sind Männerröcke. Quasi ein Stück Stoff, was die Männer sich, so wie hier unser Nachbar, um die Hüften wickeln. Er trägt seinen Lungi jetzt lang, viele Männer halbieren ihn aber auch noch und stopfen sich dann die unteren Enden in den Bund und haben damit einen Mini-Rock. Darunter tragen sie meist noch eine kurze Hose und als Oberteil ein Hemd. Für mich persönlich ist das ein Grund, warum mir die meisten Dorfinder einfach unattraktiv erscheinen: das sieht richtig ranzig aus! Oft ist dann sowohl der Lungi als auch das Hemd noch kariert und man merkt einfach, dass sie sich- im Gegensatz zu den Frauen- kein bisschen um ihr Aussehen scheren.
Trägt man(n) kein Lungi mit Hemd, dann trägt man eine Hose und dazu oft ein T-Shirt mit einem englischen Spruch, der keinen Sinn ergibt (zum Glück verstehen sie ihn höchstwahrscheinlich sowieso nicht).
Unser Gastvater trägt  (wenn er nicht gerade einen Lungi mit einem ehemals weißen Unterhemd trägt, er ist auch so einer) immer weiße Hemden mit schwarzen Hosen. Letztens hatte er mal ein kariertes Hemd an-wow! Das hatten wir noch nie an ihm gesehen!

Alles in allem hängt der Kleidungsstil sehr vom Ort ab. Was ich euch eben beschrieben habe, ist der Dorf-Look. Fährt man nach Chennai, sieht es schon ganz anders aus: Frauen in Jeans und Blusen findet man durchaus. Dann gibt es auch noch regionale Unterschiede: in Nordindien zum Beispiel ist der Sari kein Alltagsoutfit. Traditionelle Frauen tragen das, was hier als Mädchen-Outfit gilt, eine weite Hose mit Top und Schal. Lungis gibt es im Norden auch nicht-man muss sich nicht wundern, dass mir die Nordinder generell gesehen attraktiver vorkommen… 



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