Donnerstag, 11. Juni 2015

Du bist, was du isst


Heute mal ein ganz anderer Aspekt unseres indischen Lebens: Essen.
Gegessen wird übrigens mit der Hand. Das ist am Anfang schon ein bisschen seltsam, aber man gewöhnt sich daran. Man wäscht sich halt vor dem Essen die Hände und dann manscht man eifrig im Reis herum, bevor man mit den Fingern eine Art Löffel bildet und das Essen mit dem Daumen in den Mund schiebt. Besteck gibt es in einem typisch indischen Haushalt keins (außer einem Messer zum Kochen). Man braucht zum Essen auch keine Messer oder so, weil alles entweder so weich ist, dass man es abreißen kann, oder schon klein ist. Fleisch bekommt man immer nur in der Soße und es ist schon in mundgerechte Stücke verteilt. Ich bin der festen Überzeugung, dass sich meine Kaumuskeln zurückgebildet haben: wenn ich mal westlich essen gehe und dann etwas habe, das man nicht auch ohne Zähne essen könnte, hab ich immer das Gefühl, dass ich Muskelkater in den Backen kriege! Übrigens darf man zum Essen nur die rechte Hand benutzen!
Die meisten von euch waren wahrscheinlich dann schon mal beim Inder essen und hatten dort so etwas wie 'Hühnchen in Mangosauce mit Basmati-Reis'-lecker! Die Realität hier in Südindien sieht ein bisschen anders aus. Als erstes muss man sagen, dass sich das Essen in Nord- und Südindien ziemlich unterscheidet, da man im Norden eher (Fladen-)Brot isst, während es im Süden zu fast allem Reis gibt. Dann gibt es natürlich für jede Region noch Spezialitäten und spezielle Arten zu Kochen, in Kerala benutzt man zum Beispiel Kokosnuss-Öl zum Kochen, während man das in Tamil Nadu nur in die Haare schmiert. Das heißt nicht, dass es in Südindien kein nordindisches Essen gibt. Es gibt Restaurants, die haben alles, dann gibt es welche, die sich spezialisiert haben und zum Beispiel typisches Kerala-Essen haben und an der Straße kriegt man eben meistens nur Südindisch. Dann macht es natürlich noch eine Menge aus, wie viel Geld man hat und wo man wohnt (bei uns auf dem Dorf kann man sich nicht mal eben ne Pizza bei Domino's bestellen) und welcher Religion man angehört. Viele Hindus sind zum Beispiel Vegetarier (aber längst nicht alle). Auch Restaurants haben das immer schon draußen angeschrieben: Veg-Restaurants haben oft nicht mal Eier im Essen, Non-Veg-Restaurants haben dann meistens auch nur Gerichte mit Fleisch. Die werden dann meistens von Muslimen geführt, heißt: Schweinefleisch findet man in Indien quasi überhaupt nicht, Rindfleisch gibt es auch nur selten, verbreitet sind Huhn und Schaf. Wir wohnen ja an der Küste, da gibt es auch viel Fisch. Ich persönlich versuche mich hier vegetarisch zu ernähren. Ich bin ja sowieso nicht so Fleisch-affin und hier wäre es schon übertrieben zu sagen, dass eine Kühlkette existiert. Außerdem wird im Projekt, wenn dann schon mal ein Hähnchen gekauft wird, auch alles davon verwendet, die meisten Stücke Fleisch bestehen deshalb hauptsächlich aus Fett, Knorpeln und Knochen und das ein oder andere Organ landete auch schon auf meinem Teller-alles in allem ist mir der Appetit auf Fleisch etwas vergangen. Auch mit dem Fisch ist das so eine Sache, meistens gibt es keinen frischen Fisch sondern getrockneten und die Soße, die damit gemacht wird, schmeckt mir zwar, hat mir aber auch schon ordentlich Bauchschmerzen und Durchfall bereitet, weshalb ich den inzwischen auch eher meide. Nun, genug davon, was ich alles nicht esse. Ich habe mal drei Tage lang alles fotografiert, was ich so zu mir genommen habe und eigentlich wollte ich euch das auch so präsentieren, aber es sind irgendwie zu viele Bilder geworden (vor allem der Tee sprengt das Ganze), deshalb hier mal eine Zusammenfassung von unserem Essen. 



 Was gibt’s heute zum Frühstück?

Lemon Rice: Ein schnelles Essen, das meist zum Frühstück gegessen wird. Es gibt schon fertige Gewürzmischungen für Lemon Rice (oder Tomato oder Tamarin Rice) und dann wird einfach ein bisschen Dhal (Linsen) angebraten, mit ein paar Chillis und Öl vermischt und dazu dann der Lemon Rice Powder. Das wird dann unter den Reis gemischt-fertig ist das Frühstück. Ich mag das ganz gerne, es ist auch nicht so trocken wie man denken könnte und es bietet mal eine Abwechslung in der sonst oft sehr ähnlichen Geschmackskulisse.


Idly: Idly sind typisch südindisch und ein typisches Frühstück, meistens kriegt man sie auch nur morgens. Sie bestehen aus Reismehl und werden in einem speziellen Topf hergestellt: es gibt solche Förmchen, die werden übereinander in den Topf gehängt. Unten ist Wasser drin und der Wasserdampf gart dann die Idly. Dazu kriegt man wie auf dem Bild Sambar (das ist die Soße rechts) und ein Kokosnuss-Chutney (das links). Die Idly werden dann in kleine Stücke zerteilt und dann ordentlich in die Soße getaucht. Wir kriegen das manchmal zum Frühstück, wenn es irgendwie gerade nichts anderes gibt. Unser Projekt macht die nicht selbst sondern holt sie dann von draußen, auf der anderen Straßenseite ist morgens ein Essensstand, wo man sich die Idly einpacken lassen kann.
Müsli mit Obst und White Chocolate Mocca: Das gab es natürlich nicht bei uns im Projekt, wir waren übers Wochenende nach Mahabs gefahren und ich gestehe: ich genieße es, westlich zu frühstücken. 

Kanchi: das gab es übrigens für die Kinder zum Frühstück. Der Reis vom Tag vorher wird morgens immer mit Wasser aufgefüllt. Wenn die Kinder Glück haben, ist auch noch was von der Soße vom Vortag da, aber es gab auch tatsächlich schon Reis mit Wasser. Die Kinder mögen aber mir unverständlicherweise das Wasser und trinken es auch noch, manche wollen nicht mal Soße dazu.

 Was gibt’s heute zum Mittagessen?

Dosai mit Omlette: Dosai besteht aus einem ähnlichen Teig wie Idly, ist also im Prinzip auch aus Reis. Der Teig wird auf einer heißen Platte dünn ausgestrichen und dann zwei Minuten gebacken. Dazu gibt es auch Sambar und in unserem Fall noch ein Omlette (die indischen Omlettes sind sehr lecker, da sind immer noch Zwiebeln dabei und Gewürze). Ich liebe Dosai! Die hier kamen übrigens auch nicht aus dem Projekt. Normalerweise nehmen wir unser Mittagessen mit, wenn wir ins Haus fahren, also gegen neun. Das ist eigentlich auch kein Problem, da die Köchin um sechs aufsteht und das Frühstück ja meist nicht gekocht werden muss. Unsere Köchin ist aber leider die allerfaulste Person auf diesem Planeten und um zehn hatte sie noch nicht mal den Reis aufgesetzt, weshalb ich beschloss, in der Stadt was zu kaufen. In Kalpakkam gibt es eine Menge kleiner Hütten, vor denen eine Art Herd ist. Man geht dann hin und bestellt sein Essen, was dann frisch gemacht wird und eingepackt, oft in ein Bananenblatt. Eine Dosai und ein Omlette kosten ungefähr 30 Rupien, also je nach Wechselkurs 40-50 Cent. 

Thali: Thalis sind ein typisches Mittagessen für Leute, die auswärts essen. Oft gibt es in den einfachen Restaurants morgens Idly und andere Frühstücksessen und mittags nur Thalis (auch genannt Meals). Man kriegt einen Berg Reis mit verschiedenen Soßen, Gemüsen, Buttermilch, Appalam (das ist das crunchy Dings links im Bild und richtig lecker) und einem kleinen Nachtisch. Oft ist das auch all-you-can-eat-System und man kann Reis und Soße nachkriegen. Das Thali auf dem Bild ist leider schon fast aufgegessen, weil es mir zu spät eingefallen ist, ein Foto zu machen. Wir haben im Projekt Besuch gekriegt und die haben das mitgebracht (keine Ahnung warum, aber war lecker). Typisch ist übrigens auch das Bananenblatt. Wenn man fertig ist, klappt man es einfach zusammen und wirft es weg

Nutella-Pancake und Cappuccino: dazu muss ich wohl nicht so viel sagen

Was gibt’s heute zum Abendessen?

Reis mit Rassam: Unser Lieblingsgericht! (nicht). Rassam ist eine Soße, die hauptsächlich aus Wasser besteht. Darin schwimmen dann ein paar Fetzen Tomaten rum, Zwiebeln und ein paar Knoblauchzehen und Chillis. In der Theorie soll das Rassam sehr gut gewürzt sein und deshalb nach etwas schmecken, unsere Köchin kriegt das leider nicht so gut hin (sie knabbert zum Essen immer rohe Chillis, ich vermute, dass ihre Geschmacksnerven deshalb nicht mehr ganz so fein sind und sie es deshalb nicht auf die Reihe kriegt, das Essen ordentlich zu würzen). Einmal in den Ferien hat einer der Jungs Rassam gemacht und es war eine wahre Geschmacksexplosion, weil es tatsächlich nach was geschmeckt hat! Es gibt also durchaus auch gutes Rassam (halt bei uns meistens nicht), aber es wird immer wässrig bleiben. Meistens gibt es dazu dann ein side dish, also eine Gemüsebeilage. In diesem Fall gab es ein Kokosnuss-Chutney, das ist der kleine Klecks rechts.

Reis mit Tomato Chutney: Man beachte den Unterschied: Shanti, unsere eine Mitarbeiterin, war im Urlaub und ist an diesem Morgen zurückgekommen. Sie hat jetzt den Job der Köchin übernommen. Tomato Chutney besteht aus Tomaten, Zwiebeln, Knoblauch, Chillis, Gewürzen und Öl und schmeckt mir super super gut! Dazu gab es da auch noch ein Ei- eine Seltenheit bei uns. 


fried noodles und sweet lassi: fried noodles sind für Inder nicht typisch indisch sondern chinesisch, aber doch in den allermeisten Restaurants zu haben. Viel gibt es dazu nicht zu sagen, das sind halt solche Instant-noodles, die ein bisschen angebraten werden und ein bisschen frisches Gemüse reingeschnitten. Oft gibt es auch fried rice, das holen wir uns zum Beispiel gern an der Straße, wenn wir unterwegs sind. Lassi ist auch etwas typisch indisches: eine Art Trinkjoghurt, dicker als Buttermilch aber säuerlich. Man kann ihn plain (also ohne alles), süß, salzig oder mit Obst drin bestellen. 



Parotha: Hier noch Haukes Abendessen. Parotha sind auch eine Art Brot, aber dicker und ein bisschen wie Blätterteig, nur nicht so kross… schwer zu beschreiben, aber sehr lecker (und fettig). Dazu gibt es meistens eine dickere Soße, wo man die Parotha-Stückchen dann reintaucht. Parotha zu machen ist ziemlich aufwendig, weshalb es sie auch meistens erst am späteren Nachmittag gibt, weil der Teig vorher noch nicht fertig ist. Gebacken werden sie auch auf so einer heißen Platte wie die Dosai.

Gobi Manchurian (gravy) mit Naan: Gobi ist Blumenkohl und Manchurian heißt, dass er in einen Teig gewälzt wird, der mit speziellen Gewürzen versehen ist und dann frittiert. Man kann das ganze dry haben, also nur den Gobi an sich, oder wie auf dem Bild (das war übrigens Momos Abendessen) mit Gravy, das ist dann eine sehr fettige Soße. Gravys gibt es übrigens eine riesige Menge, oft mit Paneer (das ist eine Art Käse, der eigentlich nach nichts schmeckt aber im Gravy wirklich gut) und dann mit verschiedenen Gewürzen und Gemüsen. Das wird dann entweder mit Brot gegessen, auf dem Bild ist es glaube ich Naan (das kommt aus Nordindien). Typisch südindisch sind Chapati und Roti, wo da jetzt allerdings der Unterschied liegt, weiß ich nicht so genau ;)

Was gibt’s heute zwischendurch? 


Chai: Tee spielt in Indien eine wichtige Rolle. Wird man irgendwo eingeladen, bekommt man meist zuerst einen Chai serviert und auch im Alltag trinkt man mindestens zweimal am Tag Chai. Chai Besteht aus einer speziellen Gewürztee-Mischung, die man mit Milch und (sehr viel) Zucker trinkt. In jedem noch so kleinen Dorf gibt es einen Chai-Stand, wo man für 10 Rupien sein Glas Chai trinken kann. Übrigens schmeckt der Chai in Nordindien anders als im Süden, irgendwie würziger… Man trinkt oft Chai, dafür immer nur wenig auf einmal: die Gläser sind meist nur halb voll (auch, damit man sie am oberen Rand anfassen kann, wenn es heiß ist). Keep calm and drink Chai- das ist das indische Lebensmotto. In den zwei Tagen, die ich im Projekt das Essen fotografiert habe, haben wir übrigens sechs Mal Chai gekriegt, einmal sogar mit Keksen. Ich denke ein Bild davon reicht.

Obst: Indien ist ein Obstparadies und zurzeit schweben Annika und ich im siebten Himmel- es ist Mango-Season! An der Straße werden bergeweise Mangos verkauft. Übrigens werden grüne Mangos auch als Gemüse zum Kochen benutzt, die Mangos an unseren Bäumen im Projekt werden deshalb leider nie reif. Ein Kilo Mango kostet je nach Qualität so um einen Euro und die Mangos sind wirklich göttlich! Es gibt natürlich auch noch jede Menge anderes Obst, zum Beispiel hatten wir letztens eine Papaya, es gibt frische Ananas, im April war die Wassermelonen-Saison und an der ganzen Straße wuchsen Wassermelonen-Stände aus dem Boden. Was auch ganz toll ist, sind die Kokosnüsse. Die sind hier nicht so klein und braun wie in Deutschland sondern noch groß und grün. Für 30 Cent kann man sich eine an einem Stand an der Straße kaufen und vor Ort trinken: der Verkäufer schlägt mit einer Machete ein Stück ab und dann trinkt man mit einem Strohhalm zuerst das Wasser (das ungefähr gegen alles helfen soll: von Verdauungsproblemen bis Pickeln) und dann isst man das weiche, frische Fruchtfleisch. Lecker! 

Snacks: Hier gibt es an jedem Kiosk verschiedene Snacks in kleinen Portionen, zum Beispiel Popcorn, Kekse, Chips, verschiedene Nüsse und auch typisch indische Snackmischungen, die man sehr schwer beschreiben kann. In der Stadt oder oft an Bushaltestellen und –rastplätzen gibt es so frittierte Teile, sehr praktisch für den kleinen Hunger. Unter anderem gibt es in einem Teigmantel frittierte Kochbananen oder Chillis, Kartoffelteilchen oder solche Teigringe (ein bisschen wie Mini-Donuts). Meistens essen Annika und ich, wenn wir mal wieder vom Essen nicht befriedigt sind, gelbe Lays. Eine so eine kleine Packung kostet fünf Rupien und hat wirklich nur fünf oder sechs Chips als Inhalt.
So, das war jetzt schon ganz schön lange und während ich geschrieben habe, sind mir immer wieder neue Sachen eingefallen, die ich noch erwähnen könnte, aber das würde den Rahmen schon sprengen. Fazit: die indische Küche ist durchaus vielfältig, wenn auch nicht so, wie man sie aus Deutschland kennt. Leider kommt von der Vielfalt (je nach aktueller finanzieller Lage) wenig bis nichts im Projekt an und es kam auch schon vor, dass wir drei Mahlzeiten am Tag Reis mit Rassam oder Reis ohne Soße mit reingemischtem Gemüse hatten. Generell würde ich sagen, dass 80% meiner Mahlzeiten in Indien Reis waren. Ich genieße es schon, wenn ich mal was anderes kriege, mag aber auch den Reis immer noch, wenn es eine ordentliche Soße dazu gibt. Ich freue mich aber durchaus wieder auf die so abwechslungsreiche Kochkunst meiner Mutter in Deutschland, auf Nudeln, Kartoffeln, Käse, Brot und auch darauf, selbst entscheiden zu können, was ich jetzt essen möchte. 












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