Sonntag, 8. Mai 2011

Yom HaShoah

Ich stehe an der Rezeption und bin gerade leidenschaftlich in eine Diskussion mit einem Gast vertieft, die kurz davor ist, in einen Streit überzugehen (es geht um seine Milchallergie, die er natürlich intelligenterweise dem Personal unseres kosheren Hotels vorher nicht mitgeteilt hat, was zur Folge hat, dass wir jetzt die von ihm verlangten Sojaprodukte nicht vorrätig haben), als plötzlich die Sirenen angehen. Der Mann hört mitten im Satz auf zu sprechen, dreht sich um, auch seine kreischenden und schreienden Kinder werden still und hören auf, sich gegen die Toilettentüren der Lobby zu werfen. Nach zwei Minuten verstummen die Sirenen wieder, der Mann dreht sich zurück, guckt mich an und sagt: "...and this is why I really think that it's your duty to go NOW to buy some soy milk and soy cheese for me!"
Es ist der 2. Mai 2011, der Yom HaShoa weLaGwura (der Tag der Shoah und des Heroismus), Israels offizieller Gedenktag für die sechs Millionen Juden, die im Holocaust (Shoah ist das hebräische Wort für Holocaust) ums Leben gekommen sind.
Alle Fahnen hängen an diesem Tag auf Halbmast und um zehn Uhr gehen die Sirenen landesweit, die Leute unterbrechen ihre Arbeit, auf der Autobahn kommt der Verkehr zum erliegen und die Menschen steigen aus ihren Autos aus. Am Abend des Vortages (also wenn der Tag nach der jüdischen 'Zeitrechnung' beginnt), gibt es eine erste Zeremonie in Jerusalem, alles wird beendet durch eine zweite im Amphitheater in Lochamei haGetaot. Und da das ja gleich um die Ecke liegt, machten wir uns abends also durch die nicht mehr allzu matschigen Felder auf dorthin.


Das Programm war natürlich auf Hebräisch, was es stellenweise etwas schwierig machte, den genaueren Ausführungen zu folgen, vor allem, als Benny Gantz, der Ramatkal (also der Generalstabchef der Israelischen Streitkräfte) seine Rede gehalten hat. Er wurde mit einem Hubschrauber ein- und ausgeflogen, hatte aber erstaunlich wenig Sicherheitspersonal dabei (zumindest kein sichtbares). Könnte aber auch daran liegen, dass der ein Großteil des Publikums sowieso von Soldaten gestellt wurde, die am Ende mit Fackeln ins Amphitheater hinunterzogen.



Überhaupt wurde während des Programmes wieder einmal deutlich, dass sich Israel und Deutschland in manchen Dingen ziemlich radikal voneinander unterscheiden: was Nationalstolz und Patriotismus/Nationalismus angeht, zum Beispiel. So ein Fahnenmeer ist in Deutschland selbst in WM-Zeiten noch nicht lange üblich, hier werden die Nationalfarben nicht nur zu Festakten begeistert geschwungen. Über die Problematik, die das gerade im Konflikt mit den Palästinensern und vor allem arabischen Israelis mit sich bringt, will ich an dieser Stelle nicht reden.

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