Mittwoch, 27. April 2011

Das Gilad Shalit Dilemma

Wer weiß, wie und ob überhaupt diese Geschichte in Deutschland bekannt ist, aber hier kommt sie regelmäßig in den Nachrichten. Es geht um Gilad Shalit, einen israelischen Soldaten, der am 25. Juni 2006 bei einem Angriff in der Nähe von Kerem Shalom von Hamas-Mitgliedern entführt und seitdem im Gazastreifen als Geisel gehalten wird. Wir sprechen hier von fast fünf Jahren Geiselhaft; inzwischen ist er 24, und während dieser ganzen Zeit wurde nicht einmal das Rote Kreuz zu ihm gelassen (denn die Hamas fürchtet, dass dadurch sein Aufenthaltsort irgendwie durchsickern konnte). Das wollen sie auf jeden Fall vermeiden, denn natürlich halten sie ihn nicht zum Spaß gefangen, sondern haben äußerst konkrete Vorstellungen, was als Preis für die Überführung Shalits zurück nach Israel gezahlt werden muss: die Freilassung von um die 1000 palästinensischen Gefangenen in israelischen Gefangnissen.
Nun steht Israel zwischen seinen beiden Grundsatzen, niemals mit Terroristen zu verhandeln, und keinen Soldaten - ob tot oder lebendig - im Feld zurückzulassen. Allerdings haben sie auch schlechte Erfahrungen damit gemacht, Gefangene freizulassen, wie zum Beispiel 2004, als ungefähr 400 Leute im Austausch gegen Elhanan Tenenbaum sowie die Leichen zweier Soldaten von der Hisbollah freigelassen wurden. Ein Teil dieser ehemaligen Gefangnisinsassen verübte nämlich in den nächsten Jahren Terrorattentate, wodurch mindestens 30 Israelis getötet wurden. Das wird jetzt hochgerechnet auf mehr als 1000 Gefangene...
Gilad Shalits Eltern sind natürlich verzweifelt und wollen die Regierung immer wieder dazu bringen, weiter für ihr Versprechen - ihren Sohn nach Hause zu bringen -zu kämpfen. 2010 veranstalteten sie zum Beispiel einen 300-Kilometer-Marsch, an dem über 7000 Menschen teilnahmen, und seit anderthalb Jahren steht vor dem Haus von Benjamin Netanjahu, dem Premierminister Israels, ein Zelt, in dem sie und Aktivisten in Schichten arbeiten und über Gilad informieren. Zumindest in der Theorie, Christine und ich waren da und sind an den Haufen grummeligster und ungesprächigster Aktivisten geraten, die man sich vorstellen kann.



Neben den Leuten, die moglichst viel Öffentlichkeitsarbeit leisten wollen, gibt es dann jedenfalls noch das Lager, das der Meinung ist, man sollte möglichst keine Aufmerksamkeit auf den Fall ziehen:




Aber in einem Land, in dem alle Menschen zum Wehrdienst eingezogen werden und dadurch eine unglaubliche (und in Deutschland vermutlich nicht nachvollziehbare) Solidarität mit den Soldaten und großer Stolz auf die Armee herrscht, funktioniert das natürlich nicht. Überall zu sehen sind zum Beispiel gelbe Bändchen, mit denen die Träger ihre Solidarität mit Gilad Shalit ausdrucken wollen. In Regba im Supermarkt steht zum Beispiel ein großer Korb, aus dem man sich einfach welche herausnehmen kann; die meisten Leute knoten sie sich an die Seitenspiegel ihrer Autos.
Die Frage, was man tun soll, spaltet die Nation, Benjamin Netanjahu ist der Meinung, dass der Preis zu hoch ist, und trotzdem will er Gilad wieder zurück nach Israel bringen.
Hoffentlich dauert's nicht nochmal fünf Jahre.

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