Montag, 29. November 2010

1. Advent

Nachdem also mein Freitag und mein Samstag buchstäblich ins Wasser gefallen waren (ich hab mich nochmal erkundigt, das ist eindeutig nicht normal, kommt aber vom Klimawandel, wenn ichs richtig verstanden habe), hatte ich eigentlich keine Lust, mir den Sonntag auch noch versauen zu lassen. Ursprünglich war eigentlich ein Ausflug zum Plaza Mayor mit Fabiana geplant, aber die sass irgendwie bei ihrer Oma fest, und Laurin, der noch bei ihr war, schlug vor, dass ich ihn besuchen könnte. Und nachdem ich meine Mails gelesen hatte, war mir aufgefallen, dass ja 1. Advent ist (was mir meine Gastmutter zuerst gar nicht glauben wollte, weil sie der Meinung war, dass der 1. Advent der erste Sonntag im Dezember ist) und nachdem ich einer Weile grübelnd vor unserem Küchenfenster stand ('es kann nicht der erste Advent sein, wenn ich da draussen auf Meer und Palmen sehe') beschloss ich, Laurin vorzuschlagen, Weihnachtsplätzchen zu backen. Nachdem wir also alles abgeklärt hatten (wie komme ich hin? wie komme ich wieder zurück? Was mache ich, wenns regnet?) brachten mich meine Eltern und meine Oma (ich verstehe immer noch nicht, wieso hier immer die komplette Familie mitgeschleift wird, wenn man jemanden abholt oder etwas zu besorgen hat) zu Laurin, was schon ein Stück weg von uns ist (so eine gute halbe Stunde.)
Ich hatte ein paar Rezepte im Internet gesucht und so überlegten wir dann, was es in der Küche alles gab- für improvisierte Vanillekipferl hat es gereicht.
Wir mischten dann also Mehl, Ei, normaler- statt Puderzucker, so Vanilleextrakt statt Vanilleschote zusammen (Laurin: und das soll einen Teig geben?' Sofia:'Naja, das steht da... ach, wir haben die Butter vergessen.') und als wir seine Mutter nach Butter fragten, drückte sie uns einen Pott voll Margarine in die Hand, die sich allerdings nach näherer Betrachtung als salzig rausstellte-hier ist alles Butterähnliche salzig.
Sofia: 'Und jetzt?'
Laurin: 'Keine Ahnung'
Sofia: 'sollen wirs probieren?'
Laurin: 'Du bist der Chef'
Danach näherte es sich doch einer Teigform an, die wir dann in den Kühlschrank gelegt haben und uns zuerst mal ans Internet gesetzt, um vielleicht Rezepte für Kekse ohne Butter zu finden. In einem Forum bekamen wir dann die hilfreichen Tipps Motoröl und Handcreme (so ein Mist, dass ich meine Handcreme gerade heute nicht dabei hatte) und irgendwann fiel mir ein, dass ich ja auch ein Rezept ohne Butter hatte- für Joghurtkekse, die allerdings in der Pfanne fritiert werden mussten. Was sich ja schon mal nicht unbedingt nach Weihnachtsplätzchen anhört. Aber naja, da wir ja nicht wussten, ob die Vanillekipferl erträglich sein würden, beschlossen wir, es auszuprobieren, zufälligerweise fanden wir im Kühlschrank sogar Joghurt, den wir dann mit Mehl, Limonensaft (aus Mangel an ordentlicher Zitrone) und ein bisschen Zucker zusammenkippten und versuchten in der Pfanne zu fritieren. (Laurin: 'Bist du sicher, dass das klappt?' Sofia:'äh, nein.' Laurin: 'okay, du bist der Chef')
Naja, es klappte nicht. Um die doch recht flüssige Masse noch zu verwerten, kippten wir noch etwas mehr Mehl dazu und strichen sie in eine Kuchenform, um sie dann spáter in kleine Stückchen zu zerschneiden und als deutsche Plätzchen auszugeben. Das nächste Problem war dann der Ofen. Da hier wegen Stromausfallgefahr die meisten Leute mit Gas kochen, wussten wir zuerst einmal nicht, wie wir den Ofen zum laufen bringen sollten. Da die Mutter ausgeflogen war, fragten wir die Oma, die einen etwas an eine alte Schildkröte erinnert hat und die sehr undeutlich redet, weshalb wir zuerst gar nicht verstanden haben, was sie wollte, was wir dann aber letztendlich verstanden haben, war, dass wir nur vorsichtig sein sollten, damit 'der Witz hier nicht explodiert.' nach dieser erheiternden Aussage schoben wir also schnell den Pfluchen (Plätzchen+Kuchen) in den Ofen und machten uns möglichst weit davon entfernt an die Arbeit, aus dem Vanillekipferl-Teig kleine Hörnchen zu formen. (was auch mehr oder weniger gelang) Das ganze schoben wir dann auf einem Ding in den Backofen, eigentlich war es nur eine Eisenplatte, auf die wir Alufolie gelegt hatten. Zum Glück tauchte dann auch die Mutter auf, die uns mit dem Ofen weiterhalf und die Flamme ein bisschen höher stellte (es wird tatsächlich über Feuer gebacken) und nach einer Weile holten wir unter einigen Problemen das Ding mit den fertigen Vanillekipferln wieder aus dem Ofen. Der Pfluchen hatten sich inzwischen zu einer Pflase verwandelt, die wir dann auch irgendwann von der Flamme holten und zuerst einmal abkühlen liessen. Danach kam die zweite Pfuhre Vanillekipferl in den Ofen und wir reichten der Oma und ihrer Freundin, der Nachbarin, die jeden Abend zum Dominospielen vorbeikommt, einen Keks. Ausserdem fragten wir Laurins Mutter, ob sie mir ein Taxi rufen könne, weil meine Eltern meinten, dass sie das machen soll, bei einer Linie, die sicher ist (es war inzwischen schon nach sechs, das heisst, dunkel. Geregnet hatte es zum Glück nicht.) Das Problem war aber, dass Laurins Mutter quasi nie das Taxi nimmt, weshalb sie bei der Auskunft angerufen hat, um eine Nummer zu erfragen. Letztendlich hatte sie drei verschiedene Taxilinien und bei keiner ging jemand ran und am Ende rief sie beim Schwager von einem Bekannten an, oder so in die Richtung. In der Zwischenzeit probierten wir den Pfluchen und beschlossen, dass das Experiment eindeutig missglückt war, aber immerhin waren die Vanillekipferl geniessbar (auch wenn sie eindeutig nicht nach Vanillekipferln schmecken. Sondern irgendwie seltsam. Aber was solls)
Kurz vor sieben kam dann auch der Mann in seinem Auto, das man fast als Antiquität durchgehen lassen könnte und in dem man auf gerader Strecke unglaublich durchgeschüttelt wird, aber letztendlich kam ich dann doch wohlbehalten bei mir daheim an, hab dem Security-Mann einen Keks angedreht und hatte doch noch einen netten 1. Advent.

Sonntag, 28. November 2010

Dialogarbeit.

An der Rezeption liegt eine Reservierung für eine jüdisch-arabische Dialoggruppe, die hier nächstens eintreffen wird.
Auf dem Anmeldungsbogen ist handschriftlich vermerkt:
Please seperated rooms for Jews and Arabs. (Bitte getrennte Räume für Juden und Araber).
Ja. Die nehmen das wirklich ernst.

PS: Während bei meiner hochverehrten Cousine die Regenzeit nicht endet, fängt sie hier nicht. Seit Anfang Oktober rechnen alle mit sintflutartigen Regenfällen, bisher ausgeblieben. Und eine israelische Bauernregel besagt: Je später der Regen kommt, desto stärker wird er werden. Na dann Prost.
PSS: Einen gesegneten Ersten Advent wünsche ich euch! (der hier fast völlig unbemerkt vorbeigegangen ist. Wir saßen nachmittags nach der Arbeit in der Sonne im Gras, haben Baklava gegessen und arabischen Kaffee getrunken. Kein Rentier weit und breit...).

Immer dieser Regen.

Mein Reiseführer sagt: Venezuela hat eine Trockenzeit (etwa November/Dezember bis April/Mai) und eine Regenzeit (das restliche Jahr über).
Mein Kalender sagt, dass heute der 28. November ist, also müsste diese Trockenzeit langsam anfangen, allerdings hat es nicht den Anschein, der Wetterbericht sagt nämlich, dass es bis Mittwoch regnen wird.
Eigentlich wollte ich Freitag mit ein paar Freunden eine Filmnacht veranstalten. Kaum sind wir allerdings aus der Schule getreten, hat es angenfangen zu regnen, und das wurde dann immer mehr, bis es gegen zwei wirklich unglaublich geschüttet hat. Und das bis halb fünf. Dann hat der Regen nachgelassen und wir sind ins Auto und losgefahren Richtung Puerto la Cruz (die Filmnacht fand im Haus von einem Freund statt, das aber ziemlich weit weg von uns ist, weshalb meine Eltern mich zu Fabiana nach Puerto bringen wollten, wo auch schon Laurin war.) Wir fuhren also ein Stück, aber irgendwann rief ein Freund von meinem Gastvater an, der in Puerto wohnt, und meinte, dass da kein Durchkommen sei, weil das Wasser auf der Strasse stünde und sich dadurch ein Stau gebildet hätte. Also sind wir wieder umgekehrt, mit dem Plan, es etwas später nochmal zu probieren, haben Pizza gemacht, gegessen und kaum hatten wir die Autotüren geöffnet, piepste das Handy meiner Gastmama (sie hat ja ein BlackBerry, und BlackBerries haben so eine Funktion, mit der man kostenlos Nachrichten an andere BlackBerries verschicken kann, und da gibt es wieder was, mit dem man so eine Art Gruppennachricht an alle seine Kontakte verschicken kann.) Jedenfalls bekam sie so eine Gruppennachricht, in der mehr oder weniger stand: 'Liebe Freunde in Puerto la Cruz und Umgebung. Bitte versucht in nächster Zeit nicht, die Strasse nach Puerto zu benutzen, da sie komplett unter Wasser steht. Wenn du der Allgemeinheit helfen willst, schicke diese Nachricht ...' Inzwischen hatte es auch wieder angefangen zu regnen, wenn auch nicht so stark. Also ein zweites Mal wieder umgekehrt.
Und schliesslich und endlich beschlossen wir, es einfach zu lassen, weil ich auch aus unerfindlichen Gründen unglaublich müde war, und ausserdem Fabiana und Laurin auch nicht wegkamen, weil das Erdgeschoss ihres Hauses unter Wasser stand oder so ähnlich, und so legte ich mich um acht ins Bett und schlief bis am nächsten Morgen um halb zehn durch.
Es gibt eine Zeitung, da sah man ein paar Bilder vom Wasser, aber die sind irgendwie schon wieder verschwunden, was jetzt recht doof ist, weil ich doch eigentlich den ganzen Eintrag nur geschrieben habe, um diese Bilder zu posten, und jetzt finde ich die nicht mehr. Aber immerhin habt ihr mal wieder was von mir gehört.
übrigens super, dass es immer zu Wochenende anfängt so zu regnen, dass man das Haus nicht verlassen kann.

Donnerstag, 18. November 2010

Welcome to Palestine.

Halala! (Das ist das arabische Wort für WILLKOMMEN. Zumindest glaube ich das. Jolan und Raffael wissen das sicher besser, die beiden sind dank ausgesprägtem Islam-Interesse und Auslandsaufenthalt bei arabischer Familie in Nazareth sozusagen Experten, und darum war es natürlich nur naheliegend, mit ihnen in die Westbank zu fahren).
Nachdem mir also um zwei Uhr morgens einfiel, dass mein Pass noch sicher verwahrt im Safe des Bussehouses lag (zum Glück war Augustin noch so wach, dass er die Alarmanlage ausschalten und meinen Pass in der Sammelbox finden konnte), machten wir uns sechs Stunden später mit dem Bus auf in Richtung Afula - Jelome-Checkpoint - Jenin - Nablus. Es war nicht leicht, aber nachdem wir eine Weile in der prallen Sonne die Straße entlanggetrottet waren, konnten wir tatsächlich einen Autofahrer überzeugen, uns drei samt unserer mehr oder weniger großen Rucksäcke (ich sage nur: Greta Garbo) durch den Checkpoint bis nach Jenin mitzunehmen, und dort stiegen wir in ein Sherut nach Nablus.



Nablus ist die größte Stadt in der Westbank (oder Palestine, wie die Leute dort sagen) und angeblich die viertälteste Stadt der Welt (Platz Eins belegt Jericho). Bei 30 Grad im Schatten und angekleidet mit langer Hose, T-Shirt ohne Ausschnitt, einer Jacke mit langen Ärmel und einem Schal, um auch noch die letzten Reste von Unzüchtigkeit zu verstecken, sind wir trotzdem aufgefallen wie die bunten Hunde, aus dem einfachen Grund, dass ich kein Kopftuch trug. Das tun nämlich 95 Prozent der Frauen in Nablus, während sich der Großteil der Männer kaum von Italienern unterscheidet (einschließlich der protzigen Goldketten um Arme und Hals).
Es ist sehr verwirrend: alle Leute dort sind unglaublich gastfreundlich und hilfsbereit: wenn man sie nach dem Weg fragt und das ganze an mangelnden Englisch- bzw. Arabischkenntnissen auf der anderen Seite scheitert, lassen sie einen keineswegs einfach weiterziehen, sondern schreien und gestikulieren so lange, bis sie jemanden gefunden haben, der genug Englisch spricht, um einem den Weg zu erklären. Andererseits hängen überall in den Gassen Plakate mit größtenteils bewaffneten 'Helden' - die während der zweiten Intifada israelische Soldaten getötet haben und dabei gestorben sind - die allein durch ihre Masse einen leicht beklemmenden Eindruck verbreiten. Die Intifada ist sowieso immer noch allgegenwärtig, sei es in Form von Gedenktafeln, über denen auf Arabisch und Englisch NEVER FORGET NEVER FORGIVE steht, oder der Menschen, die einem begegnen und nicht nur seelische Narben davongetragen haben: vor einem Geschäft trafen wir einen Mann, der gleich sein Hemd hochgezogen hat, um uns die Einschusslöcher auf Höhe des Blinddarms und die lange Narbe über den gesamten Bauch durch eine Messerstecherei zu zeigen.






Ein Shopbesitzer (sein Laden gleicht einem Theaterfundus, er verkauft Kleider, Poster, allerlei Krimskrams, und außerdem stellt er innerhalb von anderthalb Minuten Fake-Goldrahmen her), den wir auf der Straßen getroffen hatten, nahm uns erst mit in eines der Baklava-Cafés, um uns genau zu zeigen, wie man Kunavi und Gulaasch herstellt (beides enthält kein Fleisch, sondern ganz viel Zucker und Ziegenkäse und schmeckt wesentlich besser, als es klingt). Anschließend verbrachten wir noch eine lange Zeit in seinem Geschäft, tranken arabischen Tee und Kaffee mit ihm, ließen uns erzählen, wie er Arafat und King Hussein von Jordanien getroffen hatte, und sprachen über den Frieden mit den Israelis. Einerseits war er ziemlich liberal und meinte: "Wir wollen keinen Krieg mit den Israelis, und sie wollen keinen Krieg mit uns. Die einzigen, die keinen Frieden wollen, sind die Regierungen" und "Es wird Zeit, dass der Frieden kommt. Meine Generation will ihn noch, aber meine Kinder werden ihn nicht mehr wollen, weil sie ihn nicht gewöhnt sind", andererseits lehnte er aber ganz kategorisch ab, dass Jerusalem die Hauptstadt des jüdischen Staates werden könnte, denn für ihn ist Jerusalem nur für die Muslime eine Heilige Stadt.
Am Ende wurde er jedoch etwas aufdringlich mit seinen Kaffee-Angeboten und dem Versuch, mich an einen Palästinenser zu verheiraten, darum machten wir uns auf die Suche nach dem Mittagessen. Wir standen gerade vor einem Falafel-Stand, als wir von einem anderen Mann angesprochen wurden. Zuerst dachten wir, dass er einfach nur ein aufdringlicher Falafel-Stand-Besitzer wäre, der versuchte Kundschaft zu gewinnen, dann stellte sich aber heraus, dass er einen Malereibetrieb hatte. Trotzdem lud Abdallah (das war sein Name) uns zum Mittagessen ein und zeigte uns den ganzen Nachmittag über die Altstadt von Nablus, was sich als wahrer Glücksfall herausstellte, weil er tatsächlich eine Ahnung davon hatte, welche Gasse wohin führte; und außerdem kannte er eine Menge Leute. So zeigte er uns zum Beispiel einen Gewürzladen samt Hinterzimmer, wo die Gewürze in riesigen Säcken aufbewahrt wurden und die Maschinen standen, in denen sie gemahlen wurden. Weiter ging's ins Türkische Bad (ja, über dem Brunnen hängt wirklich ein ausgestopftes Krokodil), wo es mehr Tee und Kaffee gab sowie einen kostenlosen Rundgang und äußerst schweißtreibenden Rundgang. Abschließend lud er uns noch zu sich nach Hause ein (seine Frau war in Holland aufgewachsen und nahm die Gelegenheit, mit Jolan Holländisch zu spreken, gerne wahr). Voller Stolz zeigte uns Abdallah zum Abschluss sein Auto (rot, aus dem Jahre 1975, ohne Anschnallgurte oder funktionierenden Tacho, dafür mit ausgeprägtem Benzingestank im Inneren), fuhr uns auf den Berg, um uns einen nächtlichen Ausblick über Nablus zu bescheren, und dann bei seinem besten Freund vorbei, einem Arzt, der 40 Jahre in Deutschland gearbeitet hatte. Auch wenn wir während seines ersten deutschen Satzes nicht einmal bemerkten, dass er Deutsch sprach, kamen seine Sprachkenntnisse schnell zurück und wir diskutierten bei mehr Kaffee über deutsche Innenpolitik und Al-Quaida. Der Kaffee scheint ihn übrigens bis nach Deutschland begleitet zu haben, denn er schrieb seine Doktorarbeit über folgendes Thema: 'Pharmakalogische Wirkung von unbehandelten und behandelten Kaffeeproben auf Zentralnervensysten, Darm und Galle'.
Am nächsten Morgen machten wir uns auf die Suche nach einem Taxi und durchquerten dabei den Souk: gerammelt voll, die Händler schreien mit einer Leidenschaft, die mich stark an die Szenen in Herr-der-Ringe erinnerte, wenn die Waffen verteilt und die Motivations-Rede vor der Schlacht gehalten wird, und über den Respekt eines Tierlebens lässt sich streiten:





Ergänzungsweise gab es noch einen Kuhkopf auf dem Boden, der einen aus halbgeschlossenen, blanken Augen (nicht mehr) anstarrte und aus dessen Halsöffnung noch 20 Zentimeter Zungenmuskel hingen, und mehrere äußerst blutige Schafsköpfe. Ich musste schlucken, Raffael und Jolan bestellten gleich das nächste Shawarma-Sandwich.
Schließlich fuhren wir auf den Mount Gerizim nach Kiryat Luza, wo eine der beiden einzigen Samariter-Gemeinden in Israel liegt. Es gibt heute nur noch 547 Samariter, und sie sagen von sich, allein noch nach der ursprünglichen Tora (bestehend nur aus den 5 Büchern Mose) zu leben: nach ihrer Ansicht wurde das Judentum von den im Exil lebenden Juden verfälscht. Wir besichtigten die Spitze des Berges, auf der sowohl die Synagoge mit dem Opferplatz liegen, auf dem Samariter Pessach die Schafe schlachten (denn für sie ist Mount Gerizim der Ort, an dem Abraham Isaak opfern sollte), und eine Moschee, die aus Saladins Zeiten stammt. In den letzten 900 Jahren scheint sich jedoch einiges verändert zu haben, denn der einzige Eingang in die Moschee war ein Fenster in der Felswand in 3 Metern Höhe, was uns eine ganz schöne Kletterpartie einbrockte.
Anschließend hatten wir das Glück, im dorfinternen Museum den zukünftigen Hohepriester der Samariter zu treffen (sozusagen an erster Stelle auf der Warteliste), der uns etwas über Alt-Hebräische-Torarollen erzählte und Jolan eine Tora verkaufte. Zufrieden machten wir uns auf den Rückweg und während wir am Checkpoint auf unser Taxi warteten, unterhielten wir uns noch etwas mit den dort stationierten Soldaten. Es ist übrigens wahr und nicht übertrieben: wenn ein israelischer Soldat sein Maschinengewehr verliert, drohen ihm bis zu sieben Jahre Gefängnis.
Die Rückreise ging überraschend schnell; wir hatten damit gerechnet, ewig lange am Checkpoint aufgehalten zu werden (man darf die Westbank nämlich nicht zu Fuß verlassen). Der bot übrigens ein gruseliges Bild: eine lange Autoschlange wälzt sich auf ein Gebilde zu, dass mit den Wachtürmen und dem Stacheldraht an eine Mischung aus KZ und Klischee-Amerikanisches-Gefängnis erinnert, dazwischen laufen Kinder und Jugendliche herum und versuchen, Salat und Plastik-Teletubbies zu verkaufen. Nachdem wir also eine Viertelstunde lang ratlos zwischen den Autos gestanden hatten, winkte uns einer der Soldaten heraus und ließ uns einfach an den Autos vorbeimarschieren. Wir mussten noch schnell unser Gepäck durchleuchten lassen und schwups - waren wir wieder zurück in Israel.
In Nes Ammim hatten wir auch nicht sonderlich viel verpasst, zumindest nichts erfreuliches: während des Wochenendes war mitten im Feld ein 70-Zentimeter-Durchmesser-Rohr geplatzt, was zur Folge hatte, dass sechs Ortschaften inklusive Nes Ammim ohne Wasser waren, und da es natürlich keine Vorwarnung gegeben hatte, mussten wir irgendwann dazu übergehen, Wasser aus dem Pool zu schöpfen, um den Toiletteninhalt hinunterspülen zu können (Zitat des Wochenendes von Kevin: 'If it's yellow, let it mellow, if it's brown, flush it down').

Dienstag, 9. November 2010

Warten ist was für Erwachsene.

Demnach muss ich leider feststellen, dass ich tatsächlich das Erwachsenenalter erreicht habe. Das Bildungs- oder Kultus- oder irgendein anderes Ministerium veranstaltet nämlich mehrmals pro Jahr Seminare für deutsche Volontäre, die in Israel leben, und auch wir in Nes Ammim fanden dafür eine Einladung in der Postbox. Weil ich mich aber ungefähr einen halben Tag zu spät angemeldet habe, stand ich dann nur auf der Warteliste (bahh), und als dann ein paar Tage vor Seminarbeginn immer noch kein mysteriöses Massensterben unter akzeptierten Volontären eingesetzt hatte, beschlossen Augustin (der wohl ebenfalls schon erwachsen ist) und ich, die freien Tage zu nutzen und nach Tel Aviv zu fahren.
Natürlich hatte sich die israelische Bahn genau wieder diese Tage ausgesucht, um an den Schienen zu arbeiten (erneut, und nie merkt man hinterher etwas davon), darum war der Zugverkehr stark eingeschränkt, und selbst für den Ersatztransport nach Kiryat Motzkin, dem nächsten Bahnhof in Betrieb, gab es Ersatztransport, sodass wir noch einmal in Hamifratz und in Hof HaKarmel den Bus wechseln mussten. Schließlich schafften wir irgendwann gegen Mitternacht, den dem Busbahnhof nächstgelegenen Bahnhof in Tel Aviv zu erreichen, aber natürlich fuhren dann keine Busse mehr. Wir zockelten also noch durch das nächtliche Tel Aviv und erreichten schließlich ein Youth Hostel, das direkt am Strand lag (zugegebenerweise war das nachts nicht mehr festzustellen). Als ich am nächsten Morgen in meinem Etagenbett im Schlafsaal aufwachte, stelle ich zwei Dinge fest:
Erstens war ich das einzige Mädchen im Zimmer, und zweitens befand sich ungefähr die Hälfte der Männer draußen auf dem Balkon, um unter Anleitung von Vaughn, dem Fitnesstrainer aus Südafrika, laut schnaufend und schwitzend ihre Liegestützenfähigkeiten zu verbessern. Wenigstens wissen diese Leute, wo die Duschen im Haus zu finden sind, und so konnten wir uns eine Stunde später (nach trocken Toast mit Instant-Kaffee) auf den Weg machen, an der Strandpromenade entlang nach Jaffa.



Tel Aviv scheint dem Schönheitswahn verfallen, viele Menschen sieht man zwar tagsüber nicht, aber dafür gibt es auf allen Spielplätzen Fitnessgeräte für Kinder. Früh übt sich eben.
An sich hat Tel Aviv erstaunlich wenig zu bieten an Museen oder Sehenswürdigkeiten, aber wenn man nicht den Bus nimmt, lässt's sich aushalten, denn der Kontrast von relativ beschaulichen Vierteln und dem Wolkenkratzer darüber, sobald man den Kopf hebt, ist doch beeindruckend. Wir liefen jedenfalls. Und liefen. Die gesamte Promenade hinunter nach Jaffa, bis hinunter zum Hafen, durch Neve Tzedek wieder in die Stadtmitte und noch weiter nach oben, bis zum Dizzengoff Centre, und dann wieder runter, die Rezeption des Hostels, in dem wir übernachten wollten, hatte nämlich abends geöffnet (und befand sich im vierten Stock, aber das wussten wir zum Glück noch nicht, als die Tür summend aufsprang). Jedenfalls fanden wir einen wirklich guten Falafel-Stand, an dem es sogar umsonst Pommes als Beilage gab ("Berlin, Berlin, here, for you!") und fanden schließlich bei unserem ausgedehnten nächtlichen Spaziergang heraus, dass orthodoxe Juden nach Einbruch der Dunkelheit gern Kinderspielplätze aufsuchen. Auf dem Rückweg trafen wir auch noch einen betrunkenen Deutschen, denn Schalke hatte an diesem Abend gegen Tel Aviv gespielt (0:0). Wir tauschten ein paar Höflichkeitsfloskeln aus und stellten fest, dass wir den deutschen Humor ("Wo wohnt ihr? Wie lange seid ihr schon hier? Ich muss leider eure Reisepässe sehen. - HAHAH! SCHERZ!") gar nicht vermisst hatten in den letzten vier Monaten.
Am nächsten Morgen hatten wir uns mit Matze und Sven verabredet, die es ins Seminar geschafft hatten und an diesem Morgen in Tel Aviv weilten. Natürlich verschliefen wir (es sei nur soviel gesagt: es war NICHT meine Schuld) und mussten uns doch dafür entscheiden, ein Taxi zu bemühen. Natürlich gerieten wir an den einzigen Taxifahrer, der kein Englisch konnte, weder den Rabin-Square noch die City Hall kannte, vor jedem Zebrastreifen pflichtbewusst bremste und mit uns auf Hebräisch über deutsche Autos und Al-Quaida diskutierte. Wir kamen eine halbe Stunde zu spät an, und Matze und Sven hatten tatsächlich draußen auf uns gewartet, um uns möglichst schnell in den elften Stock hochzubugsieren. Dort hatten wir ein Gespräch über israelische Politik mit einer Frau, von der ich immer noch nicht genau weiß, wer sie war, weil wir die Vorstellung verpasst hatten, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sie zu einer linken israelischen Partei gehörte. Sie hat zum Beispiel erzählt, dass an israelischen Universitäten und Schulen immer mehr darauf geachtet wird, dass die Lehrenden nichts falsches erzählen: "Natürlich besteht Lehrfreiheit, aber nur, solange keine antizionischistischen Meinungen geäußert werden". Danach versammelten wir uns noch auf dem Rabin-Square (Rabin war der israelische Ministerpräsident, der sich sehr für den Frieden zwischen Israelis und Palästinensern eingesetzt hat (er hat 1994 sogar den Friedensnobelpreis verliehen bekommen, zusammen mit Peres und Arafat), und dafür wurde er dann am vierten November 1995 während einer Friedenskundgebung auf dem damaligen Platz der Könige Israels von einem fundamentalistischen Juden erschossen).
Während dann die Seminar-Gruppe weiter Richtung Westbank fuhr, verbrachten wir tatsächlich noch den Nachmittag am Strand. Es ist hier nämlich noch warm im November. Gut, nur solange die Sonne da ist, aber als die unterging, machten wir uns auch wieder auf den Rückweg nach Nes Ammim.



Der nahm dann auch über sechs Stunden in Anspruch, und als wir um zehn Uhr in Regba aus dem Bus kletterten, hatten alle Menschen in Nes Ammim beschlossen, nicht an ihr Handy zu gehen, damit wir auch niemandem mitteilen konnte, dass wir gerne abgeholt worden würden. Wir stapften also los, durch Regba hindurch, und als wir am anderen Dorfende ans Tor kamen, öffnete es sich (natürlich nicht). Wir versuchten alles (in die Kamera winken, den Zaun nach Löchern absuchen, mit vollem Tempo auf das Tor zulaufen, We shall overcome singen). Es blieb uns nichts anderes übrig, wir mussten wieder zurücklaufen und dann noch einmal ganz außen rum. Die verbleibende Stunde Fußweg brachten wir also mit dem Nacherzählen von Horrorfilmen, in denen es um einsame Straßen im dunklen Feld geht (ganz schlechte Idee) sowie angestrengtem Gegrübel, warum wir den Großen Wagen nicht am Himmel finden konnten (vermutlich hat er Orion überfahren und anschließend Fahrerflucht begangen, aber die Hypothese konnten wir nicht mehr bestätigen). In dieser Zeit bretterten drei Autos (einschließlich der Polizei, Freund & Helfer, haha) an uns vorbei, ohne unsere verzweifelten Versuche, auf unseren Hitchhiking-Wunsch aufmerksam zu machen, zu beachten. Wären wir Soldaten gewesen, wäre das vermutlich einfacher gegangen, Israel ist das einzige Land, in dem dich die Leute bereitwilliger mitnehmen, wenn du ein Maschinengewehr dabei hast. Aber, wie man so schön sagt: Es wird alles gut, wenn man nur lange genug wartet. Wir warteten ziemlich lange, aber ungefähr 800 Meter vor Nes Ammim erbarmte sich einer unserer Mieter, packte alle Kindersitze in den Kofferraum und fuhr uns direkt bis vor die Haustür.

Dienstag, 2. November 2010

Pleiten, Pech und Pannen.

Eigentlich fing alles schon Dienstag letzter Woche an, ich wurde ein bisschen krank, aber nicht so, dass es genug ist, nicht in die Schule zu gehen. So schleppte ich mich also Dienstag und Mittwoch zum Unterricht, was ziemlich furchtbar war, unglaublich laut und chaotisch (ich gebe zu, ich habe im Unterricht geschlafen, mich wundert aber immer noch, wie ich das geschafft habe, bei der Lautstärke und bei den unbequemen Tischen.) Mittwoch war ich dann noch endlich meine Bücher kaufen und ausserdem Sachen für ein Bioexperiment, das am nächsten Tag durchgeführt werden sollte (zum Beispiel vier Gläser Babykompott, Watte, Bier, Hefe und noch einige andere Dinge-?!) und eigentlich wollte ich Donnerstag mit Laurin, einem Deutschen aus meinem Komitee und einer Freundin von ihm ins Kino, allerdings wusste ich nicht ganz sicher, ob ich kommen kann, weil ich erstens ja angeschlagen war und mich Mittwochabend schon recht schlecht fühlte und zweitens, weil meine Gastmama meinte, dass ihre Frisöse um zwei kommt und sie nicht weiss, ob die bis um halb fünf fertig ist. Okay. Jedenfalls hatte dann die andere Freundin auf einmal auch keine Zeit mehr und so haben wir die ganze Sache verschoben. Damit fiel also ein Grund weg, Donnerstag in die Schule zu gehen (der zweite war das Bioexperiment, für das wir extra eingekauft hatten, aber der war mir dann Donnerstag um sechs Uhr morgens nicht genug) und ich verbrachte meinen Tag mit Schlafen, Tee trinken und mich selbst bemitleiden. Freitag war für meine Klasse frei, auch wenn ich nicht weiss wieso, aber das war ganz gut und ich konnte meine Grippe, die inzwischen von Kopf und Nase in Nacken und Hals gewandert war, weiter auskurieren. Okay, nachmittags wollte ich dann spontan noch Laurin besuchen, aber der wohnt leider ein Stück weg und meine Mutter hatte noch was vor und mein Vater zu arbeiten und meine Mutter wollte mich nicht im Taxi fahren lassen (was hier ganz billig ist, aber ich kann sie irgendwie auch verstehen), weshalb ich dann nur zum Farmatodo spaziert bin und etwas eingekauft habe und sonst nicht mehr weg, was aber wahrscheinlich besser für meine Gesundheit war.
Samstag sind wir dann um halb sieben aufgebrochen Richtung Caracas, haben Früstück gekauft, so kleine Pastelitos mit Käse-Kartoffel-Füllung, das war sehr lecker. Nach ungefähr zwei Stunden fiel mir auf, dass die Oma noch im Auto sass. Aha. Mit der Oma in Caracas. Meine Laune sank. Nach ziemlich genau vier Stunden Fahrt kamen wir dann an am Haus meiner Tante, von uns aus gesehen wohl am Anfang von Caracas, in einer ruhigen Gegend, die mehr mehr wie ein Dorf vorkam. Aber das war wohl nur Einbildung. Während ich duschen war, haben die anderen Essen gekauft, Hähnchen, fritierte Yucca, Avocado und kleine Arepas, und wir haben zuerst mal zu Mittag gegessen. Danach brach meine Familie auf, um das Appartment meiner Oma auszumisten, oder so ähnlich. Eigentlich war geplant, dass Dani und ich bei der Tante bleiben, aber sie wollte dann doch mit, ich aber nicht, weil das ganze wohl ziemlich staubig war und meine Grippe sich inzwischen in den Bronchien niedergelassen hatte und ich sowieso schon gehustet habe. Ich ging davon aus, dass sie schnell wiederkommen und wir dann noch irgendwas unternehmen, ich meine, immerhin war ich ja in Caracas. übringens habe ich auch einen Cousin, ungefähr 21, der allerdings erst gegen zwei aufgetaucht ist, weil er noch gepennt hat.
Tja. Das Ende vom Lied war, dass ich zuerst am PC sass und mich gelangweilt habe und mich danach in das Bett gelegt habe, dass neben dem PC stand, weil ich furchtbar müde war, und zwei Stunden gepennt hab. Irgendwann kam noch ein Freund von meinem Cousin und die zwei haben am Laptop meiner Mutter rumgebastelt und ein bisschen mit mir geredet und dann sind wir noch zum Haus von dem Freund gefahren, um irgendwelche CDs zu holen. Das Haus war allerdings fünf Minuten entfernt und es war dunkel und es sah alles nicht sehr spannend aus. Meine Familie kam so gegen halb sieben wieder und alle waren furchtbar erledigt und wir haben zu Abend gegessen und sind schon gegen neun ins Bett, wo ich zuerst zum zweiten Mal hier das Ende von einem Film namens 16 Deseos und zum dritten Mal hier den Anfang von Verwünscht gesehen habe und dann habe ich beschlossen zu schlafen, was allerdings nicht so gleich geklappt hat, weil ich ja am Nachmittag bis halb sechs geschlafen hatte.
Am nächsten Morgen haben wir gegen halb elf das Haus der Tante verlassen und sind in eine Bäckerei und haben dort im Stehen gefrühstückt und sind dann losgefahren Richtung Heimat- auf meine Frage, ob wir nicht hier irgendwas noch machen wollen, wurde gereizt reagiert. Ich meine, wir haben ja nur noch fast den ganzen Tag. Und ich bin eine Deutsche, für die Caracas so was wie eine andere Welt ist. Aber passt.
So fuhren wir also wieder nach Hause, ich war furchtbar frustriert, weil ich mir doch etwas mehr vom Wochenende erhofft hatte, als das Haus meiner Tante (ich meine, nichts gegen das Haus, das war wundervoll.) und genervt und musste mir wirklich auf die Zunge beissen, als die Oma mich zum dritten Mal innerhalb von drei Stunden gefragt hat, was das da auf meiner Stirn ist. Ja, stellen sie sich vor (die Oma wird gesiezt), das ist ein Pickel. Ja, ich weiss, ich darf nicht daran rumdrücken, dass macht die Haut hässlich. Und ich weiss auch, dass die Schuhe hechos en Venezuela sind, das haste mir jetzt schon zum sechsten Mal erzählt! Ich beschloss also die 'ich seh dich nicht, ich hab Kopfhörer auf'- Strategie anzuwenden und liess mich die ganze Fahrt über von Kurt Cobain anbrüllen, und so ging das alles einigermassen und meine Laune besserte sich, als wir noch Essen beim Chinesen holten (auch wenn das hier verhältnismässig langweilig schmeckt. Scharf wird hier nie gekocht, nirgends.)
Danach ging ich noch relativ spontan zum Geburtstag von einem AFSer (ein Venezolaner, ich hatte ihn beim AFS-Ausflug kennengelernt. Okay. Das ist übertrieben. Ich kann mich nicht erinnern, mit ihm geredet zu haben, und später hat er mich auf Facebook angefragt und mich also zu seinem Geburtstag eingeladen, das aber keine richtige Geburtstagsfeier war, sondern eigentlich einfach nur eine Reunion- also Freunde treffen.) Mein Vater brachte mich also zum Plaza Mayor, eine Art Einkaufszentrum mit Kegelbahn, Freizeitpark und allen möglichen anderen Sachen. Die ganze Sache war etwas seltsam, zuerst sassen wir ein bisschen auf einem grossen Platz herum, dann sind wir in eine Art Spielhölle für kleine Kinder (man kauft solche Chips und dann kann man Autorennen fahren und solche Sachen). Laurin war zum Glück auch da, weshalb ich nicht die einzige war, die sich etwas deplaziert fühlte. Irgendwann hatten sie fertig gespielt und wir sind Pizza essen gegangen und dann kam auch noch Fabiana und letztendlich hatten wir doch noch Spass- aber nur wir drei, mit den anderen hatten wir nicht so viel zu tun. Die ganze Sache war seltsam. Kurz nach halb neun haben Laurins Eltern mich noch heimgebracht, weil das auf ihrem Weg lag, aber da ich kein Guthaben mehr hatte, dachte ich mir, dass das wohl klargeht und ich nicht anrufen muss. Kaum hatte mir allerdings der Sicherheitsmensch die Tür zu unserer Hausanlage aufgemacht, kam eine SMS an: Nur damit dus weisst, wir holen dich jetzt ab. AY. Wie gesagt, ich hatte kein Guthaben mehr, um zu antworten, dass ich schon zu Hause bin. Also bin ich zuerst nach oben zur Wohnung gelaufen, um zu sehen, ob Dani da ist und mir aufmacht oder die Oma, aber Fehlanzeige. Also bin ich wieder runter zu dem Security-Mensch gelaufen und wurde immer panischer und aufgeregter und er erzählte mir, dass sie genau in dem Moment, in dem ich gekommen war, weggefahren sind. Er beruhigte mich wieder etwas und machte mir klar, dass ich sowieso nichts anderes tun kann als warten, dass sie anrufen. Also setzte ich mich auf die Treppe und wartete zwanzig Minuten, bis sie tatsächlich angerufen haben, und nach zehn weiteren Minuten waren sie wieder da und ich hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen, aber ich glaube, ich war die Einzige, die die Aktion so furchtbar fand. Ich war dann also froh, als ich duschen konnte.
Montag war auch nicht so der Bringer. Der Sportlehrer kam nicht, Geschichte, die Premilitarlehrerin kam nicht, Stromausfall, was zur Folge hatte, dass die Biolehrerin nur eine fette Hausaufgabe aufgegeben hat und dann den Unterricht beendet. Und für sowas quäle ich mich um sechs aus dem Bett. Und dann war noch nicht mal der Eismann, der normalerweise bei Schulende vor der Tür steht, da. Dann kamen wir heim und ich wollte nur duschen, allerdings war der Strom auch in der Wohnung ausgefallen, und kein Strom=kein Wasser. Und das mit dem Essen kochen ist dann auch begrenzt, obwohl wir einen Gasherd haben, aber zum Beispiel der Ofen oder der Mixer funktionieren nicht. Zum Glück ging der Strom aber schnell wieder an, nur das Wasser blieb noch weiter weg, aus welchem Grund auch immer. Nach dem Essen machte ich mich daran, eine Psychologie-Präsentation vorzubereiten, allerdings fiel mir auf, dass das, was ich machen sollte, unglaublich viel war, und schon war meine Lust wieder vergangen. Letztendlich bin ich zum Kiosk spaziert, um eine neue Telefonkarte zu kaufen und ich dachte mir, biste extra schlau und kaufst eine für 50 Bolivares, damit dir nicht so schnell das Guthaben wieder ausgeht. Hier sind das noch so richtige Karten, die man freirubbeln muss, was ich dann daheim angekommen auch machte- allerdings nicht mit einer Münze und letzendlich hatte ich ein paar Zahlen mitgerubbelt. AAH!! Dann kam meine Mutter heim, die irgendwie ausgeflogen war, und meinte, ich solle runter, weil Renata mich abholen würde, um zur Musikschule zu gehen. Ich hatte verstanden, dass sie schon unten wartet, und hetzte los, um aber unten noch ein bisschen zu stehen. Singen konnte ich noch nicht und Renata noch weniger, der Gitarrenlehrer hat ihr letzendlich verboten, zu reden, damit sie ihre Stimme bis Freitag wiederhat, da ist nämlich das CaféConcert. Letztendlich fiel dann um halb zehn, als ich duschen wollte, wieder der Strom aus, und schlafen konnte ich bis halb zwölf nicht.
Und heute hat es den ganzen Nachmittag furchtbar geregnet und es war ganz duster.
Aber macht euch keinen Sorgen um mich, als ich gestern zwei Freundinnen von meinem Wochenende erzählt habe-lachend- meinte die eine, ob in Deutschland alle Leute so sind wie ich, wenn sie so ein frustrierendes Wochenende hinter sich hätte, würde sie nicht lachen, sondern weinen. Also, das wird schon.