Mittwoch, 8. November 2017

Ein Prosit Blumenau

Zuerst hatte ich nichts zu erzählen und dann war plötzlich so viel auf einmal los, dass ich nicht dazu kam, einen Blogeintrag zu schreiben- aber das hole ich jetzt alles nach. Nachdem ich in den ersten zwei Monaten gefühlt nichts außerhalb von Curitiba unternommen habe, war ich jetzt die letzten paar Wochenenden in halb Brasilien unterwegs und bin jetzt ganz froh, mal wieder länger als vier Tage am Stück daheim zu sein.
Ich fange jetzt einfach mal von hinten an, mit unserem Ausflug zum Oktoberfest in Blumenau. Ganz Südbrasilien ist geprägt von europäischen Einwanderern (also, ganz Brasilien ist natürlich geprägt von europäischen Einwanderern. In anderen Regionen sind aber die Indigenen- und die Afro-Einflüsse viel stärker und in Südbrasilien waren es neben den Portugiesen vor allem italienische und deutsche Einwanderer.)
Vor allem im Bundesstaat Santa Catarina gibt es viele Siedlungen, die von Deutschen gegründet wurden und die noch heute auf ihre deutschen Wurzeln stolz sind und diese Kultur pflegen. Eine dieser Städte ist Blumenau, 1850 von Hermann Bruno Otto Blumenau gegründet (so viel Selbstbewusstsein muss man erst mal haben, eine ganze Stadt nach sich selbst zu benennen. Ich sehe momentan irgendwie noch keine Stadt namens Späth vor mir). Ich machte mich am Samstag um sieben Uhr morgens mit Friederike und Marion, zwei anderen Austauschstudentinnen, auf den Weg. Von Curitiba aus fährt man ungefähr vier Stunden durchs Hinterland, mitten durch den Atlantischen Regenwald und vorbei an vielen kleinen Dörfern. Blumenau hat gut 330.000 Einwohner und ist irgendwie eine komische Stadt. Das Rathaus sieht aus wie ein riesiges Schwarzwaldhaus mit Palmen davor. Wir haben in einem Airbnb am Stadtrand übernachtet und hatten einen schönen Ausblick auf den Regenwald. Es gibt viele Restaurant- oder Straßennamen auf Deutsch, aber eigentlich können es die wenigsten- die meisten Leute, mit denen wir geredet haben, haben gemeint, dass sie zwar deutsche Vorfahren haben und ihre Großeltern oder sogar Eltern auch Deutsch können, aber sie selbst nicht.
Auf dem Rückweg zum Busbahnhof haben wir dann tatsächlich noch jemanden aus der Generation getroffen, in der die Sprache hängengeblieben ist: unser uber-Fahrer war schon etwas älter und hat uns in fast tadellosem Deutsch erzählt, dass seine Großeltern damals aus Deutschland gekommen sind und auch bis zum Ende kaum Portugiesisch konnten, weshalb er von ihnen Deutsch gelernt hat, an seine Kinder hat er das dann allerdings nicht mehr weitergegeben. Dann hat er uns noch erzählt, dass er einmal, vor vielen Jahren, mit der Trachtengruppe, die antike Fahrräder fährt, nach München eingeladen wurde und sie da mit den Fahrrädern beim Festumzug mitgefahren sind.

In der Innenstadt

Das Rathaus



Wir sind also gegen Mittag in Blumenau angekommen und haben uns dann ziemlich bald aufgemacht, um den Trachtenumzug anzuschauen, bei dem verschiedene Gruppen aus der Region durch die Innnenstadt ziehen. Die ersten paar Gruppen waren auch sehr traditionell, ältere Frauen in hübschen Dirndln und ältere Herren in Hosen, die einen ähnlichen Schnitt haben wie eine Lederhose, aber nicht aus Leder sind, sondern aus einfachem Stoff, direkt gefolgt von verschiedenen Blaskapellen und Schützenvereinen. Mit der Zeit wurde das ganze aber immer skurriler, die Outfits immer weniger traditionell, die Musik immer lauter und der Bierkonsum immer höher. Viele Gruppen haben einen Wagen dabei, hauptsächlich, um die Bierfässer zu transportieren und die Menge mit Musik zu beschallen. Hier bekamen wir schon einen kleinen Vorgeschmack auf die Musik des Abends: im Repertoire gibt es ein paar deutsche Lieder (zum Beispiel das Fliegerlied und Drei Chinesen mit dem Kontrabass), ein paar Lieder über Blumenau auf Deutsch und dann noch ein paar auf Portugiesisch.
Die Stimmung war gut, auch wenn es irgendwann anfing zu regnen. So richtig sicher waren wir uns nicht, wie wir das ganze finden sollten-irgendwas zwischen Tradition und Karneval, zwischen Deutschland und Brasilien, zwischen lustig und skurril.







Abends sind wir dann losgegangen zur Vila Germânica, eine Art riesiges Messegelände, wo das Oktoberfest stattfindet. Für eine Stadt von dieser Größe ist die Anlage elf Monate im Jahr total überdimensioniert, aber im Oktober (dieses Oktoberfest findet nämlich tatsächlich im Oktober statt) herrscht für vier Wochen Ausnahmezustand, letztes Jahr hatte das Oktoberfest über 500.000 Besucher und war damit nach dem Original in München und einer Veranstaltung in Kanada nach Besucherzahlen das drittgrößte Oktoberfest der Welt. Unser Airbnb lag in Fußnähe zum Festgelände, wir zeigten unsere Eintrittskarten vor (der Eintritt kostet für Studenten ungefähr acht Euro, für andere das doppelte) und machten uns auf die Suche nach einem anderen Grüppchen von deutschen Austauschschülern, die schon einen Tag früher gekommen waren. So ging der Abend los, und so ging der Abend weiter: ständig hat man jemanden gesucht, gefunden, verloren. Die Anlage ist einfach riesig und kam mir zwischendurch sehr labyrinthartig vor, von einer Halle kommt man in die andere, alles ist voll, ähnlich, und man denkt zwischendurch, dass man nie wieder den Ausgang findet. Wahrscheinlich wäre alles nicht so kompliziert, wenn man sich alles bei Tageslicht und ohne Menschenmassen anschauen würde, aber mir kam alles sehr verwirrend und unübersichtlich vor. Der letzte Samstag des Fests ist anscheinend auch der vollste und auch von den Austauschstudenten aus Curitiba waren viele da (wenige habe ich tatsächlich getroffen). In jeder Halle spielte eine Band auf der Bühne, allerdings konnte man sie daran auch kaum unterscheiden: alle hatten ungefähr das gleiche Repertoire von höchstens 15 Liedern, die einem noch Tage später in einem wilden Remix durch den Kopf wirbeln (Und ich flieg, flieg, flieg wie ein Flieger- Zicke Zacke Oi Oi Oi Oktoberfest a gente vai- Eeeeeisgekühlter Bommerlunder- und ich flieg, flieg, flieg wie ein Flieger) Als Ausnahme kamen zwischendurch auch mal aktuellere Lieder, aber das war wirklich eher die Ausnahme. Ein paar der Bands kamen sogar extra aus Deutschland angereist, aber so genau konnte man das oft nicht unterscheiden und auch die deutschen Bands hatten nur eine sehr begrenzte Auswahl an Liedern im Gepäck (Ich kenne mich jetzt ja auch nicht so gut aus mit diesem Genre, aber das Fliegerlied ist jetzt ja auch schon ein paar Jahre alt und Helene Fischer habe ich kein einziges Mal gehört...) Die Bands hatten meistens auch noch ein paar Tänzer dabei, die auf der Bühne herumsprangen und Choreographien vorführten, die das Publikum dann nachgetanzt hat.
Übrigens dauert die Party auch bis in die frühen Morgenstunden und es gibt zwar ein paar Bierbänke, aber getanzt wird auf den Tanzflächen der verschiedenen Hallen. Das Bier gibt es in 0.4 Liter Plastikbechern. Vor allem draußen, vor den Hallen, gibt es viele kleine Fressbuden mit allerlei Essen, unter anderem auch deutschen Gerichten. Für uns gab es zwischendurch mal eine belegte Brezel, die richtig lecker war.



Noch ein Wort zum Dresscode der Oktoberfest-Besucher. Überraschend viele Leute kamen in Tracht, oder das, was sich daraus entwickelt hat. Während in Bayern Dirndl, die nicht bis zum Knie gehen, als Verunstaltung der Tracht gelten, sind hier in Brasilien der Fantasie keine Grenzen gesetzt. "Lederhosen" aus Stoff in allen möglichen Farben und Kleider im Dirndl-Stil, wo aber das eigentliche Dirndl nur bis unter die Bluse geht und die bei mancher bayrischer Oma bestimmt einen Herzinfarkt auslösen würden.  Außerdem, warum auch immer, hatten die meisten Mädels einen Kopfschmuck aus Blumen auf (den Trend haben wir dann auch mitgemacht- einer der Deutschen begrüßte mich mit den Worten: "Oh, hast du auch so einen Real-Life-Instagram-Filter auf dem Kopf?").

Zaki, ein Japaner aus meinem Sprachkurs-einer von denen, die ich
 zwischendurch gefunden und dann wieder verloren habe



Nun, wir hatten eine erlebnisreiche Nacht, mit viel Tanzen, Suchen und Finden, Herumdrängeln in der Menge, Warten in der Toiletten-Schlange, Bier und Brezn und eisgekühltem Bommerlunder und ich fand den Ausflug auf vielen Ebenen sehr interessant und lohnenswert (angefangen von der Party, bis hin zur durch Einwanderung geschaffenen Kultur, die man in Blumenau sehr gut beobachten kann).
Zum Abschluss hier noch ein Link zum Fliegerlied á la Blumenau, genießt es ;) 

Dienstag, 5. September 2017

Sala Cuna Cristo Vive Renca

Auch ich melde mich mal wieder. Heute werde ich etwas über den Alltag in meinem Arbeitsplatz, der Sala Cuna (was übrigens Kinderkrippe heißt), berichten. Bis Januar bin ich ja wie gesagt in der Sala Mayor, bei den ca. ein bis zwei jährigen Kindern. Nach inzwischen schon über zwei Wochen Arbeiten kann ich nun mehr über meine Alltag dort berichten.

so sieht die Sala Cuna von außen aus

Ich bin ab halb neun in der Sala und warte auf die ersten Kindern, bis neun sind die meisten auch anwesend, da es dann Milch gibt. Da einige Kinder schon zu Hause Milch trinken und dann nur an manchen Tagen in der Sala Cuna noch mal Milch wollen und man das aber vorher nie weiß, endet das manchmal in einer Milchpfütze auf den Tischen, dem Boden und meinen Klamotten. Die Mehrheit der Kinder kann schon selbst aus kleinen Tassen trinken, manchen muss man aber auch die Milch mit Löffeln einflößen. Anschließend stehen alle Kinder auf und tragen ihre Stühle ans andere Ende des Raums, wo dann die Morgenbegrüßung stattfindet. Dazu wird immer eine Kerze angezündet und es werden Lieder gesungen, die ich langsam auch mitsingen kann.
Danach haben die Kinder ungefähr 30 Minuten zum Spielen.

so sieht übrigens die Sala aus

In dieser Zeit probiere ich immer den Kindern neue Sachen beizubringen, die sie dann nachmachen. Es gibt beispielsweise zwei Tassen, in denen kleine Haselnüsse sind und dann sollen die Kinder die Nüsse von der einen Tasse in die andere Tasse kippen und das mache ich vor, damit sie es nachmachen können. Das ganze dient dazu, die Feinmotorik zu trainieren. Es gibt aber auch viele Tiere und Gemüse aus Plastik mit denen sie spielen können. In dieser Zeit werden alle Kinder zum ersten Mal gewickelt, was ich in ein paar Wochen auch anfangen werde (mal gucken wie mir das gefällt).
Zwischen viertel nach 10 und halb 11 gehen wir mit den Kindern auf den Hof, wo sie dann spielen können. Zusätzlich zu den großen Sachen, die man auf den Bildern sieht, gibt es auch immer noch so etwas ähnliches wie Bobbycars und Bälle, mit denen die Kinder spielen können.


das sind die Spielsachen auf dem Hof

Während die Kinder draußen spielen, macht immer eine Tía die Betten. Dazu holt man die Matratzen aus einem Schrank und bezieht für jedes Kind eine mit der eigenen Bettwäsche, die die Eltern von zu Hause mitbringen.

so sieht ein Bett aus, das ist ein Matrazenbezug und einem daran fest genähten Bettlaken und einer oder mehreren Decken oben drauf

Um elf gehen wir dann immer mit zwei Kindern rein, um ihnen die Hände zu waschen und setzen sie anschließend an die Tische fürs Mittagessen. Es gibt für jedes Kind immer Salat (meistens Tomate, Bohnen oder Rote Beete), einen Eintopf mit viel Gemüse und manchmal noch Spiegelei oben drauf und zum Nachtisch Obstsalat. Einige Kinder essen alles und würden gerne noch mehr essen, andere drehen ihre Schüssel einfach um und kippen alles auf den Boden. Auch hier muss man einige Kinder noch füttern und andere lange dazu überreden, dass sie nicht nur Nachtisch essen. Anschließend putzen wir den Kindern mit Feuchttüchern die Hände und das Gesicht und sie gehen noch mal auf den Hof.
Ab halb eins werden die ersten Kinder zum Wickeln und anschließend zum Schlafen reingeholt. Es gibt eine ungefähre Reihenfolge, wann welches Kind gewickelt wird, da man weiß, wer viel schläft (der wird dann am Anfang gewickelt, wohingegen die Kinder, die fast nicht schlafen, erst gegen viertel nach eins schlafen gelegt werden). Glücklicherweise schlafen nicht alle Kinder gleich lange, denn es wickelt nur eine oder zwei Tías und deshalb braucht das ganze seine Zeit.

schlafende Kinder

Von halb zwei bis halb drei habe ich meistens Mittagspause, manchmal auch ein bisschen früher. Anschließend gehen wir wieder in die Sala zurück und lösen die Tía ab, die dort eine Stunde alleine war, da ja alle Kinder schlafen (was meistens auch klappt). Ab viertel vor drei wachen die meisten Kinder dann auf, ich ziehe ihnen dann die Schuhe an und setze sie an den Tisch, an dem sie sich Bücher angucken und warten bis die Milch kommt. Währenddessen werden immer die Betten von den Kindern, die schon aufgestanden sind, aufgeräumt und wenn alle wach sind, werden die Tische wieder normal hingestellt, da sie verschoben werden mussten, um Platz für das Bettenlager zu schaffen
Nachdem die Kinder Milch getrunken haben werden die Kinder wieder gewickelt und richtig angezogen, da sie zum Mittagsschlaf nur eine Strumpfhose und einen Strampler anhaben. Die Kinder haben anschließend wieder ein bisschen Zeit zu spielen, bis wir gegen viertel vor vier mit der Nachmittagsaktivität anfangen. Das sind immer kleine Dinge wie Obst essen oder sich das Gesicht im Spiegel anzugucken oder zu schauen, wie sich Wasser durch Lebensmittelfarbe färbt usw. Ab viertel nach vier werden die ersten Kinder abgeholt. Kurz nach halb fünf, wenn alle Kinder abgeholt wurden oder in die andere Sala gebracht wurden, weil sie noch länger bleiben, putzen wir unsere Sala indem wir alles abwischen und anschließend wird der Boden gefegt und nass gewischt. Gegen viertel nach fünf sind wir fertig, dann gehe ich in die Sala von den Kleineren, in der dann immer noch sechs Kinder sind, von denen die Mütter länger arbeiten (das meiste sind Kinder von den Tías aus der Sala Cuna oder aus dem Kindergarten). Dort bleibe ich dann noch bis kurz nach halb sechs und laufe dann nach Hause.
Zu Hause muss ich mich immer erst kurz ausruhen, bevor ich irgendwas anderes machen kann, da die Arbeit ziemlich kräftezehrend ist. Ich freue mich aber abends schon wieder auf die Kinder, da sie wirklich alle sehr süß sind.
Liebe Grüße aus dem fernen Chile, am Donnerstag fliege ich übers Wochenende nach Buenos Aires, um da Pia und Sofia zu besuchen, darauf freue ich mich schon sehr.

Donnerstag, 31. August 2017

So schnell vergeht die Zeit...

...jetzt bin ich schon über einen Monat hier- und das ist erst mein zweiter Post. Das liegt vor allem an drei Dingen: erstens bin ich relativ viel unterwegs, zweitens bin ich auch ein bisschen faul und drittens habe ich irgendwie das Gefühl, dass hier nichts so spannendes passiert. Aber dann erzähle ich einfach mal ein bisschen aus meinem Alltag.

Unser Haus
Für einen Tag waren tatsächlich alle acht Zimmer bewohnt und ich habe tatsächlich alle Mitbewohner mehr oder weniger gut kennengelernt (einen habe ich bisher immer noch erst ein einziges Mal gesehen und das war morgens und ich war gerade aufgestanden und habe deshalb nicht richtig hingeschaut. Falls ich ihn also auf der Straße treffen würde, würde ich ihn nicht erkennen). Meine Lieblingsmitbewohner Alexandre und die zwei Mädels aus Amazonas ziehen jetzt aber leider wieder aus, weil das Haus relativ teuer ist, was ich sehr schade finde. Gestern ist jetzt noch ein anderer Austauschstudent aus Korea eingezogen, den habe ich allerdings auch erst zweimal kurz gesehen. Ich bin gespannt, wer jetzt dann in die wieder leer gewordenen Zimmer einzieht.

Die Uni
Ich habe vier Fächer und dann noch Portugiesisch. Dienstags und donnerstags Historiografia Brasileira, mittwochs und freitags Formacao economico do Brasil, donnerstagabends Historia do Brasil und dann dienstags eigentlich auch noch Estudos Hispanoamericanos, das hat allerdings immer noch nicht angefangen, weil die Professorin von einer anderen Uni kommt und die bürokratischen Vorgänge anscheinend immer noch nicht abgeschlossen sind. Meine Fächer sind also sehr geschichtslastig und bestehen daraus, dass man entweder einen Text im Unterricht liest oder, dass man zuhause einen Text liest und der Professor dann in der Stunde über den Text spricht. Das ist meistens ungefähr so spannend wie es sich jetzt anhört.
Drei Tage in der Woche (sobald das letzte Fach dann auch mal anfängt) habe ich um 7.30/8.00 Uni, das finde ich natürlich nicht besonders toll. Dienstags und donnerstags bin ich in der Reitoria, das ist quasi das Gebäude der Geisteswissenschaften, wo ich von mir daheim aus in 15 Minuten zu Fuß hingehen kann. Mittwochs und freitags ist der Unterricht auf einem anderen Campus, wohin ich mit dem Bus fahren muss. Mittags gehe ich manchmal ins Restaurante Universitario, kurz RU genannt, also quasi die Mensa. Dort kann man für 1,30 Reais (35 Cent) zu Mittag essen. Es gibt immer Reis und schwarze Bohnen und ein bisschen Salat, dazu dann eine Fleisch-Beilage, eine vegetarische Beilage und einen Nachtisch (manchmal in Richtung Pudding und manchmal eine Orange oder so). Nicht so besonders abwechslungsreich, aber für 35 Cent kann man sich nicht beschweren (es ist übrigens nicht alles so günstig hier, die Mensa ist anscheinend sehr stark subventioniert).  
Dann habe ich noch jeden Wochentag außer mittwochs von 14 Uhr bis 17 Uhr Portugiesisch-Unterricht. Wir sind in unserer Klasse 20 Leute: ein Australier, ein Kolumbianer, ein Bolivianer, dann mehrere Japaner, Koreaner und Chinesen und welche aus Benin, Kongo und Elfenbeinküste und eine Nonne aus der Ukraine. Und dann noch Friederike und ich. Das Unterrichts-Niveau ist etwas niedriger als in Deutschland, was manchmal ein bisschen nervig ist. Meistens ist es aber lustig und es wird viel gelacht und viel geredet. In der Pause trifft man immer noch die Studenten aus den anderen Niveaus, was ganz gut zum Kontakte knüpfen ist. Mittwochs gibt es immer ein kulturelles Angebot, da war ich aber bisher noch nie dabei: letzte Woche haben sie ein Stadion angeschaut, was mich irgendwie nicht interessiert hat, und diese Woche waren sie im Kino, aber das Wetter war so schön, dass ich stattdessen mit Friederike im Park war. Die besten Tage sind Freitage, da gehen wir immer noch nach dem Unterricht ein Bier trinken und ich hatte schon mehrere schöne Nachmittage.

(Brasilianische) Freunde
Das mit den brasilianischen Freunden ist bisher so eine Sache. Es ist relativ schwer, in der Uni Leute kennenzulernen: Man geht halt in den Unterricht, hört zu, und dann geht man wieder raus. Letzte Woche hat mich aber nach Historia do Brasil noch einer gefragt, ob ich noch mitkommen möchte, um ein Bier zu trinken und wir waren seither jetzt auch schon mal einen Kaffee trinken. Dann habe ich noch meinem Mitbewohner Alexandre, mit dem ich öfter mal frühstücken gehe oder abends noch chille und jeden Sonntag Game of Thrones geschaut habe, aber der zieht jetzt ja leider aus. Außerdem mache ich auch manchmal was mit Luiz, der unser Haus verwaltet und bei uns gerade gegenüber wohnt. Und dann gibt es noch meinen Buddy Leonardo: das Buddy-Programm wird von der Sprach-Abteilung der Uni organisiert. Es geht dabei um Sprach-Tandem und auch alles darüber hinaus, Leo hat mir schon bevor ich überhaupt da war geholfen, bestimmte Informationen zu finden. Er hat für ein Jahr in Deutschland studiert und spricht auch sehr gut Deutsch und wir treffen uns ein oder zweimal in der Woche abends. Meine sonstigen Freunde und Bekanntschaften sind hauptsächlich andere Austauschstudenten.

Wetter
Das mit dem Wetter hier ist so eine Sache. Letzte Woche war es gefühlt richtig kalt, vielleicht so 10 Grad. Da es ja nirgends Heizungen gibt, ist es dann auch im Haus und in der Uni kalt und man sitzt mit der Jacke da. Von einem Tag auf den anderen wurde es dann aber viel wärmer und heute hatte es über 30 Grad, also richtig sommerliche Temperaturen-nur so richtig trauen kann man dem ganzen irgendwie nicht (morgen soll es zum Beispiel wieder nur 15 Grad werden). Auch wenn es tagsüber warm ist, wird es, sobald die Sonne weg ist, wieder viel kühler. Wenn man also morgens früh aus dem Haus geht, ist Zwiebellook angesagt. Nachmittags kann man im Sommerkleid draußen sein und dann ab sieben braucht man wieder einen Pulli. Problematisch wird es immer, wenn man nachmittags raus geht und dann spontan abends noch etwas unternimmt... Aber ich will mich auch nicht beklagen, ich habe das schöne Wetter die letzten Tage sehr genossen und hoffe, dass der Sommer bald tatsächlich kommt.

Die Stadt
Als ich hier ankam, fand ich die Stadt erst mal super hässlich. Inzwischen habe ich aber schöne Ecken gefunden und mich wohl auch einfach ein bisschen daran gewöhnt- immerhin hat Curitiba 1,8 Millionen Einwohner (etwas mehr als München!). Es gibt viele Hochhäuser und bei der Stadtplanung wurde wohl hauptsächlich auf Funktionalität geachtet und nicht darauf, ob es schön aussieht. Trotzdem gibt es viele Parks und eine große Fußgängerzone, außerdem kenne ich mich inzwischen auch ein bisschen besser aus und bin nicht mehr ganz so verloren. Heute ware ich mit Friederike auf einem Aussichtsturm und in einem Park, davon kann ich euch jetzt immerhin ein paar Bilder zeigen.




Montag, 14. August 2017

Angekommen

Hallo,
mein Name ist Charlotte und ich bin die kleine Schwester von Sofia. Ich habe im Frühjahr 2017 mein Abitur gemacht und mich schon in meinem letzten Schuljahr dazu entschlossen, einen Freiwilligendienst in Chile zu machen.
Einfacherheitshalber werde ich nun einfach auch auf diesem Blog ab und zu etwas schreiben, damit unsere Familie nicht immer zwei Seiten öffnen muss, um enttäuscht festzustellen, dass wir nichts veröffentlicht haben.
Ich lebe nun seit fast einer Woche in Santiago de Chile zusammen mit drei anderen deutschen Freiwilligen. Ab nächster Woche werde ich montags bis freitags in der Sala Cuna Renca arbeiten, das ist eine Kinderkrippe, die eine Gehminute von unserem Haus entfernt liegt. Die anderen drei arbeiten in einem Kindergarten, der direkt neben der Kinderkrippe liegt.
Das erste Halbjahr, also bis Weihnachten, werde ich im Sala Mayor, bei den 1- bis 2-jährigen arbeiten, am Februar dann im Sala Menor, dort sind die Babys (zwischen 3 und 12 Monaten). Ich hatte bisher erst einen Schnuppertag, aber die Arbeit scheint sehr vielseitig zu sein. Sobald ich den Tagesablauf richtig durchschaut habe, werde ich darüber einen gesonderten Blogpost schreiben.
Wie Sofia auch bin ich über das weltwärts-Programm der Bundesregierung im Ausland, meine Organisation, die der Träger des Dienstes ist, heißt amntena (falls ihr nähere Infos über amntena wollt, könnt ihr auf der Homepage https://www.amntena.de/ mal nachlesen).
Da Chile ja auf der Südhalbkugel liegt, ist hier gerade Winter, was bedeutet, dass es relativ viel regnet und tagsüber um die 10 Grad hat, nachts oft auch nur 2 Grad. Seit unserer Ankunft regnet es beinahe jeden Tag, laut Wetterbericht soll es aber in den nächsten Tagen sonniger und wärmer werden. Durch den Regen wird der Smog aus der Luft gewaschen, weshalb man gestern, als mal kurz die Wolken weg waren, einen wunderbaren Blick auf die Anden hatte.
Leider sind chilenische Häuser wenig bis gar nicht isoliert und es gibt keine Heizungen, sondern nur einen Heizstrahler im Wohnzimmer, deshalb ist es vor allem in unseren Zimmern sehr kalt. Ich habe jedoch einen warmen Schlafsack aus Deutschland mitgebracht und mit einer zusätzlichen Daunendecke und meinem Heizkissen lässt es sich meistens ganz gut aushalten.
Am Samstag waren die sieben Freiwilligen meiner Organisation (also amntena) zusammen mit den Freiwilligen der Fundacion Cristo Vive zusammen bei der chilenischen Ausländerbehörde, um einen chilenischen Personalausweis zu beantragen. Obwohl wir einen Termin hatten, um an der langen Schlange vorbei zu kommen, dauerte das ganze fast drei Stunden und wieder einmal war ich froh, dass ich so etwas nicht in Deutschland machen muss, da es dort bestimmt mit noch viel mehr bürokratischem Aufwand verbunden wäre als hier. Hoffentlich kriegen wir alle in drei Wochen unseren Perso, da man den hier ziemlich oft braucht.
Über die Fundacion Cristo Vive werde ich auch noch mal einen gesonderten Beitrag veröffentlichen.
In unserer Nachbarschaft gibt es sehr viele Straßenhunde, die sich abends gerne gegenseitig anbellen, aber meistens sehr schöne Tiere sind, die nicht an uns hochspringen oder ähnliches. Fast direkt neben unserem Haus gibt es einen Kiosk, in dem man die wichtigsten Sachen kaufen kann, 3 Minuten zu Fuß entfernt gibt es einen relativ großen Supermarkt. Dort in der Nähe gibt es auch eine Bushaltestelle, an der oft Busse kommen, mit denen man in ca. 15 Minuten zur Metro fahren kann und von dort aus dann in die Stadt.
Hier sind noch Bilder von meinen WG-Mitbewohnerinnen:
 links Lara, rechts Sophia
links Enni, rechts Ich (in unseren neuen, warmen Alpakapullis)

Für Anregungen und Wünsche bin ich immer offen,
bis bald, Charlotte

Dienstag, 1. August 2017

Back again


Ich bin jetzt also gerade hier, in Curitiba, angekommen. (Curitiba liegt hier)

Letzte Woche Dienstag ging es los, zwanzig Minuten, nachdem meine Koffer fertig gepackt waren, verließ ich das Haus. Erst mit dem Zug von Passau nach Wien, dann von Wien nach Dubai, von Dubai nach Sao Paulo und von Sao Paulo nach Curitiba. Insgesamt war ich ungefähr 40 Stunden unterwegs, die Verbindung war aber tatsächlich die beste Option. Es war anstrengend, aber es hat tatsächlich alles problemlos geklappt und ich kam abends um elf total erschöpft im Hostel an. 
Außer mir sind noch zwei andere Mädels aus Passau hier, Teresa und Friederike. Friederike war im gleichen Hostel wie ich und wir trafen uns morgens zum Frühstück und gingen dann für Erledigungen in die Stadt. Die ersten paar Tage gab es ziemlich viele Sachen zu erledigen, unter anderem den Stundenplan zusammenstellen und bei jeden Fach-Koordinator eine Unterschrift abholen. Für diejenigen, die hier ein richtiges Fach studieren, ist das unproblematisch, weil man nur zu einem Koordinator gehen muss. Da ich mir aber aus verschiedenen Gründen in Passau fast nichts anrechnen lassen kann, wollte ich gerne einfach Fächer belegen, die mich interessieren. Hier ist es so, dass man eben ein Fach studiert (also zum Beispiel Geschichte, Geographie usw.), aber ich wollte mir natürlich von allem das Beste aussuchen, weil es wenigstens interessant sein soll, wenn ich es schon nicht anrechnen lassen kann- das hat jetzt allerdings dazu geführt, dass ich je ein Fach aus vier verschiedenen Studiengängen belege und dementsprechend zu vier verschiedenen Koordinatoren laufen musste. 

Außerdem musste ich mich noch registrieren, um eine sogenannte CPF-Nummer zu bekommen, die man unter anderem braucht, um eine Handykarte zu beantragen (ich hab jetzt eine neue Handynummer, falls jemand die noch nicht hat!). Jedenfalls bin ich am Donnerstag und Freitag durch die Stadt gelaufen und es war sehr, sehr anstrengend. Kaum jemand kann Englisch, ich kann zwar zum Glück schon etwas Portugiesisch, aber zu Anfang habe ich längst nicht alles verstanden. Dazu ist auch noch das Bussystem irgendwie ziemlich kompliziert und ich habe mich mehrmals ordentlich verirrt und mich gefragt, was das eigentlich für eine blöde Idee war, hier her zu kommen. 

Am Samstag bin ich dann auch schon umgezogen und seither geht es bergauf. Ich wohne jetzt in einem Haus relativ nah am Zentrum, in einer ruhigen und (für brasilianische Verhältnisse sicheren) Wohngegend. Zu dem Campus, an dem ich meistens Unterricht habe, laufe ich ungefähr 15 Minuten, vielleicht versuche ich aber auch noch, mir ein Fahrrad auszuleihen. Im Haus gibt es 8 Zimmer, die einzeln vermietet werden, Küche und Bad werden geteilt. Anfangs dachte ich, außer mir würde nur ein anderes Mädchen hier wohnen. Sie heißt Tatiana und ist auch neu nach Curitiba gezogen, sie kommt aus dem Bundesstaat Amazonas und wir waren am Samstag gleich noch zusammen einkaufen, weil noch einiges an Kücheneinrichtung fehlt. Inzwischen habe ich aber erfahren, dass doch noch mehr Leute hier wohnen: Alexandre, mit dem ich am Sonntagabend Game of Thrones geschaut habe, und dann noch zwei Jungs und ein Mädchen, die ich aber erst ganz kurz gesehen habe. Mal schauen, wie sich das alles noch entwickelt hier, bisher fühle ich mich aber ganz wohl. 

Mein Zimmer ist möbliert mit Bett, Schreibtisch und Schrank und der Vermieter hat mir jetzt auch eine Decke geliehen, damit ich keine kaufen muss. Vorhin habe ich jetzt endlich das Zimmer vollständig eingeräumt, nachdem die letzten Tage das ganze Kleinzeug noch auf dem Boden herumlag. Das einzige Problem ist, dass es in meinem Zimmer richtig kalt ist-kälter aus draußen. Ich sitze hier immer mit Pulli und Hausschuhen und bin total durchgefroren. Die letzten Tage war es draußen ganz schön und in der Sonne auch recht warm, um die 20 Grad, abends um einiges frischer, nur in meinem Zimmer ist es eiskalt. Zum Glück habe ich eine dicke Decke! Der „Winter“ dauert jetzt noch ungefähr einen Monat und dann wird es wieder wärmer, deshalb ist es auch nicht so schlimm. 

Unser Haus


Mein Zimmer

Am Montag hat die Uni eigentlich angefangen, ich war aber noch in keinem Kurs wegen oben erwähnter Probleme mit dem Stundenplan, aber ich habe das ganze jetzt so hingedreht, dass ich sowieso montags keinen Kurs habe außer Portugiesisch, das haben wir jeden Tag von 14-17 Uhr und es geht erst nächste Woche damit los. Heute morgen dachte ich jetzt, dass es wirklich so richtig losgehen würde und habe mich um halb sieben aus dem Bett gequält und bin zur Uni gehetzt, weil ich (natürlich) ein bisschen spät dran war. Als ich dann endlich den Raum gefunden hatte, war der abgeschlossen und die Sekretärin hat mir dann erklärt, dass dieses Fach erst ab nächster Woche anfängt... Also noch ein bisschen länger Galgenfrist. 

Mit dem Portugiesisch klappt es übrigens jeden Tag besser. Es kommt auch sehr darauf an, wer spricht und in welcher Geschwindigkeit, meinen einen Mitbewohner verstehe ich zum Beispiel sehr gut und die andere muss den Satz meistens dreimal wiederholen, weil sie so schnell spricht. Aber ich merke jeden Tag die Verbesserung und kann inzwischen relativ flüssig Alltagsgespräche führen (ob ich mich jetzt grammatikalisch richtig ausdrücke, ist dann noch eine andere Frage). 

Diese Woche ist jetzt auch noch die Welcome Week von REI, das ist eine Organisation, die sich um die Austauschstudenten kümmert, mit verschiedenen Aktionen abends, da ist es eigentlich auch ganz angenehm, wenn man nicht so früh aufstehen muss. Am Sonntag waren wir in einem Park picknicken und gestern hätte es einen Brigadeiro-Workshop gegeben, wo ich aber nicht war, weil ich endlich mal das Zimmer richtig einräumen wollte und ein bisschen entspannen. Heute gibts einen Caipirinha-Workshop, da gehe ich natürlich auf jeden Fall hin ;) 

Ich habe schon ein bisschen in den alten Blogeinträgen aus Indien herumgestöbert und ich hoffe, dass ich euch dieses Mal wieder mit so vielen spannenden Geschichten erfreuen kann.