Donnerstag, 26. März 2015

Kleine Geschichten aus meinem indischen Alltag, Kapitel 11: Mein Geburtstag

Geburtstaghaben ist hier immer so eine Sache. Bei den Kindern fällt der Geburtstag mehr oder weniger unter den Tisch, die Mädchen ziehen sich schön an und beim Abendgebet wird ein Geburtstagslied gesungen, sonst ist aber nichts. Annika hatte zufällig am ersten Samstag im Monat Geburtstag, an dem immer ein großer Gottesdienst im Projekt ist. Dieser wurde kurzerhand zu ihrem Geburtstagsgottesdienst erklärt und wir wurden beide in superschicke und teure Saris gesteckt, bekamen beide einen Sari geschenkt und mussten beide auf die Bühne. Da hab ich mich schon gefühlt, als hätte ich auch Geburtstag und weil Annika und ich hier mehr oder weniger als eine Person angesehen werden, war das vielleicht abgehakt: Geburtstag der Freiwilligen gefeiert: check. Ich habe eh nicht so gerne Geburtstag (beziehungsweise stehe nicht gerne deshalb im Mittelpunkt) und hatte von Anfang an keine Lust auf so ein großes Brimborium. Am Wochenende vorher waren wir weg und kamen am Sonntagabend zurück und zufällig fiel das Thema auf Geburtstag. Der Gastvater meinte dann: Hey Sofia, du hast doch im März Geburtstag, wann nochmal? Als ich ihm dann lächelnd mitteilte, dass ich morgen Geburtstag hätte, war er ein bisschen peinlich berührt. Wir fuhren dann heim und ich war schon auf dem Weg ins Bett, als er mit einem Kuchen vor der Tür stand. An Annikas Geburtstag war er um elf (als wir, beide richtig müde, gerade beschlossen hatten, schlafen zu gehen) und hatte darauf bestanden, bis um zwölf zu warten. So hatte ich ein bisschen Angst, dass das wieder so sein würde- schließlich müssen wir unter der Woche morgens um sechs raus. War aber nicht, er lieferte nur den Kuchen ab und verzog sich dann bald wieder. Morgens kamen wir ins Projekt und als Shanti mir gratulierte, sprach es sich langsam herum. Ich wurde ständig gefragt, ob ich heute Geburtstag hätte und sagte manchmal ja und manchmal nein und freute mich über die verwirrten Gesichter. Als wir die Kinder über die Straße gebracht hatten, gingen wir heim und ich packte die Geschenke aus, die meine Familie dagelassen hatte und das von Annika, dann fuhren wir- Überraschung- nach Mahabs. Dort trafen wir uns mit einer Ex-Freiwilligen, sprangen ins Meer, aßen westliches Essen und ich bekam noch einen Muffin geschenkt. Danach gingen wir nochmal am Strand spazieren und fuhren dann wieder zurück. Hier ist es üblich, dass man an seinem Geburtstag eine kleine Süßigkeit oder so verschenkt und alle waren schon ganz neugierig, was es denn sein würde. Ich hatte den Kuchen mitgebracht (indische Kuchen sind irgendwie nicht so mein Fall), den ich dann in sechzig Stücke teilte (kauen war dann auch überflüssig) und außerdem ein paar Tafeln Milka (die so zerschmolzen war, dass man sie den Kindern regelrecht auf die Hand schmieren musste). Das wurde dann verteilt, nachdem die Mädels mir ein Geburtstagslied gesungen hatten ('Haaaappy Biiiiirthday Sofiakkasister'). Ja, dann arbeiteten wir ganz normal und das wars dann auch. Langweilig wurde mir zumindest nicht! 

Ich bin dann mal weg

Heute gehts los: vier Wochen Nordindien! Ich bin ein bisschen im Stress, deshalb nur kurz: macht euch keine Sorgen, falls ihr jetzt vier Wochen nichts von mir hoert :)
PS: ein Eintrag ueber Holi und Hampi ist schon laengst fertig geschrieben und soll mit ganz vielen Fotos unterlegt werden-das hat bis jetzt leider noch nicht geklappt.

Donnerstag, 19. März 2015

Die Woche allein oder: Mein Alltag, Teil zwei

Damit ihr nicht denkt, wir wären die ganze Zeit nur verreist (ok, wir sind in letzter Zeit schon ziemlich oft verreist), kommt hier mal der schon vor Monaten versprochene zweite Teil des Berichts über meinen Alltag. Falls ihr euch erinnert: Hier ging es um meinen Alltag im Projekt. Dort sind wir ja nur morgens und abends, sprich wir haben viel Zeit, die wir nicht im Projekt verbringen. Nach dem Besuch meiner Familie und unserem Camp kam Annikas Bruder zu Besuch. Annika holte ihn in Bangalore ab, während ich wieder nach Hause fuhr, weil ich keine freien Tage mehr hatte. Während die beiden ungefähr das gleiche gemacht haben wie ich mit meiner Familie, war ich eine Woche allein daheim und anhand dieser Woche will ich euch nun mal meinen Alltags außerhalb der Arbeit ein bisschen näher bringen. 

Montag: Ich war ja gerade von einer größeren Reise wiedergekommen, also stand erst mal waschen und putzen auf dem Plan. Waschen geht hier so: morgens legt man die Kleider, die man waschen will in einen Eimer, dazu gibt man ein bisschen Waschpulver. Man lässt die Klamotten ein paar Stunden einweichen und wäscht sie dann wieder aus: man füllt ein bisschen Wasser in einen anderen Eimer und knetet dann jedes einzelne Kleidungsstück im sauberen Wasser durch, das wiederholt man dann nochmal. Wie sauber die Kleidung danach wirklich ist, will ich gar nicht so genau wissen. Eine Waschmaschine besitzt hier kaum jemand. Waschen gehört hier zum daily life, ich wasche fast jeden Tag, weil ich erstens nicht so viele Outfits habe und es zweitens bei mehr Klamotten eben noch ätzender wird. Einmal in der Woche wischen wir auch unsere Wohnung mit dem Mob, wenn man das zu zweit macht, dauert es eine knappe Stunde, alleine ein bisschen länger.
Der Gastvater war am Samstag wegen verschiedener Leiden ins Krankenhaus gekommen und unsere Gastschwester hatte mich morgens gefragt, ob ich mitkommen will, um ihn zu besuchen. Sie meinte, dass sie mir nochmal Bescheid geben würde, aber so gegen 15.30 aufbrechen würden, wenn sie aus der Schule kommt (sie ist Lehrerin). Ich war also fast fertig mit putzen und überlegte mir gerade, was ich jetzt schönes machen könnte, um mich zu belohnen, als unser Fahrer vor der Tür stand. Ich verbot ihm dann zuerst mal, reinzukommen, weil er meistens barfuß rumläuft und ich ja gerade frisch geputzt hatte und das noch nass war… er war dann ein bisschen beleidigt und teilte mir mit, dass wir jetzt schon gehen würden. Na super! Ich machte schnell den Rest noch fertig und hatte nicht mal mehr Zeit zu essen. (Nix wars mit Belohnung) Dann fuhren wir zum Krankenhaus: erst mit einem Sammeltaxi, dann mit dem Bus und dann noch mit der Rikscha. Das Krankenhaus liegt echt am Ende der Welt und sieht von außen aus wie ein UFO. Den restlichen Tag verbrachte ich mit Shanti, dem Gastonkel und seiner Frau und seiner kleinen Tochter, unserer Gastschwester Arlene, dem Fahrer, drei Mädchen und natürlich dem Gastvater im Krankenzimmer. Eine Krankenschwester oder gar ein Arzt kam die ganze Zeit nicht rein. Ich las die meiste Zeit und war froh, als wir gingen- um neun Uhr abends…

Dienstag: Wie ihr vielleicht schon mitgekriegt habt, haben wir kein Internet im Haus. Es gibt durchaus die Möglichkeit, sich einen Internetstick zu kaufen und ich habe ja auch meinen Laptop dabei, aber Annika und ich haben uns bewusst dagegen entschlossen, um unseren Internetkonsum besser regulieren zu können, für Notfälle hat Annika auch ein Smartphone. Anfangs waren wir dann immer im Internetcafe, was aber nicht sonderlich schön ist und es ist einfach angenehmer, am eigenen PC zu arbeiten und alles parat zu haben. Seit einiger Zeit haben wir deshalb angefangen, ungefähr einmal in der Woche mit dem Laptop nach Mahabs zu fahren. Mahabs (eigentlich heißt das Mamallapuram, früher hieß es Mahabalipuram) ist ein Dorf zwanzig Kilometer nördlich von uns. Der ECR-Bus, der zwischen Chennai und Pondicherry verkehrt, hält da und wir können innerhalb von zwanzig Minuten von Busstand zu Busstand kommen. Von uns zum Busstand in Kalpakkam braucht man circa fünf Minuten, in Mahabs muss man noch zwanzig Minuten ins Dorf laufen. Vor langer Zeit war Mahabs mal ein sehr bedeutender Handelsort, sogar mit den Römern wurde Handel getrieben, und es gibt ein paar Tempel, die man sich anschauen kann. Außerdem liegt es am Meer und es gibt einen schönen Strand. Aus diesen Gründen haben sich dort eine Menge Shops, Cafes und Guest Houses angesiedelt und es gibt viele Touristen. Für uns ist das ganz angenehm: ab und zu hat man Lust auf europäisches Essen, Kaffee und darauf, mal nicht wegen seiner Hautfarbe als etwas Besonderes gesehen zu werden. Weil wir schon so oft in Mahabs waren, kennt uns dort fast jeder und wenn wir die Straße entlang laufen, werden wir von allen begrüßt. Wir haben unser Stammcafe, wo die Kellner schon wissen, was wir bestellen und uns, wenn wir mal mehr als eine Woche nicht kommen, fragen, wo wir denn waren. Ich eröffne dann immer mein Office und bleibe eben von elf bis drei da sitzen, beantworte Mails, trinke Kaffee (letztens ist die Kaffeemaschine kaputt gegangen!! Ein richtiges Drama! Das Ersatzteil ist schwierig zu organisieren und wir wissen nicht, wann sie wieder funktioniert) und Fruchtsaft und esse Cheese Tomato Omlette. Ja, das war pretty much mein Dienstag. 

Mittwoch: Am Mittwoch war ich faul. Nach zwei Wochen reisen war ich auch einfach total erschöpft und die beiden Tage davor hatte ich auch keine Zeit, mich mal zu entspannen. Also verbrachte ich den Mittwoch damit, einen Kluftinger-Krimi zu lesen, den ich im FSL-Center mitgenommen hatte. Ja, ich las, ich schlief, ich aß und las dabei, dann um vier ging ich noch schwimmen. Manchmal gehe ich nämlich spazieren, durch die Reisfelder, und bei einem meiner Spaziergänge habe ich vor ein paar Wochen ein Schwimmbad entdeckt. Es ist nicht besonders groß und ich teile mir das Becken meistens mit ein paar Fröschen und Wasserspinnen, aber für meine Zwecke ist es ok. Ich habe mir dann extra aus Deutschland einen Badeanzug mitbringen lassen und Shorts und versuche nun, zweimal in der Woche eine halbe Stunde schwimmen zu gehen. Dafür fahre ich zuerst ein kleines Stück mit dem shared auto (das könnte man eigentlich auch laufen, aber es ist nicht so cool, an der East Coast Road entlang zu laufen, weil da immer die Laster und Busse fahren) und laufe dann noch zehn Minuten über eine kleine Straße von der ECR weg. Das Schwimmbad wird von einem Opi betrieben und ich zahle 50 Rupies dafür, dass ich eine halbe Stunde schwimmen gehe (Der Kurs ist glaube ich gerade bei 1:67). Meistens bin ich alleine (zum Glück, das Becken ist nämlich echt nicht so groß). Über meinem Badeanzug habe ich eben solche Männershorts und ein T-Shirt. Mein Schwimmstil würde wahrscheinlich jedem, der ein bisschen was davon versteht, nur ein müdes Lächeln abringen (ich komme mir meistens eher vor wie ein Hund, der so vorwärts paddelt), aber mir tut es gut, mich zu bewegen. Ich hatte auch mal gedacht, dass ich hier joggen gehen könnte, aber dazu ist es einfach zu heiß (morgens und abends würde es gehen, aber da arbeiten wir ja) und außerdem macht das hier keiner und ich würde mir ganz schön komisch vorkommen. Schwimmen als Sport tut zwar auch keiner, aber da sieht mich dann auch niemand, von dem her ist das ok. Ich bin jetzt ja wirklich keine Sportskanone, aber nachdem ich mich ein paar Monate lang wirklich kein bisschen bewegt habe, habe sogar ich gemerkt, dass ich jetzt mal was machen muss und genieße das Schwimmen wirklich. Im Projekt habe ich noch nicht erzählt, dass ich manchmal schwimmen gehe. Ich bin mir sicher, dass sie das nicht so cool fänden. Die meisten Inder können noch nicht mal schwimmen und dieses Sport-als-Ausgleich-Konzept ist hier noch nicht angekommen. Bei uns auf dem Dorf macht eigentlich keiner gezielt Sport, vor allem Frauen nicht, Jungs und Männer sieht man manchmal Kricket oder Volleyball spielen.

Donnerstag: Nach der Arbeit fuhr ich in die Stadt, um im Internetcafe ein paar Sachen auszudrucken und ein paar Sachen einzukaufen. Ich wollte eigentlich auch noch zum Ayurveda-Arzt, weil ich hier leider wieder richtig unreine Haut bekommen habe und ich nun beschloss, da mal was dagegen zu unternehmen. Die Ärztin war leider nicht da, genau wie der Taschen-Schneider, weil mein kleiner Tagesrucksack, den ich in Goa gekauft habe, mal wieder kaputt war. Mit dem blöden Ding war ich schon dreimal beim Schneider, der mir jetzt immer zuwinkt, wenn ich vorbei komme. Kalpakkam ist eine Kleinstadt (ich hab keine Ahnung, wie viele Einwohner es hat). Ursprünglich waren das zwei kleine Dörfer, die zusammengewachsen sind, als das Atomkraftwerk gegründet wurde. Ja, wenn man am Meer entlang aus der Stadt rausfährt, dann kommt da das Atomkraftwerk. In Kalpakkam kann man das meiste einkaufen, es gibt verschiedene Kleidungsgeschäfte, Ärzte etc- wir sind also gut versorgt. Kalpakkam liegt knapp fünf Minuten mit dem shared auto von uns entfernt (falls gleich eins kommt). Ein shared auto ist übrigens eine große Rikscha. Die shared autos haben feste Strecken, die sie immer abfahren. Man steht dann an der Straße und winkt es heran und an der passenden Stelle sagt man Bescheid und wird dann rausgelassen. Gemütlich passen hinten sechs Leute rein und vorne noch zum Fahrer einer dazu, unser Rekord waren bis jetzt 16 Leute in einem shared auto (das ist dann nicht mehr so gemütlich). Eine Autofahrt nach Kalpakkam oder zum Projekt kostet 5 oder 7 Rupien. Eine Busfahrt nach Mahabs kostet 11 Rupien.
So sieht eine Rikscha aus :)
 Den restlichen Donnerstag wuselte ich so herum, pedikürte mir die Füße, übte Gitarre, schaute eine Folge Dr. House und schrieb Tagebuch. Außerdem hatte ich eine Wassermelone gekauft, die zurzeit überall an der Straße verkauft werden. Ich hatte mir eine kleine ausgesucht und 10 Rupien dafür bezahlt und aß den ganzen Tag daran. Anscheinend sind Wassermelonen ein Anzeichen dafür, dass der Sommer kommt: nach der Regenzeit und dem 'Frühling', mit recht angenehmen Temperaturen und immer einem frischen Lüftchen, kommt jetzt langsam der Sommer. Ich weiß nicht, wie warm es ist, aber es ist schon recht heiß und ich schwitze quasi ständig. Das soll allerdings noch nichts sein und noch viiiiel heißer werden im April und im Mai- ich bin gespannt, wie wir das verkraften.
Freitag: Ich ging morgens wieder schwimmen und danach nochmal in die Stadt: diesmal tatsächlich zum Ayurveda-Arzt. Die Frau stellte mir ein paar Fragen und verschrieb mir eine Menge Zeug. Bis jetzt haben meine Tabletten, der Saft, die Paste und die tägliche Gesichtsmaske allerdings noch keinen Erfolg gezeigt. Danach hab ich noch meinen Rucksack flicken lassen und dann bin ich wieder nach Mahabs gefahren. Ich verbrachte wieder die meiste Zeit im Cafe und schrieb diesmal Tagebuch. Die Kellner lachen mich schon aus, weil ich immer so busy bin, selbst wenn ich im Cafe sitze. Danach klärte ich noch, dass Lou und ich am nächsten Tag in dem günstigen Hotelzimmer übernachten können, wo wir in der Woche vorher auch waren. Meine Mama hatte an dem Tag Geburtstag und ich telefonierte noch eine Weile mit ihr, was der eine Kellner mitbekam und gleich mal Grüße ausrichtete, weil ich natürlich meine Familie auch in das Cafe geschleppt hatte. An meinem Geburtstag habe ich auch mit meinen Eltern geskypt und die Kellner sind immer mal wieder im Hintergrund vorbeigesprungen, um hallo zu sagen. Ansonsten war es unspektakulär, aber schön.



Mittwoch, 11. März 2015

Abenteuer Indien

Hier wie schon angekündigt, exklusiv und ungekürzt: Ein Eindrucksbericht meiner Eltern!


Dank unserer hervorragenden Reiseleiterin Sofia haben wir die Indienreise nicht nur unbeschadet überstanden, sondern auch genossen. Gleich auf dem kurzen Weg vom Flughafen zum Hotel wurden wir in die Gepflogenheiten der Toilettenbenutzung eingeführt, es gibt nämlich in Indien kein Klopapier, sondern Wasser und die linke Hand. Dementsprechend isst man mit der rechten Hand (ohne Besteck) und man sollte es tunlichst vermeiden, die Hände zu verwechseln. Genauso sollte man es auch vermeiden mit der linken Hand zu bezahlen oder sonstiges. Das alles lernten wir in den ersten 10 Minuten, nachdem wir Sofia wieder in die Arme schließen konnten, ein schönes Wiedersehen mit unserer indischen Tochter.
Für uns war die Reise wie ein Sprung ins kalte Wasser, es war ein Eintauchen in eine faszinierende Welt, die so anders ist als unsere. Indien ist laut, in den 12 Tagen gab es keinen Moment, in dem man nichts gehört hätte, in den Städten tobt Tag und Nacht der Verkehr mit viel Hupen, aber auch auf dem Land hört man Hunde, Stimmen, Mopeds und wenn es wirklich mal ruhig wäre, rauscht der Deckenventilator. Als wir wieder zu Hause waren, wurde uns das so richtig bewusst, als plötzlich totale Stille herrschte und, wir müssen es gestehen, uns der Geräuschpegel richtig fehlte. Indien ist dreckig, Frank sagte immer, Indien ist eine einzige Müllkippe. Wenn man etwas entsorgen will, muss man es schon eine Weile mit sich tragen, bis man einen Mülleimer findet. Indien ist chaotisch, der Verkehr ist für unsere Begriffe ein einziges ungeregeltes Chaos, jeder fährt und hupt und trotzdem kommen alle vorwärts. Eine Straße zu überqueren ist schon für sich ein Abenteuer. Und trotz allem ist dieses Land nicht abstoßend, sondern absolut beeindruckend und faszinierend. Es ist schön den Menschen in die Gesichter zu gucken, viele haben große Augen, die uns genauso neugierig mustern, wie wir sie. Wir sind als Familie mit halbwüchsigen Kindern sehr aufgefallen und sind oft gefragt worden, ob wir eine Familie sind und ob Sofia und Charlotte Zwillinge sind. Überhaupt kennen die Inder keine Zurückhaltung, sie fassen einen auch gerne mal an, lassen sich für ihr Leben gerne fotografieren und freuen sich, wenn man ihnen das Foto zeigt. Was uns auch gut gefallen hat, war die Farbenvielfalt, die sich vor allem in der Kleidung der Frauen widerspiegelt. (Während sich viele Männer, statt eine Hose zu tragen, nur ein Tuch umbinden, das uns an Geschirrtücher erinnert.) Die erwachsenen Frauen tragen alle Saris in vielen bunten Farben und in dem Bundesstaat Tamil Nadu, in dem Sofia lebt, haben viele Frauen einen Blumenkranz in den Haaren, den man überall an der Straße kaufen kann. Auch die Vielfalt der Religionen hat uns beeindruckt, oft stehen Moschee, Kirche und Tempel auf engstem Raum nebeneinander und jeder lässt dem anderen seine Religion. In den Hindutempeln herrscht immer fröhliches Treiben, Andersgläubige sind gerne gesehen, die Tempel werden vielseitig genutzt als Begegnungsstätte, man kann sich auch in die Ecke legen und ein Nickerchen machen (die Inder können sowieso immer und überall schlafen), es gibt Essensstände, falls einen der Hunger plagt und natürlich ist es auch ein heiliger Ort, an dem sehr intensiv gebetet wird oder irgendwelche Zeremonien stattfinden. Es gibt immer einen inneren Bereich, in den man als Nicht-Hindu nicht herein darf, aber ansonsten kann man sich frei bewegen und die Stimmung ist sehr schön.
Ich bin Sofia sehr dankbar, dass wir durch sie dieses Land kennenlernen konnten und es war schön zu erleben, wie souverän sie sich dort bewegt und mit den Menschen umgeht. Man hat bei ihr das Gefühl, sie ist dort angekommen (auch wenn es sicher manches gibt, was sie nervt). Für uns war sie auf jeden Fall eine tolle Reiseleiterin, so dass wir uns immer wohl und sicher gefühlt haben, danke! Das ist ein Beitrag von Sofias Mutter.  

Jetzt kommt Sofias Vater
Mich hat Indien so mitgenommen und beeindruckt, dass ich nach einer Woche Deutschland nachts nicht mehr regelmäßig von Indien träume oder aufwache und mir überlege, in welcher indischen Stadt wir uns gerade befinden. Mich lassen auch die Gerüche und Geräusche nicht los so dass ich manchmal in unsere Küche gehe und an den Gewürzen, die wir mitgebracht haben, rieche. Es erinnert mich dann ans Einkaufen, die Menschen, das Essen…. . Heute habe ich längere Zeit mit einem meiner Neffen geredet, der letztes Jahr in Brasilien war und oft kam heraus, anderes Land, andere Sprache, gleiche Erlebnisse.
Mich hat sehr interessiert, wie die Menschen arbeiten und so will ich einige eindrückliche Dinge beschreiben. Ich habe während der ganzen Reise nur einen einzigen Baukran gesehen. Das war auf einer Großbaustelle in Chennai. Ansonsten wurde auf jeder Baustelle alles ohne Maschinen bewegt. Ich sah oft Frauen mit einer Plastiktüte als Kopftuch. Sie hatten flache Blechschüsseln auf dem Kopf mit der sie Sand, Mörtel oder Beton umeinander getragen haben. Manche barfuß, die meisten mit Sicherheitsschuhen, das heißt Badelatschen.
Ich sah eine Ziegelei in der die ganzen Ziegelsteine von Hand gestapelt wurden.
Wir waren auf einem Großmarkt für Reis. Da wurden LKWs mit 75 kg Säcken Reis beladen. Die Arbeiter benutzten Haken und trugen die Säcke auf ihrem Rücken über eine Behelfstreppe aus vollen Säcken auf zum Teil abenteuerlich aussehende Lastwagen, ungefähr 18 Tonnen pro Fuhre. Aufladen und auch wieder abladen. In den Ruhepausen benutzten sie dann ihre Handies und gaben uns ihre E-Mail Adressen und baten um die Zusendung der Bilder, die wir von ihnen gemacht haben.
Ich habe Indien als sehr friedliches Land empfunden, Angst hatte ich nur beim Überqueren der Straßen, das aber nicht nur einmal. Ansonsten gab es keine Situation in der wir um unser Gepäck gefürchtet oder uns bedroht gefühlt haben. Wobei wir auch sehr vorsichtig waren.
Ich konnte mich stundenlang in den Marktvierteln umschauen und das Obst- und Gemüseangebot anschauen. Die Händler saßen meist auf dem Boden und hatten eine Balkenwaage mit zwei Gewichten: 0,5 kg und 1 kg. So haben sie dann ihre Waren in gewogen. Keiner hatte irgendein Preisschild und man musste immer feilschen. Wir haben dann Sofia vorgeschickt, sie kann das sehr gut. Als sie nicht mehr dabei war konnten wir dann es selbst probieren, aber uns ist es lange nicht so gut gelungen. Durch die Schar der Kunden und anderen Fußgänger schlängelten sich dann Motorräder, Motorrikschas und diverse Kühe. Es war überall Trubel und es ist glaube ich unmöglich in Indien keine Menschen um sich zu haben.