Ich wurde von vielen in der Adventszeit gefragt, ob wir überhaupt Weihnachten feiern. Dazu kann ich nur sagen: JA! JA! JA! Falls ihr es noch nicht mitgekriegt habt: Unser Projekt ist richtig christlich, also wirklich sehr christlich. Natürlich wird Weihnachten gefeiert! Alle waren ganz aufgeregt. Es wurde sogar extra gestrichen bei uns im Projekt, damit zu Weihnachten alles schön aussieht (jetzt ist es sehr bunt und sehr schweinchenrosa, und die Jungsseite, wo die Besucher normalerweise nicht hingehen, ist auch noch nicht gestrichen). Außerdem wurde ein kleiner Plastikweihnachtsbaum aufgestellt, der in einem umgedrehten Regenschirm befestigt war. Der Regenschirm, der jetzt ja so eine Art Schale bildete, war gefüllt mit Styroporkügelchen- es sei ihnen verziehen, sie haben ja noch nie richtigen Schnee gesehen. Davor standen drei richtig gruselige Nikoläuse. Dieses Arrangement wurde uns ganz stolz gezeigt und wir wunderten uns drei Tage lang, dann wurde es weggestellt, weil die Malerarbeiten begannen. Ich bin ganz froh, dass sie es nicht wieder hervorgeholt haben, als die Außenseite fertig war.
Weihnachten begann für uns schon am Samstag, ich glaube, das
war der 20 Dezember. Es gab eine große Pre-Christmas-Feier. Im Vorfeld wurde uns
erzählt, dass an dem Tag Saris an die 'armen Leute' verteilt werden sollten,
die da kommen würden, und dass jede Mitarbeiterin des Projekts fünf Saris
spenden würde. Wir fühlten uns dann mehr oder weniger verpflichtet, das auch zu
machen, und gingen in die Stadt, um Saris zu shoppen- auch wenn wir für uns
selbst noch nie einen gekauft hatten. Der Samstag begann mit einem
Gottesdienst-einem seeeehr langen Gottesdienst. Es waren tatsächlich sehr viele
Besucher da, auch viele, die ich entweder noch nie gesehen hatte oder vom Sehen
aus dem Dorf kannte. Der ganze Kirchenraum (eigentlich ja der Mädelsraum, wo
sie sonst schlafen und Hausaufgaben machen) saß voll und auch davor saßen noch
viele Frauen. Meistens sind viel mehr Frauen in der Kirche als Männer und an
diesem Tag war es noch extremer.
Plötzlich so viele Leute im Projekt... |
Nach dem Gottesdienst gingen alle aufs Dach,
wo eine lange Tafel aufgebaut war. Es gab Reis aus riesigen Töpfen und wir aßen
in Schichten, weil nicht alle an die Tische passten.
Annika und ich mit unserer Gastschwester Arlene |
'Sister, foto, foto!!' |
Nach dem Essen ging es auf
dem Dach weiter, wo extra ein Zelt aufgebaut worden war. Es wurden noch ein
paar Lieder gesungen und Ansprachen gehalten, sogar ein paar offizielle
Politiker waren gekommen, was unseren Gastvater sehr erfreute. Zur Feier des
Tages waren sogar ein paar Musiker engagiert worden, die ein Keyboard und ein
elektrisches Schlagzeug dabei hatten. An sich wäre das ganz cool gewesen, aber
leider waren die Instrumente viel zu laut eingestellt, dann musste man
natürlich die Stimmen auch lauter stellen- am Ende war das ganze ohrenbetäubend
und nicht mehr angenehm, sondern eher der Auslöser für Kopfschmerzen.
Meer aus Saris |
Irgendwann hatte jeder, der etwas zu sagen hatte, was gesagt oder sein Liedele
gesungen und es wurden die Saris verteilt. Die Frauen wurden namentlich
aufgerufen und kamen nach vorne und bekamen eben einen Sari, manche auch zwei.
Außerdem gab es für jeden noch einen Sack Reis und morgens in der Kirche waren
schon mehr oder weniger schöne Bilder verteilt worden, auf denen eine Taube und
ein paar Weinblätter zu sehen sind und auf Tamil ein Bibelspruch steht (also,
ich kann das nicht lesen, aber ich vermute mal, dass es ein Bibelspruch ist).
Der beste Teil des Programms kam dann: es wurden noch mehr Lieder gesungen und
die Musiker spielten und irgendwann begann ein sehr sympathischer Pastor, zu
tanzen. Der Mann war mir schon vorher aufgefallen, weil er richtig nett mit den
Kindern umging und insgesamt wirkte wie ein überdimensionierter Teddybär. So
wurden die anderen Pastors irgendwann mitgerissen und tanzten nacheinander und ich
wippte schon so mit und die Mädels versuchten, mich zu überreden, auch nach
vorne zu gehen- alleine. Das war mir dann doch zu unangenehm, aber irgendwann
standen ein paar von ihnen auf und zogen mich mit und wir standen vor einer Menge
Leute und tanzten. Ich weiß nicht, wie das aussah, aber es muss sehr lustig
gewesen sein. Ich fühlte mich dabei aber kein bisschen unwohl muss ich sagen:
Ich war in dem Moment richtig glücklich. Das sah dann bestimmt noch witziger
aus, weil ich sicher bin, dass ich so ein richtig fettes Grinsen im Gesicht
hatte, aber ich fühlte mich so gut: mit meinen ganzen Mädels vorne zu stehen
und in lachende Gesichter zu blicken, die einem aus dem bunten Sarimeer
entgegen blicken. Die Mädels meinten danach, dass ich sehr 'cute' getanzt
hätte- auch was wert. Übrigens kam irgendwann auch noch der sympathische Pastor dazu und begann, einen Kopfstand zu machen. Da war die Stimmung dann auf ihrem Höhepunkt!
Um vier war das Programm beendet und Annika und ich machten
uns auf den Weg zu zwei Freundinnen ins Projekt, die uns eingeladen hatten.
Dort machten wir abends unsere eigene Weihnachtsfeier: ich hatte Plätzchen und
Marzipankartoffeln, ein Gesangbuch und eins unserer grünen Liederhefte, was mir
meine Oma geschickt hatte. Momo und Fiona hatten Tee, Apfelringe und Lindt-Schokolade
und eine Gitarre und eine Flöte. So saßen wir da, schlemmten und sangen
Weihnachtslieder und waren sehr zufrieden mit der Welt.
In den Tagen bis Weihnachten bastelten wir noch mit den
Kindern Weihnachtssterne aus Transparent-Papier, das Fiona geschickt gekriegt
hatte und das bei ihnen übrig war. (Das sag ich jetzt eigentlich nur, um euch
ein paar süße Fotos von unseren Kindern präsentieren zu können :D)
Zu diesem Bild bleibt wohl nichts mehr zu sagen außer: Schade, dass es nicht scharf ist. |
Die Kinder hatten noch Schule bis zum 23. Dezember. In
dieser Zeit und auch in der Woche davor hatten sie Exams, was heißt, dass sie
nur halbtags Schule haben. Was für uns hieß, dass wir plötzlich viel mehr Zeit
im Projekt verbrachten, um mit den Mädels Englisch und Mathe zu lernen. Es war
zwar oft anstrengend, aber ich genoss es auch richtig, weil mir hier doch
manchmal das Gefühl fehlt, gebraucht zu werden. Ab dem 24. hatten die Kinder
frei. Wir kamen erst vormittags, weil unser Gastvater meinte, wir sollten uns
morgens ausruhen. Wir wussten jetzt nicht so richtig, was uns erwartete, aber
wer hätte es gedacht: es war mal wieder Gottesdienst. Ein Bekannter des Gastvaters
war gekommen, der auch Leiter einer NGO ist. Es gab wieder Gottesdienst und die
Kinder führten Tänze auf und letztendlich endeten auch wir wieder tanzend auf
der Bühne. Am Ende bekamen manche der Mädchen von dem Bekannten noch einen Satz
Kleidung geschenkt- aber nur manche, und von den Jungs kriegte keiner was. Kaum
war der Bekannte weg, beschwerte sich unser Gastvater darüber, dass er den
Bekannten nach Geld gefragt hätte und was bringt er: nur ein paar Geschenke. Er
redete noch eine Weile weiter und wir verstanden nur die Hälfte. Abends kam
übrigens noch ein anderer Mann und brachte Klamotten für die Jungs. Ob die
jüngeren Mädchen auch noch was gekriegt haben, haben wir leider nicht
mitgekriegt.
Alle wuselten den ganzen Nachmittag herum und wir wussten nicht
so richtig, was wir tun sollten, weil alle unglaublich beschäftigt schienen,
aber keiner Arbeit für uns hatte. Ich ging irgendwann zu den Mädels und prompt
wurde ich in einen ihrer Tänze eingebunden: im klassischen tamilischen Tanz
benutzt man manchmal solche Stöcke, die man so gegeneinander schlägt oder gegen
die des Partners. Weil ihr Tanz morgens nicht so gut geklappt hatte, sollten
Annika und ich das jetzt aufpeppen. Wir machten es zweimal durch und wir nahmen
das Ganze nicht so ernst, dann fing plötzlich der Gottesdienst an.
Unser Gastvater und unser Gastbruder |
Jungs beim Tanzen |
Ja und dann
am Ende des Gottesdienstes wurden wir auf die Bühne geholt und mussten
mittanzen. Wir hatten viel Spaß und die Zuschauer hatten auch bestimmt viel
Spaß, mehr muss ich dazu wohl nicht sagen (wobei es erstaunlich gut geklappt
hat). Um zehn war das Programm zu Ende. Eigentlich wurde uns angekündigt, dass
es ein Night Prayer geben sollte, von 11 bis halb zwei, aber entweder sie
dachten, es wäre dann für uns zu spät, oder es wurde wirklich gecancelt,
jedenfalls wurden wir nach Hause gebracht. Annika und ich nutzen die Chance und
machten für uns nochmal eine kleine Weihnachtsfeier, zündeten die Kerzen
unseres Adventskranzes an und sangen wieder Weihnachtslieder. Dann packten wir
die Geschenke aus, die wir hatten: ich hatte eines von meiner Mutter (auch wenn
ich schon wusste, was drin war) und ein Paket von meiner Oma, aus dem ich
vorher nur die Weihnachtskekse und das Liederheft herausgezogen hatte. Ich fand
darin dann zum Beispiel noch eine Bibel, aus der wir uns gleich noch die
Weihnachtsgeschichte vorlasen, und- oh Freude!!- eine Engardiner Nusstorte, die
immer noch sehr gut schmeckte. Außerdem hatte Annika mir einen lieben Brief
geschrieben. Um zwölf kam eins der Mädchen nochmal aus ihrem Zimmer, um uns
'Happy Christmas' zu wünschen, das ist hier wohl erst ab 12. Dann gingen wir
schlafen- ein seltsamer heiliger Abend. Zum essen gab es übrigens Reis mit
Rassam (das ist so eine dünne Soße, die nach fast nichts schmeckt) und ein
bisschen Fleisch- und zwar zum Mittag- und zum Abendessen
.
Am 25. gingen wir morgens ins Projekt, um – Überraschung-
wieder dem Gottesdienst beizuwohnen. Ich gestehe: Nachdem wir schon am Tag
vorher mehrere Stunden im Gottesdienst verbracht hatten, hatte ich nicht mehr
so viel Lust und las deshalb die ganze Zeit. Mein Buch war gut, deshalb wars
dann ganz okay ;) Der Gottesdienst dauerte vier Stunden. Zum Mittagessen gab es
Chicken Briyani, das ist so ein Reis, in dem die Soße schon drin ist.
Eigentlich schmeckt der ganz gut, ich bin hier nur nicht so der Chicken-Freund,
weil das meistens sehr fettig und knochig ist. Weil Weihnachten war und wir
jegliches Heimweh vermeiden wollten, blieben wir den ganzen Tag im Projekt.
Nach dem Essen legten sich alle hin, um zu schlafen- wir legten uns zwischen
die Mädels und machten auf dem blanken Boden einen ausgiebigen Mittagsschlaf.
Um fünf wurden wir geweckt und ich telefonierte bald danach noch eine Stunde
auf dem Dach mit meiner Familie. Der Tag ging dann seinen gewohnten Lauf, wir
halfen in der Küche und als wir heimkamen, schauten wir noch 10 Dinge, die ich
an der hasse (als Traumschiffersatz). Übrigens hatte ich heute zum ersten Mal
meinen selbstgekauften Sari an (den wir am 23. noch gekauft hatten.) Ich bin
richtig stolz auf ihn und finde ihn super schön! Leider sind Saris echt nicht
so praktisch und ich kann ihn auch noch nicht alleine anziehen, das will ich
auf jeden Fall noch lernen.
Wir in unseren neuen Saris! :) |
Am nächsten Tag kamen wir ins Projekt und fragten, was heute
so passieren würde, da meinte Shanti: 'Ja, nichts?! Christmas finished. Normal
day.' Trotzdem war wieder Kirche. Zum Glück hatte unsere Gastschwester Arlene
Freundinnen zu Besuch, bei denen wir dann waren und uns so teilweise vor dem
Gottesdienst drücken konnten. Die Freundinnen hatten einen Kuchen mitgebracht-
Happy Birthday Jesus! Fehlte nur noch das Geburtstagslied. Sie hatten sogar an
so ein Knallbonbon gedacht, das Konfetti schießt (was dann zuerst keiner
aufgekriegt hat und dann im Kuchen landete) und an eine dieser fancy
Lotus-Blüten aus Plastik, die zuerst zu sind und wenn man die Kerze oben drauf
anzündet aufklappen und anfangen, Happy Birthday zu düdeln. Ich liebe diese
Dinger, ich werde davon ganz viele nach Deutschland importieren!
Wir gingen dann
um halb zwei mal Mittagessen, während die Kinder immer noch im Gottesdienst
saßen. Dann fuhren Annika und ich in die Stadt- wir hatten uns gegenseitig zu
Weihnachten eine Ayurveda-Massage geschenkt, die wir dann gleich machen lassen
gingen. Danach spazierten wir noch zum Strand und sangen Weihnachtslieder, die
uns der Wind von den Lippen riss, weil es so stürmte.
Wir haben es geschafft, Weihnachten ganz ohne Heimweh zu überstehen (wobei, das Essen hab ich schon vermisst), und das haben wir wohl hauptsächlich unseren wunderbaren Kindern zu verdanken!
Dann kam eine Anti-Weihnachts-Phase mit ganz viel Hindu-Kultur:
siehe nächster Post.
Zu Silvester (das gehört für mich auch in diese Zeit,
deshalb dieser Post) trafen wir uns mit 13 anderen Freiwilligen in Pondicherry.
Wer von euch Schiffbruch mit Tiger gelesen hat: das ist die Stadt, in der Pis
Vater den Zoo hat und die Geschichte losgeht. (Im Film kommt das glaube ich
leider nicht vor). Pondicherry, kurz Pondi, war früher eine Kolonie der
Franzosen, das merkt man heute auch noch. Nach einigem Chaos im Vorfeld wegen
der Zimmer hatten wir auch etwas gefunden, wo wir alle 15 für wenig Geld
unterkamen, außerdem war auch Annikas und mein Magen, den wir uns kurz vor
unserem Urlaub gehörig verdorben hatten, wieder einigermaßen im Gleichgewicht.
Die Gruppe war für meinen Geschmack zu groß, aber letztendlich verbrachten wir
einen netten Abend, aßen gut und spazierten dann zur Strandpromenade, die von
unendlich vielen Indern bevölkert wurde. Die meisten davon waren männlich und zwischen
20 und 30 und angetrunken, wir waren beliebte Fotoobjekte und wurden ständig
angelabert und außerdem grölten die Inder die ganze Zeit herum. In das
Spektakel mischten sich richtig viele Polizisten und wir waren nur so
mittelentspannt. Um zwölf gab es ungefähr drei Raketen: das war es mit dem
Feuerwerk. Zum Glück hatte ich mir extra Wunderkerzen schicken lassen, die ich
an meine Freunde verteilte (was uns natürlich für die Inder noch interessanter
machte). Um halb eins war das Spektakel beendet: Sperrstunde. Die Polizisten
trieben alle von der Promenade und wir ließen uns mit der Masse zurück zu unserem
Hotel treiben. Ich war wirklich froh, als wir angekommen waren, keiner von
einem betrunkenen Motorradfahrer angefahren wurde und ich nicht mehr tausend
Händen ausweichen musste, die mir ein Happy New Year wünschen wollten. So hatte
das Jahr irgendwie komisch angefangen (das haben bei mir aber die meisten
letzten Jahre). Die Stunden danach machten das wett: ich saß mit zwei oder drei
anderen hinter unserem Haus, die anderen rauchten und rauchten und ich saß
dabei und wir unterhielten uns gut und hörten deutsches Radio bis um sechs Uhr
morgens. Dann schlief ich noch ein paar Stunden auf ein paar zusammengeschobenen
Sitzkissen und um zwölf ging der Großteil der Gruppe zum Busstand und wir
gingen in ein Hotel, wo man richtig fett europäisch frühstücken kann. Wir
verbrachten die nächsten zwei Stunden damit, Müsli, Brot und Croissants zu
essen, Kaffee und Saft zu trinken, und aufs Meer zu schauen. Jetzt ist schon
2015: ich kann es gar nicht glauben. Ich bin mir sicher, dass die Zeit hier
super schnell vergehen wird, vor allem, da mir jetzt jede Menge Reisen bevor
stehen. Aber ich freue mich auf das neue Jahr und auf das, was es mir bringen
wird: Langweilig wird es mir bestimmt nicht!
Und falls jetzt jemand tatsächlich bis hier gekommen ist: entschuldigt das Layout. Ich sitze jetzt schon seit drei Stunden im Cafe und schnorre Internet und langsam hab ich keine Lust mehr.
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