Mittwoch, 7. Januar 2015

Happy Birthday, Jesus!


Ich wurde von vielen in der Adventszeit gefragt, ob wir überhaupt Weihnachten feiern. Dazu kann ich nur sagen: JA! JA! JA! Falls ihr es noch nicht mitgekriegt habt: Unser Projekt ist richtig christlich, also wirklich sehr christlich. Natürlich wird Weihnachten gefeiert! Alle waren ganz aufgeregt. Es wurde sogar extra gestrichen bei uns im Projekt, damit zu Weihnachten alles schön aussieht (jetzt ist es sehr bunt und sehr schweinchenrosa, und die Jungsseite, wo die Besucher normalerweise nicht hingehen, ist auch noch nicht gestrichen). Außerdem wurde ein kleiner Plastikweihnachtsbaum aufgestellt, der in einem umgedrehten Regenschirm befestigt war. Der Regenschirm, der jetzt ja so eine Art Schale bildete, war gefüllt mit Styroporkügelchen- es sei ihnen verziehen, sie haben ja noch nie richtigen Schnee gesehen. Davor standen drei richtig gruselige Nikoläuse. Dieses Arrangement wurde uns ganz stolz gezeigt und wir wunderten uns drei Tage lang, dann wurde es weggestellt, weil die Malerarbeiten begannen. Ich bin ganz froh, dass sie es nicht wieder hervorgeholt haben, als die Außenseite fertig war.
Weihnachten begann für uns schon am Samstag, ich glaube, das war der 20 Dezember. Es gab eine große Pre-Christmas-Feier. Im Vorfeld wurde uns erzählt, dass an dem Tag Saris an die 'armen Leute' verteilt werden sollten, die da kommen würden, und dass jede Mitarbeiterin des Projekts fünf Saris spenden würde. Wir fühlten uns dann mehr oder weniger verpflichtet, das auch zu machen, und gingen in die Stadt, um Saris zu shoppen- auch wenn wir für uns selbst noch nie einen gekauft hatten. Der Samstag begann mit einem Gottesdienst-einem seeeehr langen Gottesdienst. Es waren tatsächlich sehr viele Besucher da, auch viele, die ich entweder noch nie gesehen hatte oder vom Sehen aus dem Dorf kannte. Der ganze Kirchenraum (eigentlich ja der Mädelsraum, wo sie sonst schlafen und Hausaufgaben machen) saß voll und auch davor saßen noch viele Frauen. Meistens sind viel mehr Frauen in der Kirche als Männer und an diesem Tag war es noch extremer. 

Plötzlich so viele Leute im Projekt...
Nach dem Gottesdienst gingen alle aufs Dach, wo eine lange Tafel aufgebaut war. Es gab Reis aus riesigen Töpfen und wir aßen in Schichten, weil nicht alle an die Tische passten. 
Annika und ich mit unserer Gastschwester Arlene

'Sister, foto, foto!!'

Nach dem Essen ging es auf dem Dach weiter, wo extra ein Zelt aufgebaut worden war. Es wurden noch ein paar Lieder gesungen und Ansprachen gehalten, sogar ein paar offizielle Politiker waren gekommen, was unseren Gastvater sehr erfreute. Zur Feier des Tages waren sogar ein paar Musiker engagiert worden, die ein Keyboard und ein elektrisches Schlagzeug dabei hatten. An sich wäre das ganz cool gewesen, aber leider waren die Instrumente viel zu laut eingestellt, dann musste man natürlich die Stimmen auch lauter stellen- am Ende war das ganze ohrenbetäubend und nicht mehr angenehm, sondern eher der Auslöser für Kopfschmerzen.

Meer aus Saris
 
Irgendwann hatte jeder, der etwas zu sagen hatte, was gesagt oder sein Liedele gesungen und es wurden die Saris verteilt. Die Frauen wurden namentlich aufgerufen und kamen nach vorne und bekamen eben einen Sari, manche auch zwei. Außerdem gab es für jeden noch einen Sack Reis und morgens in der Kirche waren schon mehr oder weniger schöne Bilder verteilt worden, auf denen eine Taube und ein paar Weinblätter zu sehen sind und auf Tamil ein Bibelspruch steht (also, ich kann das nicht lesen, aber ich vermute mal, dass es ein Bibelspruch ist). Der beste Teil des Programms kam dann: es wurden noch mehr Lieder gesungen und die Musiker spielten und irgendwann begann ein sehr sympathischer Pastor, zu tanzen. Der Mann war mir schon vorher aufgefallen, weil er richtig nett mit den Kindern umging und insgesamt wirkte wie ein überdimensionierter Teddybär. So wurden die anderen Pastors irgendwann mitgerissen und tanzten nacheinander und ich wippte schon so mit und die Mädels versuchten, mich zu überreden, auch nach vorne zu gehen- alleine. Das war mir dann doch zu unangenehm, aber irgendwann standen ein paar von ihnen auf und zogen mich mit und wir standen vor einer Menge Leute und tanzten. Ich weiß nicht, wie das aussah, aber es muss sehr lustig gewesen sein. Ich fühlte mich dabei aber kein bisschen unwohl muss ich sagen: Ich war in dem Moment richtig glücklich. Das sah dann bestimmt noch witziger aus, weil ich sicher bin, dass ich so ein richtig fettes Grinsen im Gesicht hatte, aber ich fühlte mich so gut: mit meinen ganzen Mädels vorne zu stehen und in lachende Gesichter zu blicken, die einem aus dem bunten Sarimeer entgegen blicken. Die Mädels meinten danach, dass ich sehr 'cute' getanzt hätte- auch was wert. Übrigens kam irgendwann auch noch der sympathische Pastor dazu und begann, einen Kopfstand zu machen. Da war die Stimmung dann auf ihrem Höhepunkt!
Um vier war das Programm beendet und Annika und ich machten uns auf den Weg zu zwei Freundinnen ins Projekt, die uns eingeladen hatten. Dort machten wir abends unsere eigene Weihnachtsfeier: ich hatte Plätzchen und Marzipankartoffeln, ein Gesangbuch und eins unserer grünen Liederhefte, was mir meine Oma geschickt hatte. Momo und Fiona hatten Tee, Apfelringe und Lindt-Schokolade und eine Gitarre und eine Flöte. So saßen wir da, schlemmten und sangen Weihnachtslieder und waren sehr zufrieden mit der Welt.
In den Tagen bis Weihnachten bastelten wir noch mit den Kindern Weihnachtssterne aus Transparent-Papier, das Fiona geschickt gekriegt hatte und das bei ihnen übrig war. (Das sag ich jetzt eigentlich nur, um euch ein paar süße Fotos von unseren Kindern präsentieren zu können :D)

 

 

 

Zu diesem Bild bleibt wohl nichts mehr zu sagen außer: Schade, dass es nicht scharf ist.

Die Kinder hatten noch Schule bis zum 23. Dezember. In dieser Zeit und auch in der Woche davor hatten sie Exams, was heißt, dass sie nur halbtags Schule haben. Was für uns hieß, dass wir plötzlich viel mehr Zeit im Projekt verbrachten, um mit den Mädels Englisch und Mathe zu lernen. Es war zwar oft anstrengend, aber ich genoss es auch richtig, weil mir hier doch manchmal das Gefühl fehlt, gebraucht zu werden. Ab dem 24. hatten die Kinder frei. Wir kamen erst vormittags, weil unser Gastvater meinte, wir sollten uns morgens ausruhen. Wir wussten jetzt nicht so richtig, was uns erwartete, aber wer hätte es gedacht: es war mal wieder Gottesdienst. Ein Bekannter des Gastvaters war gekommen, der auch Leiter einer NGO ist. Es gab wieder Gottesdienst und die Kinder führten Tänze auf und letztendlich endeten auch wir wieder tanzend auf der Bühne. Am Ende bekamen manche der Mädchen von dem Bekannten noch einen Satz Kleidung geschenkt- aber nur manche, und von den Jungs kriegte keiner was. Kaum war der Bekannte weg, beschwerte sich unser Gastvater darüber, dass er den Bekannten nach Geld gefragt hätte und was bringt er: nur ein paar Geschenke. Er redete noch eine Weile weiter und wir verstanden nur die Hälfte. Abends kam übrigens noch ein anderer Mann und brachte Klamotten für die Jungs. Ob die jüngeren Mädchen auch noch was gekriegt haben, haben wir leider nicht mitgekriegt.
Alle wuselten den ganzen Nachmittag herum und wir wussten nicht so richtig, was wir tun sollten, weil alle unglaublich beschäftigt schienen, aber keiner Arbeit für uns hatte. Ich ging irgendwann zu den Mädels und prompt wurde ich in einen ihrer Tänze eingebunden: im klassischen tamilischen Tanz benutzt man manchmal solche Stöcke, die man so gegeneinander schlägt oder gegen die des Partners. Weil ihr Tanz morgens nicht so gut geklappt hatte, sollten Annika und ich das jetzt aufpeppen. Wir machten es zweimal durch und wir nahmen das Ganze nicht so ernst, dann fing plötzlich der Gottesdienst an. 

Unser Gastvater und unser Gastbruder

Jungs beim Tanzen


Ja und dann am Ende des Gottesdienstes wurden wir auf die Bühne geholt und mussten mittanzen. Wir hatten viel Spaß und die Zuschauer hatten auch bestimmt viel Spaß, mehr muss ich dazu wohl nicht sagen (wobei es erstaunlich gut geklappt hat). Um zehn war das Programm zu Ende. Eigentlich wurde uns angekündigt, dass es ein Night Prayer geben sollte, von 11 bis halb zwei, aber entweder sie dachten, es wäre dann für uns zu spät, oder es wurde wirklich gecancelt, jedenfalls wurden wir nach Hause gebracht. Annika und ich nutzen die Chance und machten für uns nochmal eine kleine Weihnachtsfeier, zündeten die Kerzen unseres Adventskranzes an und sangen wieder Weihnachtslieder. Dann packten wir die Geschenke aus, die wir hatten: ich hatte eines von meiner Mutter (auch wenn ich schon wusste, was drin war) und ein Paket von meiner Oma, aus dem ich vorher nur die Weihnachtskekse und das Liederheft herausgezogen hatte. Ich fand darin dann zum Beispiel noch eine Bibel, aus der wir uns gleich noch die Weihnachtsgeschichte vorlasen, und- oh Freude!!- eine Engardiner Nusstorte, die immer noch sehr gut schmeckte. Außerdem hatte Annika mir einen lieben Brief geschrieben. Um zwölf kam eins der Mädchen nochmal aus ihrem Zimmer, um uns 'Happy Christmas' zu wünschen, das ist hier wohl erst ab 12. Dann gingen wir schlafen- ein seltsamer heiliger Abend. Zum essen gab es übrigens Reis mit Rassam (das ist so eine dünne Soße, die nach fast nichts schmeckt) und ein bisschen Fleisch- und zwar zum Mittag- und zum Abendessen
.
Am 25. gingen wir morgens ins Projekt, um – Überraschung- wieder dem Gottesdienst beizuwohnen. Ich gestehe: Nachdem wir schon am Tag vorher mehrere Stunden im Gottesdienst verbracht hatten, hatte ich nicht mehr so viel Lust und las deshalb die ganze Zeit. Mein Buch war gut, deshalb wars dann ganz okay ;) Der Gottesdienst dauerte vier Stunden. Zum Mittagessen gab es Chicken Briyani, das ist so ein Reis, in dem die Soße schon drin ist. Eigentlich schmeckt der ganz gut, ich bin hier nur nicht so der Chicken-Freund, weil das meistens sehr fettig und knochig ist. Weil Weihnachten war und wir jegliches Heimweh vermeiden wollten, blieben wir den ganzen Tag im Projekt. Nach dem Essen legten sich alle hin, um zu schlafen- wir legten uns zwischen die Mädels und machten auf dem blanken Boden einen ausgiebigen Mittagsschlaf. Um fünf wurden wir geweckt und ich telefonierte bald danach noch eine Stunde auf dem Dach mit meiner Familie. Der Tag ging dann seinen gewohnten Lauf, wir halfen in der Küche und als wir heimkamen, schauten wir noch 10 Dinge, die ich an der hasse (als Traumschiffersatz). Übrigens hatte ich heute zum ersten Mal meinen selbstgekauften Sari an (den wir am 23. noch gekauft hatten.) Ich bin richtig stolz auf ihn und finde ihn super schön! Leider sind Saris echt nicht so praktisch und ich kann ihn auch noch nicht alleine anziehen, das will ich auf jeden Fall noch lernen.
Wir in unseren neuen Saris! :)
Am nächsten Tag kamen wir ins Projekt und fragten, was heute so passieren würde, da meinte Shanti: 'Ja, nichts?! Christmas finished. Normal day.' Trotzdem war wieder Kirche. Zum Glück hatte unsere Gastschwester Arlene Freundinnen zu Besuch, bei denen wir dann waren und uns so teilweise vor dem Gottesdienst drücken konnten. Die Freundinnen hatten einen Kuchen mitgebracht- Happy Birthday Jesus! Fehlte nur noch das Geburtstagslied. Sie hatten sogar an so ein Knallbonbon gedacht, das Konfetti schießt (was dann zuerst keiner aufgekriegt hat und dann im Kuchen landete) und an eine dieser fancy Lotus-Blüten aus Plastik, die zuerst zu sind und wenn man die Kerze oben drauf anzündet aufklappen und anfangen, Happy Birthday zu düdeln. Ich liebe diese Dinger, ich werde davon ganz viele nach Deutschland importieren! 

 
 
Wir gingen dann um halb zwei mal Mittagessen, während die Kinder immer noch im Gottesdienst saßen. Dann fuhren Annika und ich in die Stadt- wir hatten uns gegenseitig zu Weihnachten eine Ayurveda-Massage geschenkt, die wir dann gleich machen lassen gingen. Danach spazierten wir noch zum Strand und sangen Weihnachtslieder, die uns der Wind von den Lippen riss, weil es so stürmte. 
Dann fuhren wir wieder ins Projekt, wo nur noch ungefähr die Hälfte der Kinder da war: Die Kinder hatten Ferien bis zum 1. Januar und wurden von ihren Eltern oder anderen Familienmitgliedern abgeholt. Abends packten wir noch und kämmten die Läuse aus, die über die Weihnachtstage auf unseren Köpfen eingezogen waren. Christmas finished. 



Wir haben es geschafft, Weihnachten ganz ohne Heimweh zu überstehen (wobei, das Essen hab ich schon vermisst), und das haben wir wohl hauptsächlich unseren wunderbaren Kindern zu verdanken!




Dann kam eine Anti-Weihnachts-Phase mit ganz viel Hindu-Kultur: siehe nächster Post. 

Zu Silvester (das gehört für mich auch in diese Zeit, deshalb dieser Post) trafen wir uns mit 13 anderen Freiwilligen in Pondicherry. Wer von euch Schiffbruch mit Tiger gelesen hat: das ist die Stadt, in der Pis Vater den Zoo hat und die Geschichte losgeht. (Im Film kommt das glaube ich leider nicht vor). Pondicherry, kurz Pondi, war früher eine Kolonie der Franzosen, das merkt man heute auch noch. Nach einigem Chaos im Vorfeld wegen der Zimmer hatten wir auch etwas gefunden, wo wir alle 15 für wenig Geld unterkamen, außerdem war auch Annikas und mein Magen, den wir uns kurz vor unserem Urlaub gehörig verdorben hatten, wieder einigermaßen im Gleichgewicht. Die Gruppe war für meinen Geschmack zu groß, aber letztendlich verbrachten wir einen netten Abend, aßen gut und spazierten dann zur Strandpromenade, die von unendlich vielen Indern bevölkert wurde. Die meisten davon waren männlich und zwischen 20 und 30 und angetrunken, wir waren beliebte Fotoobjekte und wurden ständig angelabert und außerdem grölten die Inder die ganze Zeit herum. In das Spektakel mischten sich richtig viele Polizisten und wir waren nur so mittelentspannt. Um zwölf gab es ungefähr drei Raketen: das war es mit dem Feuerwerk. Zum Glück hatte ich mir extra Wunderkerzen schicken lassen, die ich an meine Freunde verteilte (was uns natürlich für die Inder noch interessanter machte). Um halb eins war das Spektakel beendet: Sperrstunde. Die Polizisten trieben alle von der Promenade und wir ließen uns mit der Masse zurück zu unserem Hotel treiben. Ich war wirklich froh, als wir angekommen waren, keiner von einem betrunkenen Motorradfahrer angefahren wurde und ich nicht mehr tausend Händen ausweichen musste, die mir ein Happy New Year wünschen wollten. So hatte das Jahr irgendwie komisch angefangen (das haben bei mir aber die meisten letzten Jahre). Die Stunden danach machten das wett: ich saß mit zwei oder drei anderen hinter unserem Haus, die anderen rauchten und rauchten und ich saß dabei und wir unterhielten uns gut und hörten deutsches Radio bis um sechs Uhr morgens. Dann schlief ich noch ein paar Stunden auf ein paar zusammengeschobenen Sitzkissen und um zwölf ging der Großteil der Gruppe zum Busstand und wir gingen in ein Hotel, wo man richtig fett europäisch frühstücken kann. Wir verbrachten die nächsten zwei Stunden damit, Müsli, Brot und Croissants zu essen, Kaffee und Saft zu trinken, und aufs Meer zu schauen. Jetzt ist schon 2015: ich kann es gar nicht glauben. Ich bin mir sicher, dass die Zeit hier super schnell vergehen wird, vor allem, da mir jetzt jede Menge Reisen bevor stehen. Aber ich freue mich auf das neue Jahr und auf das, was es mir bringen wird: Langweilig wird es mir bestimmt nicht! 

Und falls jetzt jemand tatsächlich bis hier gekommen ist: entschuldigt das Layout. Ich sitze jetzt schon seit drei Stunden im Cafe und schnorre Internet und langsam hab ich keine Lust mehr. 

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