Mittwoch, 21. Januar 2015

Eine Woche in Mysore





Falls ihr euch wundert, dass in letzter Zeit nur noch Beiträge über Urlaub kommen: in letzter Zeit waren wir tatsächlich ziemlich viel weg. Das liegt aber auch daran, dass wirklich viele Feiertage waren. Letzte Woche war Pongal, das ist eine Art hinduistisches Erntedank-Fest. Zwei Tage waren government holiday und wir hatten die Wochenenden davor fleißig gearbeitet und so eine Woche frei. Anfangs war ich ein bisschen traurig, weil die Kinder an den zwei Tagen auch frei haben und wir so viel Zeit mit ihnen verbringen könnten, aber dann erfuhren wir am Samstag, dass die Kinder einfach zwei Tage Schule geschwänzt haben und für eine Woche nach Hause gefahren sind- also alles gut. Wir nahmen am Sonntag den Nachtbus nach Bangalore (leider hatten wir nicht damit gerechnet, dass der Bus klimatisiert wäre, weshalb ich dann trotz Jacke und Schal zehn Stunden lang fror). In Bangalore kamen wir gegen vier an (es war dann noch viel kälter) und nahmen dann nach einiger Wartezeit und Verwirrung wegen der Busbahnhöfe den Bus nach Mysore. Der war zum Glück sehr bequem und wir konnten noch drei Stunden schlafen, weshalb wir dann auch am Montag schon einsatzfähig waren. Wir gingen zuerst mal zum Hotel, wo wir schon Zimmer reserviert hatten. Das Zimmer sollte erst um zwölf fertig sein, weshalb wir zuerst mal frühstücken gingen. Auf der Suche nach einem Restaurant, das schon geöffnet hat, trafen wir einen älteren Mann, der plappernd neben uns herlief (besser gesagt: er traf uns). Er sang uns Bob Marley Lieder vor und ich war eigentlich überzeugt davon, dass er uns Drogen verkaufen wollte, letztendlich lieferte er uns nur bei einem Restaurant ab und wir sagten ihm, dass wir danach erst mal ins Hotel wollten und nicht mehr mit ihm mitkommen. Danach tranken wir noch einen Kaffee in einer sehr westlichen Cafe-Kette und planten unseren Aufenthalt. Gegen zwölf wollten wir wieder zurück zum Hotel, um noch zu duschen und uns danach den berühmten Palast anzuschauen. Unterwegs trafen wir einen jungen Mann, der uns auch von der Seite anlaberte und uns zuerst einen Markt zeigte (der nicht im Reiseführer steht, es gibt noch einen ganz berühmten anderen Markt) und dann noch ein richtig hübsches Geschäft für Öle. Mysore ist nämlich berühmt für verschiedene Dinge: Duftöle, Räucherstäbchen, Seide und Sandelholz in allen Variationen. Am Ende erzählte er uns noch, dass er im Palast als mahout (also Elefantenführer) arbeiten würde und dass es um drei einen Auftritt der 11 Elefanten des Palastes geben sollte. Den wollten wir natürlich sehen und gingen deshalb um kurz vor drei zum Palast.
Der ist von außen sehr imposant, weshalb wir erst mal herum liefen und Fotos machten, drinnen darf man nämlich nicht fotografieren. Dann gingen wir rein, um uns das prächtige Gebäude anzuschauen. Wir wollten ja um drei die Elefanten sehen, weshalb wir sehr eilig waren und uns nicht so genau umschauten, als wir dann rauskamen, waren wir trotzdem zu spät. Danach bezogen wir dann unser Zimmer und entspannten uns für ein Stündchen, abends machten wir noch einen Ausflug auf den berühmten Markt, der allerdings nicht mehr sehr belebt war. Außerdem war ich einfach nur erledigt: im Bus schläft man nicht so gut, vor allem wenn die Temperatur gegen die Minusgerade geht (ich hatte sogar einen Traum davon, dass ich in Kanada im Schnee laufe. Bleibt wohl nichts mehr zu sagen), und wir haben schon so viel gemacht und so viele Eindrücke, dass ich abends wirklich komplett überreizt war und todmüde ins Bett fiel.

Priester bei der Arbeit
Am nächsten Tag fuhren wir morgens mit dem Bus auf einen Berg in der Nähe von Mysore, auf dem ein Tempel steht. Man kann mit dem Bus über eine lange Straße nach oben fahren. Der Andrang ließ zwar anderes vermuten, aber der Tempel war nicht sehr sehenswert, das einzig coole waren die Zeremonien, die wir beobachten konnten: ein Priester las in einem Singsang aus einem Buch und die anderen warfen alles Moegliche ins Feuer. Wirklich schön war dann aber der Abstieg: tausend Treppenstufen führen auf den Berg. Die krassen Pilger laufen diese Treppenstufen nach oben und machen auf jede Stufe einen roten und einen gelben Punkt.
Wir gingen die Stufen nur nach unten und als wir unten ankamen, schlotterten mir die Beine (und die nächsten Tage hatte ich höllischen Muskelkater in den Waden…). Nach einem Mittagessen machten wir eine von unserem Hotel angebotene Tour. Wir wurden von einem Mann im Hotel abgeholt, der mit uns in ein anderes Viertel fuhr. Das eigentlich spannende an der Tour war eben dieses Viertel: total verwinkelt und mit lauter Hinterhöfen und kleinen Gässchen. Als erstes besuchten wir eine Räucherstäbchen-Heimfabrik, wo vier Frauen in beeindruckender Geschwindigkeit die Räucherstäbchen rollten. Dann fuhren wir weiter und kamen in ein Zimmer, in dem Beedis gerollt werden. Beedis sind die 'indischen Malboros': der Tabak wird in ein Pflanzenblatt gerollt. Falls man also auf der Straße läuft und einem ein sehr seltsamer Rauch entgegenweht, sind das meistens Beedis, die sehr günstig verkauft werden. Als nächstes kamen wir zu einem Ölgeschäft, wo wir noch einen Chai bekamen. Das Geschäft war aber bei weitem nicht so schön wie das, was wir am Tag vorher schon entdeckt hatten, außerdem war es noch teurer, weshalb wir nichts kauften und dann zurück zum Hotel gingen. Der nächste Programmpunkt war ein Besuch des Jaganmohan-Palastes, der früher der Wohnort der Herrscherfamilie war, dann wurde aber der neue, größere Palast gebaut und der Jaganmohan-Palast in ein Museum umgewandelt. Amüsant war schon der Weg dahin: wir kamen an einem anderen Prachtgebäude vorbei, das bestimmt eine Art Rathaus oder so war-davor saßen nämlich Männer im Schatten, die mit Schreibmaschinen offizielle Dokumente schreiben. Das Jaganmohan-Museum war, wie die meisten indischen Museen, ein bisschen skurril und ein bisschen zusammengewürfelt, unter anderem gab es Möbelstücke, Musikinstrumente und Gemälde. Danach waren wir noch ein bisschen bummeln und abends wollten wir uns eigentlich ein paar beleuchtete Brunnen in Gärten außerhalb von Mysore anschauen, aber leider kamen wir da zu spät, weshalb wir unverrichteter Dinge wieder zurückfahren mussten.
Ein besonderes Highlight in unserem Mysore-Aufenthalt war unser Tagesausflug am Mittwoch. Wir fuhren mit dem Bus nach Bylakuppe, ein 'Flüchtlingslager' für Tibeter. Es gibt dort laut Reiseführer 20.000 Exiltibeter und 5500 Mönche, die mehrere Klöster gebaut haben. 1200 Hektar wurden den Tibetern zur Verfügung gestellt, wo mehrere Dörfer und Klöster in wunderschöner Natur entstanden sind. Als erstes besuchten wir das bekannteste Kloster, das einen goldenen Tempel hat. Zusammen mit einer Menge indischer Touristen spazierten wir herum und beobachteten die Mönche bei ihrem Alltag. 


Besonders süß waren die kleinen Mönche, die wie ganz normale Kinder Fußball spielten und herumtollten.
Irgendwie habe ich mir so ein Kloster immer ganz anders vorgestellt, aber auch die Mönche tippten auf ihren Smartphones herum und machten Scherze, schlugen sich gegenseitig auf die Schulter und verhielten sich wie ganz normale Menschen (gut, ein bisschen naiv war ich schon, zu erwarten, dass das irgendwie anders ist.) Wenn man mal ein bisschen von den Hauptwegen abbog, war man auch ganz schnell ganz allein und konnte doch noch die spirituelle Atmosphäre genießen. Danach wollten wir tibetisch essen gehen, wenn man schon mal fast in Tibet ist… Allerdings fanden wir in Umgebung des Klosters nur normale indische Restaurants. Stattdessen wurden wir von einem Polizisten angesprochen, ob wir ihm unsere Aufenthaltsgenehmigung für das Gebiet zeigen könnten. Von sowas hatten wir im Reiseführer gelesen, da stand aber, dass man das nur braucht, wenn man über Nacht bleibt. Entweder wollte der Polizist sich etwas dazu verdienen oder die Bestimmungen wurden geändert, jedenfalls waren wir anscheinend illegal in diesem besonderen Gebiet. Der Polizist meinte, wir sollten jetzt dahin zurückfahren, wo wir hergekommen wären, wir nahmen ihn allerdings nicht so ernst und stiegen zwar in eine Rikscha, aber beim nächsten Camp (also Dorf) stiegen wir wieder aus, als wir ein paar Restaurants entdeckten. Die hatten allerdings zu unserer Überraschung wieder kein tibetisches Essen sondern entweder nur Fleisch oder chinesisch (finde den Fehler…). Wir spazierten dann einfach eine Straße hoch und fanden nach einigem Suchen doch noch ein geöffnetes Restaurant. Der Kellner meinte, dass die Speisekarte auf Tibetisch sei, aber er könne uns einfach ein paar verschiedene Gerichte bringen. Juhu, genau sowas wollten wir!
Nach einer Weile Wartezeit kam dann auch das Essen, je eine Schale Reis, zwei verschiedene Gemüsegerichte und Kartoffeln in einer Soße. Wir machten uns einen Spaß daraus, mit Stäbchen zu essen und brauchten dementsprechend auch eine Weile (in Vietnam habe ich das zwar mal gelernt, aber ich bin ein bisschen aus der Übung). Der Kellner war sehr nett und redete noch eine Weile mit uns und empfahl uns, noch in ein anderes Kloster zu gehen, was viel weniger touristisch sei. So hielten wir nach dem Essen eine Rikscha an (die wir uns mit zwei Mönchen teilten) und fuhren in dieses andere Kloster. Tatsächlich waren wir die einzigen Touristen und bis auf eine Tibeterin, die wir kurz sahen, auch die einzigen Frauen in der Anlage. Die Mönche beachteten uns nicht weiter und wir schauten uns um und wollten dann noch kurz auf die Toilette. Da eben keine Touristen kommen, gab es auch keine extra Toiletten, weshalb wir die hinter der Küche benutzen durften. Die Küche fand ich ganz schön interessant, weshalb ich zuerst durchs Fenster spannte, bis uns ein Mönch entdeckte und hereinrief. Da standen wir dann und kamen gerade rechtzeitig um zu sehen, wie der Reis aus riesigen Töpfen mit einer Art Kippmechanismus in andere riesige Töpfe geleert wurde, die dann von mehreren Mönchen nach vorne gezogen wurden und dann in kleinere Töpfe verteilt. Ich war beeindruckt: So eine riesige Menge Reis und der sah einfach richtig gut aus.
Unsere Köchin ist in letzter Zeit wohl verliebt oder so, jedenfalls ist der Reis ganz oft entweder verkocht oder-noch viel schlimmer- angebrannt. Zum Reis gab es eine lecker aussehende Soße. Wir schauten dann noch beim Essen zu: immer mehr Mönche aller Altersklassen trafen sich auf dem Hof, um sich dann in kleinen Grüppchen zum Essen auf den Boden zu setzen. Ach ja: während wir uns mit den Stäbchen abgemüht hatten, aßen alle mit einem Löffel. Dann traten wir den Rückweg an (zum Glück ohne nochmal von der Polizei erwischt zu werden) und trafen uns abends noch mit anderen Freiwilligen zum Essen, die auch in Mysore waren.
Mit den anderen Freiwilligen verbrachten wir auch den nächsten Tag. Noch vor dem Frühstück gingen wir nochmal auf den Markt, wo wir endlich auch die lebende Mysore-Legende trafen: Adil, einen Ölverkäufer auf dem Markt. Die Freiwilligen aus Mysore und Umgebung treffen sich ständig bei Adil, um dort hinter dem Stand zu sitzen, Chai zu trinken, an Ölen zu schnüffeln, einfach dort zu chillen oder andere Freiwillige zu treffen. In seinem Gästebuch fanden wir auch einige unserer Freunde wieder, außerdem einen AFSer, der Annika und mich ausgewählt hat und ein Mädchen, das früher auf meiner Schule war. Nach dem Frühstück gingen wir nochmal in den Palast, den ich diesmal sehr ausführlich in Augenschein nahm.
Auch Fabelwesen gibts im Zoo...
Danach fuhren wir zum Zoo. Laut Reiseführer ist dieser Zoo einer der schönsten Indiens. Die Gehege waren wirklich teilweise sehr schön, aber alle richtig klein. Trotzdem war es interessant, weil es auch teilweise Tiere gab, die ich noch nie gesehen hatte. Außerdem war es auch ein passender Ort, um die Inder in freier Wildbahn zu erleben: es gab einige Tourwägen, auf denen man durch den Zoo gekarrt wurde und so keinen Schritt tun musste, andere versuchten ständig, die Tiere durch Geräusche, Schreie und Gequietsche auf sich aufmerksam zu machen. Nachdem wir fünfmal gefragt wurden wo wir herkommen, begannen wir, ein paar weniger bekannte Orte als Deutschland zu nennen (Sonja meinte einmal: Africa. Die Frau meinte darauf nur: ok ok und lief weiter). Annika und ich holten nach dem Zoo noch unser Busticket für die Rückfahrt und danach an einer Straße mit richtig vielen Essständen ein leckeres Abendessen. Das verspeisten wir vor dem Palast,
der nämlich zu Sonn- und Feiertagen von 10.000 Glühbirnen beleuchtet wird. Wirklich ein Erlebnis!

Am Freitag hatten wir eigentlich einen Tagesausflug geplant, was uns dann aber zu stressig war. 









Stattdessen fuhren wir zu einem Tempel in der Nähe, der den Ausflug wirklich wert war. Die Fresken und Säulen sind schon über 800 Jahre alt und immer noch sehr gut erhalten und beeindruckend. 


Als wir wieder kamen, machten wir nochmal eine Shoppingtour durch die Seidengeschäfte und danach noch einen Ausflug auf den Markt. Den Abend verbrachten wir wieder mit den anderen, inzwischen hatten wir uns auch vermehrt, weshalb am Ende zeitweise zehn Freiwillige auf dem Dach saßen. Wir hatten wirklich einen schönen und interessanten Abend, der auch ein bisschen länger dauerte, weshalb wir uns am Samstag auch nur schwer aus dem Bett quälen konnten. Nach einem Frühstück gingen wir wieder zu Adil, wo ich mich auch mit gutriechenden Duftölen eindeckte, viele Leute kennenlernte und einen entspannten Morgen verbrachte. Danach gingen wir mit Hauke und Laura noch ein bisschen bummeln und dann wieder zu Adil, wo wir zu Mittag aßen und den restlichen Nachmittag verbrachten- ja, bei Adil vergisst man die Zeit. Um sechs nahmen wir dann den Bus nach Chennai, wo wir nach einer fast schlaflosen Nacht um halb sechs ankamen, praktischerweise gleich einen Bus nach Kalpakkam bekamen und dann den restlichen Sonntag mit schlafen, putzen und Serie schauen verbrachten.

Über den Berg


Am Samstag war Halbzeit, Bergfest, oder wie man es auch immer nennen mag: Mehr als die Hälfte unseres Jahres ist jetzt vorbei. Ich bin mir nicht ganz sicher, wie ich das finden soll. Mein Verhältnis zur Zeit ist hier irgendwie ganz komisch geworden, Dinge, die erst vor kurzem passiert sind, kommen mir viel länger vor (dass wir vor vier Tagen nach bei Adil gesessen haben, kann ich mir zum Beispiel nicht vorstellen), andererseits kann ich es immer noch nicht glauben, dass jetzt schon 2015 ist… Nun ist also schon mehr als die Hälfte meiner Zeit hier vorbei und ich habe das Gefühl, dass die zweite Hälfte jetzt auch unglaublich schnell vergehen wird. Wieder bin ich mir nicht sicher, wie ich das finde: einerseits gibt es schon einige Dinge in Indien, die mir auf die Nerven gehen, und ich vermisse meine Familie, meine Freunde und Käse. Andererseits gibt es noch viel mehr Dinge, die ich an Indien liebe: Blumenstände, Räucherstäbchen, Elefanten, Chai, die Gastfreundschaft, die Vielfalt, die bunten Schmetterling und die Tausendfüßler, die unsere Kinder leider immer erschlagen, das Rikschafahren, die Ghee- Süßigkeiten, Saris, von Wasserbüffeln gezogene Wagen, Straßenessen und frische Kokosnüsse und natürlich vor allem unsere Kinder. Wie auch immer, ich kann die Zeit sowieso nicht aufhalten und deshalb werde ich jetzt versuchen, sie zu füllen mit vielen guten Erfahrungen, Begegnungen und Taten, damit ich noch eine gute zweite Hälfte habe und dann in 168 Tagen (Angabe ohne Gewähr) zufrieden und erfüllt wieder nach Deutschland kommen kann. 

Wie ihr seht bin ich immer noch die Alte ;)

Freitag, 9. Januar 2015

Weihnachts-Kontrast-Programm


Nach vielen, vielen Stunden Gottesdienst reichte es uns ein bisschen von Weihnachten hier und weil außerdem die meisten Kinder nach Hause fuhren, entschlossen wir uns, auch ein paar Tage wegzufahren. Unsere Reise sollte nach Trichy gehen, eine Stadt, die im Süden Tamil Nadus liegt. Am Samstag standen wir also morgens um acht im Bus und schon nach fünf Minuten beklagte ich mich bei Annika, dass der Fahrstil des Fahrers mir gar nicht bekommen würde. Ich schob es erst darauf, dass ich noch nichts gefrühstückt hatte und kaufte mir am Rastplatz ein paar frittierte Teilchen. Das machte die ganze Sache nicht besser und was folgte, war eine äußerst unangenehme Busfahrt, während der ich mehrmals hektisch das Fenster hochschob, weil ich kurz davor war, mich zu übergeben. Schade eigentlich: die Fahrt wäre wirklich interessant gewesen, unter anderem kamen wir an riesigen Baumwollfeldern vorbei. In Trichy angekommen schleppten wir uns zu einem Hotel, wo ich auf das äußerst harte Bett fiel und den restlichen Nachmittag mehr oder weniger im Delirium verbrachte. Gegen sechs wachte ich auf und stürzte ins Bad. Danach ging es mir etwas besser, dafür ging es Annika nicht mehr gut- da hatten wir uns wohl beide den Magen verdorben, auch wenn uns nicht ganz klar ist, mit was. So verbrachten wir den restlichen Samstag im Bett und schon das Überqueren der zweispurigen Straße vor dem Hotel, um Wasser zu kaufen, erschien mir wie ein gefährliches Abenteuer, nach dem ich wieder erschöpft ins Bett plumpste.
Am nächsten Tag ging es uns ein bisschen besser und wir machten uns auf, um die Sehenswürdigkeiten von Trichy zu besichtigen. Als erstes besuchten wir die Lourdes-Church, die von außen sehr imposant war, von innen sehr rosa und im typisch indischen Kitsch-Glaubens-Stil.

Schon auf der Hinfahrt konnten wir unser nächstes Ziel bewundern, das Rock Fort. Trichy ist eigentlich wirklich flach, aber mitten in der Stadt befindet sich ein großer Felsen, auf dem ein Fort und ein Tempel gebaut sind. Der Felsen ist schon sehr alt, älter als das Himalaya-Gebirge. Wir spazierten eine Weile durch die Stadt und fanden den Eingang nicht, genossen aber auch das Gebummel durch die kleinen Gässchen. Nachdem wir den Eingang gefunden und den Eintritt bezahlt hatten, begannen wir den Aufstieg der über 400 Stufen. Nach 10 Stufen begann ich daran zu zweifeln, dass das mit unserem etwas angeknacksten Gesundheitszustand eine gute Idee gewesen war. Auf dem ersten Absatz betrachteten wir äußerst interessiert und intensiv den Souvenirstand. Auf dem zweiten Absatz freuten wir uns, dass wir noch einmal unsere Eintrittskarte vorzeigen mussten. Aber ja, wir haben es geschafft. Oben angekommen, wurden wir mit einem wunderbaren Ausblick über Trichy belohnt, leider war es ein bisschen neblig. Das wir schauten uns den Tempel an, das Fort war leider geschlossen. Dann machten wir noch eine ausgiebige Pause auf dem Felsen und futterten Datteln, um unseren Zuckerhaushalt wieder ins Lot zu kriegen.
Danach fuhren wir mit dem Bus in das ein paar Kilometer außerhalb gelegene Dorf Srirangam, wo einer der größten Tempel Südindiens steht. Ja-der Tempel war wirklich sehr groß. Außerdem wurde er gerade renoviert, weshalb viele Türme eingezäunt waren und es an manchen Stellen sehr laut war. Irgendwie war mir das Ganze zu viel, zu groß und zu unübersichtlich. Wir schauten uns alles an (zumindest alles, was wir fanden) und drehten dann ein paar Runden, weil wir den Ausgang nicht mehr fanden. Trotz allem- oder gerade deshalb- war der Tempel sehr beeindruckend. Unmengen von rot gekleideten Pilgern schlenderten herum, es gab Verkaufsstände und Bewirtung.
Schon sehr erledigt liefen wir noch zu einem zweiten Tempel, der etwas kleiner und gemütlicher war und uns deshalb etwas angenehmer erschien. Danach versuchten wir noch, etwas zu essen, was bei mir nur so mäßig gut klappte und ich bekam nicht mal eine kleine Portion Nudeln runter.
Am nächsten Tag fuhren wir mit dem Bus nach Tanjore, was zwischen dem 9. und dem 11. Jahrhundert die Hauptstadt des Chola-Reiches war, das sich über Südindien erstreckte. In Tanjore steht ein Herrscher-Palast, den man besichtigen kann. Zuerst ärgerten wir uns kurz: für Inder sollte der Eintritt zu allen Räumen 30 Rupien kosten, für Ausländer 150 Rupien. Zum Glück fiel Annika ein, dass wir ja offiziell in Indien registriert sind und damit als Inder zählen. Wir hielten dem Kassierer und allen anderen Karten-Kontrolleuren fröhlich unsere Registration unter die Nase und freuten uns richtig darüber, nur 30 Rupien zu bezahlen. Im Palast besichtigten wir erst den Thronsaal, der über und über bemalt war und mit Fresken verziert Danach kamen wir in einen seltsamen Raum, in dem allerlei Krimskrams ausgestellt war, zum Beispiel Schlüsselanhänger aus europäischen Städten. Der Sinn dieses "Museums" erschloss sich uns nicht ganz, das Highlight war eindeutig der Weg durch einen verwilderten Garten, in dem ein kleines Ziegenbaby mit seiner Mama herumtollte und die ersten Lauf- und Springversuche machte. Im Palast ist außerdem eine Kunstgalerie untergebracht, die sehr viele Bronzestatuen ausstelle. Außerdem hatte ein Angehöriger der Herrscherfamilie eine riesige Bibliothek angelegt, von der ein paar interessante Stücke ausgestellt werden. Trotz vieler Touristen herrschte im Palast eine angenehme Stimmung und wir verbrachten einige Stunden damit, uns die Pracht vorzustellen, die hier geherrscht haben muss. Gesundheitlich ganz auf der Höhe waren wir leider immer noch nicht, weshalb wir uns dann eine Rikscha gönnten, um zum zweiten Highlight der Stadt zu fahren, ein Tempel. Wir kamen gegen halb sieben an, was wirklich eine gute Zeit war, weil die Sonne langsam hinter den Tempeltürmen unterging. Im Vergleich zu den beiden großen Tempeln gestern war die Stimmung hier viel schöner und wir saßen lange Zeit einfach nur auf einem Steinplateau und beobachteten die Leute (und ließen uns fotografieren, wie immer). Auch hier waren die meisten Leute rot angezogen, was bedeutet, dass sie auf Pilgerfahrt unterwegs waren.
Am Dienstag fuhren wir zuerst zu den Ghats in Trichy. Ghats sind (laut meinem Reiseführer) 'Treppenstufen, die zu einem Fluss oder See hinabführen und an denen gewaschen wird oder Vebrennungszeremonien bzw. Kulthandlungen stattfinden'. Die berühmtesten Ghats Indiens sind wohl in Varanasi in Nordindien und die Ghats in Trichy sind wohl recht klein, aber trotzdem waren wir äußerst beeindruckt. Wir verbrachten lange Zeit damit, Frauen und Männern bei rituellen Waschungen zuzuschauen, ließen uns von einem Brahmanen (das sind die Angehörigen der höchsten Kaste, die für die Zeremonien zuständig sind) eine Pooja (so ein Hindu-Gebet) machen, zündeten eine Kerze an und ließen uns von einem Tempelelefanten segnen. Wir beobachteten, wie sich Männer den Kopf rasieren lassen, wie Frauen ihre Kinder vorwärts scheuchten und wurden betrachtet, angesprochen und eingeladen. Ich machte viele Fotos und wir genossen einfach die spirituelle Atmosphäre, die herrschte.
Danach stiegen wir wieder in den Bus. Schon die Ghats standen unter der Rubrik 'besonderer Tipp' in meinem geliebten Reiseführer, nun brachen wir auf zu weiteren Tempeln, die sich zwischen Trichy und Madurai befinden und die eben auch als 'besonderer Tipp' gekennzeichnet waren. Es waren zwei Tempel erwähnt, die sich in kleinen Dörfern befinden. Das erste Dorf kannte irgendwie keiner, weshalb wir dann erst mal zu dem zweiten Dorf fuhren. Dort fanden wir zuerst mal ein Fort vor, das-ähnlich wie das Fort in Trichy- mitten in der Landschaft auf einem Felsen liegt. Wir erwarteten eigentlich, dass da nichts los wäre, aber es waren jede Menge Inder da, die dort eine Pause mit ihrem Bus machten. Wieder spielten wir die Registration-Karte aus: Leider konnte der Kassierer kein Englisch, weshalb ein anderer Mann ihm unsere Registration übersetzen musste- so mussten wir dann statt 100 Rupien wieder nur 5 Rupien bezahlen-sowas macht mir wirklich Spaß. Der Haupttempel war letztendlich geschlossen, aber wir konnten einen kleinen Nebentempel ganz in Ruhe besichtigen, weil die Tür nur angelehnt war und wir an einem schlafenden Brahmanen vorbeischlichen. Danach befragten wir die Frauen, die am kleinen Dorf-Busstand saßen, wie wir in dieses andere Dorf und damit zu dem anderen Tempel kommen könnten. Eine wusste zum Glück Bescheid und meinte, dass die Haltestelle in noch einem anderen Dorf liegen würde und wir von dort aus die Rikscha nehmen sollten. Da wir beide ja gerade dank der Registration 190 Rupien gespart hatten, machte uns das nichts aus. Leider war an diesem Tag anscheinend ein Bus-Streik, weshalb nur sehr wenige Busse kamen, die dann auch immer aus allen Nähten platzten. Die Frauen am Busstand mussten in die gleiche Richtung wie wir, wollten aber nicht mit den vollen Bussen fahren und hielten uns dann auch immer zurück, bis endlich ein Bus kam, der ihren Ansprüchen genügte. Letztendlich erklärte uns der Rikscha-Fahrer im nächsten Dorf, dass man zu dem Tempel auch laufen könnte und so spazierten wir los, durch grüne Felder und vorbei an einsamen Häusern. Auf dem Weg trafen wir einen taubstummen Mann, der uns noch einen Schleichweg zeigte und bis zum 'Tempel' brachte. Ich sage euch, so einen seltsamen 'Tempel' habe ich echt noch nie gesehen: man lief bestimmt fünf Minuten einen geraden Weg entlang, der gesäumt war von Tonpferden. Diese waren teils angemalt und noch intakt, manche waren sogar 'angezogen' mit bunten Stoffen, aber die meisten waren geköpft, bei manchen war nur noch der Torso übrig. Nach einer Weile passierte man zwei große Statuen und dann kam man am Ende des Weges an, wo fünf Brahmanen auf dem Boden dösten, aber sofort aufsprangen, als wir kamen. Unter einem großen Baum standen ein paar Statuen und es gab einen kleinen Altar- und das wars. Richtig seltsam! Aber natürlich auch interessant und die Landschaft war wirklich schön, weshalb sich auch das gelohnt hatte. Wir schliefen dann noch eine Nacht in Trichy und machten uns am nächsten Morgen auf den Weg nach Pondicherry, um die anderen Freiwilligen zu treffen. Unser Magen hatte sich inzwischen übrigens wieder beruhigt, auch wenn wir in Trichy immer höchstens zwei Mahlzeiten am Tag eingenommen haben. Das war aber nicht so schlimm, meine größte Sorge war es gewesen, entweder kotzend ins neue Jahr zu kommen oder aber an Silvester und an Neujahr das Essen nicht genießen zu können, worauf wir uns schon so lange gefreut hatten! Diese Sorge war zum Glück unbegründet, wie es dann in Pondi weiterging, steht ja im vorherigen Post. 

PS: Ich sass gerade zwei Stunden lang im Internet-Cafe und habe darauf gewartet, dass sich die schoenen Fotos, die ich ausgesucht hatte, hochladen. Beim letzten hat es irgendwie nicht mehr funktioniert und jetzt sind alle weg und ich gehoerig genervt- diesmal gibt es leider nur den Bericht. 

Mittwoch, 7. Januar 2015

Happy Birthday, Jesus!


Ich wurde von vielen in der Adventszeit gefragt, ob wir überhaupt Weihnachten feiern. Dazu kann ich nur sagen: JA! JA! JA! Falls ihr es noch nicht mitgekriegt habt: Unser Projekt ist richtig christlich, also wirklich sehr christlich. Natürlich wird Weihnachten gefeiert! Alle waren ganz aufgeregt. Es wurde sogar extra gestrichen bei uns im Projekt, damit zu Weihnachten alles schön aussieht (jetzt ist es sehr bunt und sehr schweinchenrosa, und die Jungsseite, wo die Besucher normalerweise nicht hingehen, ist auch noch nicht gestrichen). Außerdem wurde ein kleiner Plastikweihnachtsbaum aufgestellt, der in einem umgedrehten Regenschirm befestigt war. Der Regenschirm, der jetzt ja so eine Art Schale bildete, war gefüllt mit Styroporkügelchen- es sei ihnen verziehen, sie haben ja noch nie richtigen Schnee gesehen. Davor standen drei richtig gruselige Nikoläuse. Dieses Arrangement wurde uns ganz stolz gezeigt und wir wunderten uns drei Tage lang, dann wurde es weggestellt, weil die Malerarbeiten begannen. Ich bin ganz froh, dass sie es nicht wieder hervorgeholt haben, als die Außenseite fertig war.
Weihnachten begann für uns schon am Samstag, ich glaube, das war der 20 Dezember. Es gab eine große Pre-Christmas-Feier. Im Vorfeld wurde uns erzählt, dass an dem Tag Saris an die 'armen Leute' verteilt werden sollten, die da kommen würden, und dass jede Mitarbeiterin des Projekts fünf Saris spenden würde. Wir fühlten uns dann mehr oder weniger verpflichtet, das auch zu machen, und gingen in die Stadt, um Saris zu shoppen- auch wenn wir für uns selbst noch nie einen gekauft hatten. Der Samstag begann mit einem Gottesdienst-einem seeeehr langen Gottesdienst. Es waren tatsächlich sehr viele Besucher da, auch viele, die ich entweder noch nie gesehen hatte oder vom Sehen aus dem Dorf kannte. Der ganze Kirchenraum (eigentlich ja der Mädelsraum, wo sie sonst schlafen und Hausaufgaben machen) saß voll und auch davor saßen noch viele Frauen. Meistens sind viel mehr Frauen in der Kirche als Männer und an diesem Tag war es noch extremer. 

Plötzlich so viele Leute im Projekt...
Nach dem Gottesdienst gingen alle aufs Dach, wo eine lange Tafel aufgebaut war. Es gab Reis aus riesigen Töpfen und wir aßen in Schichten, weil nicht alle an die Tische passten. 
Annika und ich mit unserer Gastschwester Arlene

'Sister, foto, foto!!'

Nach dem Essen ging es auf dem Dach weiter, wo extra ein Zelt aufgebaut worden war. Es wurden noch ein paar Lieder gesungen und Ansprachen gehalten, sogar ein paar offizielle Politiker waren gekommen, was unseren Gastvater sehr erfreute. Zur Feier des Tages waren sogar ein paar Musiker engagiert worden, die ein Keyboard und ein elektrisches Schlagzeug dabei hatten. An sich wäre das ganz cool gewesen, aber leider waren die Instrumente viel zu laut eingestellt, dann musste man natürlich die Stimmen auch lauter stellen- am Ende war das ganze ohrenbetäubend und nicht mehr angenehm, sondern eher der Auslöser für Kopfschmerzen.

Meer aus Saris
 
Irgendwann hatte jeder, der etwas zu sagen hatte, was gesagt oder sein Liedele gesungen und es wurden die Saris verteilt. Die Frauen wurden namentlich aufgerufen und kamen nach vorne und bekamen eben einen Sari, manche auch zwei. Außerdem gab es für jeden noch einen Sack Reis und morgens in der Kirche waren schon mehr oder weniger schöne Bilder verteilt worden, auf denen eine Taube und ein paar Weinblätter zu sehen sind und auf Tamil ein Bibelspruch steht (also, ich kann das nicht lesen, aber ich vermute mal, dass es ein Bibelspruch ist). Der beste Teil des Programms kam dann: es wurden noch mehr Lieder gesungen und die Musiker spielten und irgendwann begann ein sehr sympathischer Pastor, zu tanzen. Der Mann war mir schon vorher aufgefallen, weil er richtig nett mit den Kindern umging und insgesamt wirkte wie ein überdimensionierter Teddybär. So wurden die anderen Pastors irgendwann mitgerissen und tanzten nacheinander und ich wippte schon so mit und die Mädels versuchten, mich zu überreden, auch nach vorne zu gehen- alleine. Das war mir dann doch zu unangenehm, aber irgendwann standen ein paar von ihnen auf und zogen mich mit und wir standen vor einer Menge Leute und tanzten. Ich weiß nicht, wie das aussah, aber es muss sehr lustig gewesen sein. Ich fühlte mich dabei aber kein bisschen unwohl muss ich sagen: Ich war in dem Moment richtig glücklich. Das sah dann bestimmt noch witziger aus, weil ich sicher bin, dass ich so ein richtig fettes Grinsen im Gesicht hatte, aber ich fühlte mich so gut: mit meinen ganzen Mädels vorne zu stehen und in lachende Gesichter zu blicken, die einem aus dem bunten Sarimeer entgegen blicken. Die Mädels meinten danach, dass ich sehr 'cute' getanzt hätte- auch was wert. Übrigens kam irgendwann auch noch der sympathische Pastor dazu und begann, einen Kopfstand zu machen. Da war die Stimmung dann auf ihrem Höhepunkt!
Um vier war das Programm beendet und Annika und ich machten uns auf den Weg zu zwei Freundinnen ins Projekt, die uns eingeladen hatten. Dort machten wir abends unsere eigene Weihnachtsfeier: ich hatte Plätzchen und Marzipankartoffeln, ein Gesangbuch und eins unserer grünen Liederhefte, was mir meine Oma geschickt hatte. Momo und Fiona hatten Tee, Apfelringe und Lindt-Schokolade und eine Gitarre und eine Flöte. So saßen wir da, schlemmten und sangen Weihnachtslieder und waren sehr zufrieden mit der Welt.
In den Tagen bis Weihnachten bastelten wir noch mit den Kindern Weihnachtssterne aus Transparent-Papier, das Fiona geschickt gekriegt hatte und das bei ihnen übrig war. (Das sag ich jetzt eigentlich nur, um euch ein paar süße Fotos von unseren Kindern präsentieren zu können :D)

 

 

 

Zu diesem Bild bleibt wohl nichts mehr zu sagen außer: Schade, dass es nicht scharf ist.

Die Kinder hatten noch Schule bis zum 23. Dezember. In dieser Zeit und auch in der Woche davor hatten sie Exams, was heißt, dass sie nur halbtags Schule haben. Was für uns hieß, dass wir plötzlich viel mehr Zeit im Projekt verbrachten, um mit den Mädels Englisch und Mathe zu lernen. Es war zwar oft anstrengend, aber ich genoss es auch richtig, weil mir hier doch manchmal das Gefühl fehlt, gebraucht zu werden. Ab dem 24. hatten die Kinder frei. Wir kamen erst vormittags, weil unser Gastvater meinte, wir sollten uns morgens ausruhen. Wir wussten jetzt nicht so richtig, was uns erwartete, aber wer hätte es gedacht: es war mal wieder Gottesdienst. Ein Bekannter des Gastvaters war gekommen, der auch Leiter einer NGO ist. Es gab wieder Gottesdienst und die Kinder führten Tänze auf und letztendlich endeten auch wir wieder tanzend auf der Bühne. Am Ende bekamen manche der Mädchen von dem Bekannten noch einen Satz Kleidung geschenkt- aber nur manche, und von den Jungs kriegte keiner was. Kaum war der Bekannte weg, beschwerte sich unser Gastvater darüber, dass er den Bekannten nach Geld gefragt hätte und was bringt er: nur ein paar Geschenke. Er redete noch eine Weile weiter und wir verstanden nur die Hälfte. Abends kam übrigens noch ein anderer Mann und brachte Klamotten für die Jungs. Ob die jüngeren Mädchen auch noch was gekriegt haben, haben wir leider nicht mitgekriegt.
Alle wuselten den ganzen Nachmittag herum und wir wussten nicht so richtig, was wir tun sollten, weil alle unglaublich beschäftigt schienen, aber keiner Arbeit für uns hatte. Ich ging irgendwann zu den Mädels und prompt wurde ich in einen ihrer Tänze eingebunden: im klassischen tamilischen Tanz benutzt man manchmal solche Stöcke, die man so gegeneinander schlägt oder gegen die des Partners. Weil ihr Tanz morgens nicht so gut geklappt hatte, sollten Annika und ich das jetzt aufpeppen. Wir machten es zweimal durch und wir nahmen das Ganze nicht so ernst, dann fing plötzlich der Gottesdienst an. 

Unser Gastvater und unser Gastbruder

Jungs beim Tanzen


Ja und dann am Ende des Gottesdienstes wurden wir auf die Bühne geholt und mussten mittanzen. Wir hatten viel Spaß und die Zuschauer hatten auch bestimmt viel Spaß, mehr muss ich dazu wohl nicht sagen (wobei es erstaunlich gut geklappt hat). Um zehn war das Programm zu Ende. Eigentlich wurde uns angekündigt, dass es ein Night Prayer geben sollte, von 11 bis halb zwei, aber entweder sie dachten, es wäre dann für uns zu spät, oder es wurde wirklich gecancelt, jedenfalls wurden wir nach Hause gebracht. Annika und ich nutzen die Chance und machten für uns nochmal eine kleine Weihnachtsfeier, zündeten die Kerzen unseres Adventskranzes an und sangen wieder Weihnachtslieder. Dann packten wir die Geschenke aus, die wir hatten: ich hatte eines von meiner Mutter (auch wenn ich schon wusste, was drin war) und ein Paket von meiner Oma, aus dem ich vorher nur die Weihnachtskekse und das Liederheft herausgezogen hatte. Ich fand darin dann zum Beispiel noch eine Bibel, aus der wir uns gleich noch die Weihnachtsgeschichte vorlasen, und- oh Freude!!- eine Engardiner Nusstorte, die immer noch sehr gut schmeckte. Außerdem hatte Annika mir einen lieben Brief geschrieben. Um zwölf kam eins der Mädchen nochmal aus ihrem Zimmer, um uns 'Happy Christmas' zu wünschen, das ist hier wohl erst ab 12. Dann gingen wir schlafen- ein seltsamer heiliger Abend. Zum essen gab es übrigens Reis mit Rassam (das ist so eine dünne Soße, die nach fast nichts schmeckt) und ein bisschen Fleisch- und zwar zum Mittag- und zum Abendessen
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Am 25. gingen wir morgens ins Projekt, um – Überraschung- wieder dem Gottesdienst beizuwohnen. Ich gestehe: Nachdem wir schon am Tag vorher mehrere Stunden im Gottesdienst verbracht hatten, hatte ich nicht mehr so viel Lust und las deshalb die ganze Zeit. Mein Buch war gut, deshalb wars dann ganz okay ;) Der Gottesdienst dauerte vier Stunden. Zum Mittagessen gab es Chicken Briyani, das ist so ein Reis, in dem die Soße schon drin ist. Eigentlich schmeckt der ganz gut, ich bin hier nur nicht so der Chicken-Freund, weil das meistens sehr fettig und knochig ist. Weil Weihnachten war und wir jegliches Heimweh vermeiden wollten, blieben wir den ganzen Tag im Projekt. Nach dem Essen legten sich alle hin, um zu schlafen- wir legten uns zwischen die Mädels und machten auf dem blanken Boden einen ausgiebigen Mittagsschlaf. Um fünf wurden wir geweckt und ich telefonierte bald danach noch eine Stunde auf dem Dach mit meiner Familie. Der Tag ging dann seinen gewohnten Lauf, wir halfen in der Küche und als wir heimkamen, schauten wir noch 10 Dinge, die ich an der hasse (als Traumschiffersatz). Übrigens hatte ich heute zum ersten Mal meinen selbstgekauften Sari an (den wir am 23. noch gekauft hatten.) Ich bin richtig stolz auf ihn und finde ihn super schön! Leider sind Saris echt nicht so praktisch und ich kann ihn auch noch nicht alleine anziehen, das will ich auf jeden Fall noch lernen.
Wir in unseren neuen Saris! :)
Am nächsten Tag kamen wir ins Projekt und fragten, was heute so passieren würde, da meinte Shanti: 'Ja, nichts?! Christmas finished. Normal day.' Trotzdem war wieder Kirche. Zum Glück hatte unsere Gastschwester Arlene Freundinnen zu Besuch, bei denen wir dann waren und uns so teilweise vor dem Gottesdienst drücken konnten. Die Freundinnen hatten einen Kuchen mitgebracht- Happy Birthday Jesus! Fehlte nur noch das Geburtstagslied. Sie hatten sogar an so ein Knallbonbon gedacht, das Konfetti schießt (was dann zuerst keiner aufgekriegt hat und dann im Kuchen landete) und an eine dieser fancy Lotus-Blüten aus Plastik, die zuerst zu sind und wenn man die Kerze oben drauf anzündet aufklappen und anfangen, Happy Birthday zu düdeln. Ich liebe diese Dinger, ich werde davon ganz viele nach Deutschland importieren! 

 
 
Wir gingen dann um halb zwei mal Mittagessen, während die Kinder immer noch im Gottesdienst saßen. Dann fuhren Annika und ich in die Stadt- wir hatten uns gegenseitig zu Weihnachten eine Ayurveda-Massage geschenkt, die wir dann gleich machen lassen gingen. Danach spazierten wir noch zum Strand und sangen Weihnachtslieder, die uns der Wind von den Lippen riss, weil es so stürmte. 
Dann fuhren wir wieder ins Projekt, wo nur noch ungefähr die Hälfte der Kinder da war: Die Kinder hatten Ferien bis zum 1. Januar und wurden von ihren Eltern oder anderen Familienmitgliedern abgeholt. Abends packten wir noch und kämmten die Läuse aus, die über die Weihnachtstage auf unseren Köpfen eingezogen waren. Christmas finished. 



Wir haben es geschafft, Weihnachten ganz ohne Heimweh zu überstehen (wobei, das Essen hab ich schon vermisst), und das haben wir wohl hauptsächlich unseren wunderbaren Kindern zu verdanken!




Dann kam eine Anti-Weihnachts-Phase mit ganz viel Hindu-Kultur: siehe nächster Post. 

Zu Silvester (das gehört für mich auch in diese Zeit, deshalb dieser Post) trafen wir uns mit 13 anderen Freiwilligen in Pondicherry. Wer von euch Schiffbruch mit Tiger gelesen hat: das ist die Stadt, in der Pis Vater den Zoo hat und die Geschichte losgeht. (Im Film kommt das glaube ich leider nicht vor). Pondicherry, kurz Pondi, war früher eine Kolonie der Franzosen, das merkt man heute auch noch. Nach einigem Chaos im Vorfeld wegen der Zimmer hatten wir auch etwas gefunden, wo wir alle 15 für wenig Geld unterkamen, außerdem war auch Annikas und mein Magen, den wir uns kurz vor unserem Urlaub gehörig verdorben hatten, wieder einigermaßen im Gleichgewicht. Die Gruppe war für meinen Geschmack zu groß, aber letztendlich verbrachten wir einen netten Abend, aßen gut und spazierten dann zur Strandpromenade, die von unendlich vielen Indern bevölkert wurde. Die meisten davon waren männlich und zwischen 20 und 30 und angetrunken, wir waren beliebte Fotoobjekte und wurden ständig angelabert und außerdem grölten die Inder die ganze Zeit herum. In das Spektakel mischten sich richtig viele Polizisten und wir waren nur so mittelentspannt. Um zwölf gab es ungefähr drei Raketen: das war es mit dem Feuerwerk. Zum Glück hatte ich mir extra Wunderkerzen schicken lassen, die ich an meine Freunde verteilte (was uns natürlich für die Inder noch interessanter machte). Um halb eins war das Spektakel beendet: Sperrstunde. Die Polizisten trieben alle von der Promenade und wir ließen uns mit der Masse zurück zu unserem Hotel treiben. Ich war wirklich froh, als wir angekommen waren, keiner von einem betrunkenen Motorradfahrer angefahren wurde und ich nicht mehr tausend Händen ausweichen musste, die mir ein Happy New Year wünschen wollten. So hatte das Jahr irgendwie komisch angefangen (das haben bei mir aber die meisten letzten Jahre). Die Stunden danach machten das wett: ich saß mit zwei oder drei anderen hinter unserem Haus, die anderen rauchten und rauchten und ich saß dabei und wir unterhielten uns gut und hörten deutsches Radio bis um sechs Uhr morgens. Dann schlief ich noch ein paar Stunden auf ein paar zusammengeschobenen Sitzkissen und um zwölf ging der Großteil der Gruppe zum Busstand und wir gingen in ein Hotel, wo man richtig fett europäisch frühstücken kann. Wir verbrachten die nächsten zwei Stunden damit, Müsli, Brot und Croissants zu essen, Kaffee und Saft zu trinken, und aufs Meer zu schauen. Jetzt ist schon 2015: ich kann es gar nicht glauben. Ich bin mir sicher, dass die Zeit hier super schnell vergehen wird, vor allem, da mir jetzt jede Menge Reisen bevor stehen. Aber ich freue mich auf das neue Jahr und auf das, was es mir bringen wird: Langweilig wird es mir bestimmt nicht! 

Und falls jetzt jemand tatsächlich bis hier gekommen ist: entschuldigt das Layout. Ich sitze jetzt schon seit drei Stunden im Cafe und schnorre Internet und langsam hab ich keine Lust mehr.