Freitag, 14. November 2014

Meine grosse Filmkarriere startet in 3, 2, 1...


Letzten Montag waren Annika und ich in unserer Mittagspause in Mamallapuram, einem Dorf in der Nähe, in dem wir schon manchmal waren. Es gibt dort eine Menge Reliefs und einen Strand und dadurch viele Touristen, worauf das Dorf auch ausgerichtet ist. Nun, Annika und ich hatten dort etwas zu erledigen und spazierten noch durch die Straßen, als uns ein anderes deutsches Mädchen ansprach: sie wurde gerade von einem Agenten angesprochen, ob sie nicht Lust hätte, morgen in einem Film mitzuspielen. Es wurden noch zwei andere Mädchen gebraucht, die sie suchen sollte. Wir gingen dann zusammen zu dem Agenten, der noch in Mamallapuram war, der schaute uns kurz an und fand uns passend, wir tauschten Handynummern aus und verabredeten uns am nächsten Morgen für sieben Uhr an der Straße in Mamallapuram. 

Wie wohl auch in Deutschland bekannt ist, gibt es in Indien eine riesige Filmindustrie. Nach Deutschland gelangen vor allem die Bollywood-Filme, die in Mumbai produziert werden und ursprünglich auf Hindi sind. Doch auch in Chennai werden massenhaft Filme produziert, inzwischen fast so viele wie in Mumbai. Diese werden Kollywood-Filme genannt und sind dann auf Tamil. Vom Stil her sind sie ähnlich wie die Bollywood-Filme: eine seichte Geschichte mit Actionszenen, einer Liebesgeschichte und Comedy-Einlagen und natürlich Musik- und Tanzszenen. Das ganze dauert dann noch drei Stunden und ist ein Film für die ganze Familie.
In diesen Filmen springen oft westlich aussehende Statisten herum, die meistens einfach auf der Straße angesprochen werden und dann einen Tag mit zum Set kommen. Genau so lief es bei uns auch: Wir wurden am Dienstagmorgen sogar fast pünktlich mit dem Auto (das dritte Mal, dass ich in Indien mit dem Auto gefahren bin!) abgeholt und fuhren zu einem Luxusresort in der Nähe. Als erstes bekamen wir mal Frühstück und wurden danach in unsere Kostüme gesteckt: Sportklamotten und Sportschuhe. 

Die Story des Films ist eine Art Dirty Dancing, nur mit Boxen: Die Heldin des Films kann eigentlich gar nicht boxen, muss aber einen Wettbewerb gewinnen. Sie trainiert hart und wird immer besser und verliebt sich (Überraschung!!) in ihren Trainer. Am Ende gibt es ein großes Turnier, und jetzt ratet, wer das gewinnt: ich!! (haha, kleiner Scherz)
Annika und ich waren Boxerinnen aus Russland und den USA, Hannah, die andere Deutsche, spielte meine Trainerin. Außerdem gab es noch ungefähr zehn andere Mädels, die auch Boxerinnen spielten. Ich gebe ehrlich zu, dass sie besser dafür qualifiziert waren: die Mädchen boxen auf Landesebene und sahen auch dementsprechend sportlich aus. Insgesamt fühlte ich mich etwas fehl am Platz: ein Sportfilm mit Liebeseinschlag-Meine Talente in beiderlei Hinsicht sind ja eher bescheiden. 
Mit einer der Profiboxerinnen


Wir waren in drei Szenen im Hintergrund zu sehen: einmal trainiert die Heldin im Fitnessstudio und wir bedienen die Geräte. Die zweite Szene war sehr amüsant: es sollte ein Training im Stadion darstellen und wir sollten uns im Hintergrund sportlich betätigen. Während die Boxerinnen rasant Seil sprangen, auf einen Boxsack einschlugen und Liegestütze machten, wurde mir so ein Gummi-Expander mit Griffen in die Hand gedrückt (und eine Jacke angezogen, den Sinn davon hab ich nicht so ganz verstanden). In der dritten Szene geht es darum, dass die Boxerinnen vor dem Turnier untersucht und gewogen werden und ich vermute, dass man mich da sowieso nur von hinten sieht. Ach ja, eventuell sieht man mich einmal noch auf den Stufen der Sporthalle schlafen (ich war müde…), aber ich hoffe einfach mal, dass wir da nicht zu sehen sind.
Auch wenn ich nicht die perfekte Besetzung war, hatten wir eine Menge Spaß. Die Boxerinnen waren begeistert von uns und versorgten uns mit Snacks und Getränken, wir bekamen gutes Essen und wurden ständig mit Tee versorgt.
Auch die Schauspielerin, die die Hauptrolle spielt, war super nett. Ich dachte eigentlich, dass die Stars, hier in Indien Heroes und Heroines genannt, eine Sonderbehandlung bekommen würden, aber die Hauptdarstellerin zog sich im gleichen Zimmer wie wir um und war insgesamt super unkompliziert und machte sich auch selbst die Haare. Allerdings war das auch ihr erster Film. 


Der männliche Hauptdarsteller (ihr Coach also), war da ein ganz anderes Kaliber: sein Assistent stand sozusagen die ganze Zeit in seiner Nähe und bediente ihn. Das wichtigste Instrument war ein Spiegel, den der Assistent über den Tag mindestens 15 Mal hinauszog und auch die Frage 'Hair ok?' war so oft zu hören, dass wir uns schon bald darüber lustig machten. Wir redeten auch mal mit der Hauptdarstellerin darüber, die grinsend meinte, dass in diesem Film wohl der Hero eigentlich die Heroine sei.
Der Agent fragte auch gleich, ob er sich bei mir melden könne, wenn er noch mehr Jobs für uns hätte, so stehe ich also in den Startlöchern für eine Karriere als professionelle Statistin. 



Dienstag, 4. November 2014

Mein Alltag-ein Fragebogen, Teil 1: Das Projekt


Meine liebe (Paten)Tante schrieb mir vor einiger Zeit eine Email mit einer Menge Fragen über meine Alltag, die ich hier nun als Grundlage verwende, um euch meinen Alltag ein bisschen näher zu bringen. 

  1. Wie klappt es inzwischen mit der Verständigung?

Nun ja. Also die Leute in unserem Projekt haben leider noch nicht auf wundersame Weise über Nacht Englisch gelernt und meine Fortschritte in Tamil sind auch nur mit einer Lupe auszumachen. Tamil ist einfach ziemlich schwierig und ich muss gestehen, dass ich mich auch nur sehr selten dazu aufraffen kann, mich in meiner Freizeit damit zu beschäftigen.
Trotz allem klappt es mit der Verständigung irgendwie. Es ist immer jemand in der Nähe, der zumindest ein paar Brocken Englisch kann, sei es eins von den Kindern, das dann hergeholt wird, um zu übersetzen, oder der Kioskbesitzer, der von unseren Nachbarn zu Rate gezogen wird, wenn sie uns etwas erklären wollen. Außerdem haben die Leute auch keinerlei Probleme damit, uns einfach auf Tamil zu erzählen, was sie uns sagen wollen, dass wir kein Wort verstehen, beeindruckt sie nur wenig. An manchen Tagen finde ich das lustig, an anderen Tagen nervt es mich aber auch, wenn mich jemand zutextet, der ganz genau weiß, dass ich kein Tamil verstehe.

 2. Könnt ihr den Kindern etwas beibringen?

Bis jetzt beschränkt sich unser Englischunterricht noch darauf, den Kindern dabei zu helfen, die Texte in ihrem Buch zu lesen. Die sind meiner Meinung nach leider dem Leistungsstand der Kinder kein bisschen angepasst und viel zu schwierig. Auch sehr verbreitet sind Gedichte, die die Kinder dann auswendig lernen müssen. So lesen wir also diese Texte, die die meisten Kinder nicht verstehen, wir können sie ihnen aber auch nicht erklären.
Dieser Zustand ist natürlich weder für die Kinder noch für uns befriedigend, weshalb wir jetzt angefangen haben, die Englischkenntnisse der Kinder zu testen, um sie dann in Gruppen einzuteilen. Wir planen jetzt, den Kindern in diesen Gruppen ihrem Leistungsstand angepassten Englischunterricht zu geben, das heißt für die Jüngeren, dass wir vor allem lesen und schreiben mit ihnen üben, mit den Älteren wollen wir vor allem sprechen und Konversationen üben.

  3. Wie ist der Kontakt zu den Mitarbeitern im Haus?

Außer den rund 50 Kindern gibt es im Projekt unsere 'Gastfamilie', bestehend aus unserer Gastschwester Arlene, die uns auch Tamilunterricht gibt, und unserem Gastvater/Projektleiter/Pastor. Mit unserer Gastschwester verstehen wir uns recht gut. Unser Gastvater ist, sagen wir mal, ein bisschen kompliziert. Er redet gerne und viel und man versteht leider sein Englisch nicht so gut, weshalb wir nur ungefähr die Hälfte von dem verstehen, was er so sagt.
Zudem gibt es noch Shanti, eine Frau mittleren Alters, die im Projekt wohnt und arbeitet. Sie ist für mich eine Art Ersatzmama, die sich um uns kümmert. Sie arbeitet in der Küche, weshalb wir bei der Küchenarbeit recht viel Kontakt mit ihr haben. Übrigens haben wir schon drei verschiedene Köchinnen mitbekommen, die alle nach einiger Zeit wieder verschwunden sind, seit die letzte weg ist, kocht Shanti.
Außerdem wohnt auch noch eine ältere Frau im Projekt, die von allen Amma, also Mama, genannt wird (ihren richtigen Namen weiß ich gar nicht). Sie arbeitet eigentlich nicht wirklich sondern sitzt den ganzen Tag nur auf einem Stuhl und beaufsichtigt von dort aus die Mädchen, wenn sie gerade draußen sind.
Unsere Contact person im Projekt ist Gandhimathi, die mit ihrer sechsjährigen Tochter Blessy ein Zimmer im Projekt hat. Sie ist mit dem jüngeren Bruder von unserem Gastvater verheiratet, der aber nur manchmal da ist. Sie ist unsere erste Ansprechperson, was Reisepläne, Probleme oder Fragen angeht und auch die Kontaktperson für unsere FSL-Betreuerin.
Am meisten Kontakt haben wir eigentlich mit Arlene, Shanti und Gandhimathi. Arlene spricht von allen am besten Englisch, die beiden Frauen sprechen gut genug Englisch, dass man sich mit ihnen mehr oder weniger problemlos verständigen kann.

4. Kannst du etwas mit der englischen Bibel und der Gitarre anfangen?

Wie ihr vielleicht mitbekommen habt, habe ich mir eine Gitarre gekauft. Ich übe mehr oder weniger fleißig, halte meine Fähigkeiten allerdings noch nicht für präsentierfähig. Mein Plan auf längere Zeit gesehen ist es, mit den Kindern zu singen und vielleicht eine Art Chor aufzubauen. Wie gut das klappt, ist fraglich: Die Kinder singen zwar jeden Tag beim Gebet und viele haben auch ein sehr gutes Rhythmusgefühl, allerdings haben sie keinerlei musikalische Erziehung und ich bin mir nicht ganz sicher, wie gut sie neue Lieder lernen können. Aber einen Versuch ist es auf jeden Fall wert und falls das irgendwie klappen sollte, wird es bestimmt schön und spaßig sowohl für die Kinder als auch für mich.
Meine Oma hat mir schon vor längerer Zeit eine englische Bibel geschickt. Die Kinder haben morgens und abends ein Gebet, das so knapp eine halbe Stunde dauert. Morgens lesen sie immer eine Weile in der Bibel und abends muss jedes Kind einen auswendiggelernten Bibelvers aufsagen. Nun kam jemand auf die Idee, wir sollten doch den Kindern die Bibelverse auf Englisch beibringen, wofür natürlich eine englische Bibel nötig wäre. Umgesetzt haben wir diese Idee jedoch nie und ich bin ehrlich gesagt auch ganz froh darüber, da die Kinder wirklich schon genug lernen müssen und wir ihnen die Sache nicht noch unnötig schwerer machen wollen. Außerdem bringt es ihnen auch nichts, die Verse auf Englisch auswendig zu lernen, da sie nichts verstehen werden.

 Unsere Arbeit und unser Tagesablauf haben sich eigentlich seit dem letzten Post zu diesem Thema nicht veraendert. Falls ihr noch weiter Fragen habt, was mein Projekt oder andere Teile meines Alltags angeht, scheut euch nicht, mir zu schreiben! 

Haus am See

Die Strasse vor unserem Haus gestern morgen
Lieber Monsun, es tut mir leid, aber du und ich, wir werden wohl nie Freunde!

Kleine Geschichten aus meinem indischen Alltag, Kapitel 5 und 6

 

Kapitel 5: Köchinnen

In unserem Projekt herrscht ein großer Verschleiß an Köchinnen. Als wir ankamen gab es, wenn ich mich recht erinnere, zwei Köchinnen. Außerdem gab es noch eine Oma, die immer auf dem Dach saß. Als erstes verschwand die Oma. Nachdem wir sie ein paar Tage nicht gesehen hatten, fragten wir nach, was denn mit ihr passiert sei. Anscheinend hat es die Leute im Projekt gestört, dass die Oma immer auf dem Dach gechillt hat, weil sie eigentlich da war, um die Töpfe zu spülen. Es kam dann zum Streit, weshalb die Oma beleidigt abzog und seither nicht mehr auftauchte. Warum die beiden Köchinnen verschwanden, weiß ich auch nicht, jedenfalls gab es plötzlich eine neue Frau in der Küche. Die plapperte uns immer fröhlich auf Tamil voll und bestand darauf, dass wir Fußkettchen trugen. Nach einer Weile erschien eine zweite Frau, die wohl eher als Küchenhilfe angestellt war und sich aus allem raushielt und mit uns Gemüse schnippelte. Nach den Ferien waren sowohl die Köchin als auch ein junger Mann, der auch immer im Projekt war, verschwunden. Wir haben schon immer vermutet, dass zwischen den beiden was läuft und jetzt sind beide auf einmal verschwunden: das heizt natürlich unsere Fantasie beim Gemüseschneiden gehörig an und wir haben uns die tollsten Geschichten ausgemalt darüber, dass die beiden zusammen durchgebrannt sind. So erhielt  die Küchenhilfe kurzerhand ein Upgrade zur Köchin, allerdings blieb auch sie noch nicht mal einen Monat und war dann plötzlich auch weg. Seitdem kocht Shanti.

Kapitel 6: Die Nachbarn, zweiter Teil

Letztens war mal unsere Wasserpumpe kaputt und wir hatten für ein paar Tage kein fließendes Wasser. Da wir abends doch sehr gerne duschen, fragte ich die Nachbarn, ob sie mir ein paar der Wasserbehälter füllen könnten, die wir bei uns im Haus fanden. Vor der Tür saßen die Nachbarn von beiden Wohnungen und als das Nachbarsmädchen mit dem vollen Wasserkrug herauskam, standen sie und der Rest der weiblichen Nachbarschaft in unserer Wohnung und inspizierten sie. Sogar die Frau aus dem Kiosk hatte mitbekommen, dass es was zu sehen gibt und war gekommen.
Am nächsten Tag putzten wir die Wohnung und die Oma aus dem Nachbarhaus kam vorbei. Sie hatte am Tag vorher nicht unsere Wohnung besichtigt und wollte das wohl noch nachholen, spazierte also, als ich gerade das Wasser ausleerte einfach in unser Haus, durch unser frischgeputztes Zimmer und warf einen Blick ins Bad. Danach murmelte sie etwas auf Tamil und trat den Rückzug an.