Inzwischen sind schon
mehr als zwei Wochen vergangen und ich hab mich langsam an das Leben hier
gewoehnt. Wenn mir
jemand sagt, dass ich um eins da sein soll, komm ich um halb vier und bin
trotzdem noch die erste, wenn ich auf der Strasse angehupt werde oder mir
hinterhergepfiffen wird, erschrecke ich mich nicht mehr und die Zeitumstellung
hat inzwischen auch geklappt.
Euch interessiert
bestimmt, was ich hier so mache. Eigentlich nichts spannendes: ich treffe mich
mit meinen Freunden, wir gehen ins Einkaufszentrum oder ins Kino oder an den
Pool. Nichts
spektakulaeres, aber ich bin zufrieden.
Zwei
interessante Highlights meiner Zeit bisher:
1. Ein Ausflug zum Strand mit Leo, der bei mir in der
Klasse war. Die Woche vor Ostern ist Semana Santa- die traditionelle Woche, um
an den Strand zu gehen, in den Urlaub zu fahren und zu feiern (auch am
Karfreitag. Aber dieses Jahr hat die Regierung beschlossen, dass am Donnerstag
und am Freitag kein Alkohol verkauft werden darf. Das passiert hier manchmal,
zum Beispiel auch an Wahltagen. Alkohol wird sowieso nur in speziellen
Geschaeften verkauft, und die haben dann zu.) Ich habe natuerlich sehr viel
Lust, an den Strand zu gehen. Mit meinen Freunden hatte ich geplant, am
Mittwoch zu gehen, aber dann wurde das doch nur ein Tag am Pool. Meine Familie
hatte vorgeschlagen, am Donnerstag zu gehen, aber dann hatte meine
Gastschwester keine Lust und wir sind doch nicht gegangen. Abends hab ich mich
dann mit meinen Freunden getroffen und Leo erzaehlte eben, dass er heute am
Strand war, und so lud ich mich sozusagen selbst ein fuer das naechste Mal.
(Ach ja: Am Freitag kam ich heim, ich hatte bei einer Freundin uebernachtet,
und keiner war da und meine Familie beantwortete meine Nachrichten nicht.
Nachdem ich drei Stunden zwischen dem Pool und dem Boden vor der Haustuer, wo
es Wlan gab, hin und her bin, war es mir zu doof und ich hab mich von einem
Freund abholen lassen. Ratet,
wo meine Gastfamilie war: Am Strand. Irgendwie wurden sie eingeladen und haben
gedacht, dass ich sowieso den ganzen Tag bei meiner Freundin waere. Aaaaaha.)
Letztendlich
bin ich dann tatsaechlich am Samstag an den Strand. Mein Gastvater brachte mich
zu der Adresse, die Leo mir gegeben hatte. Der war allerdings noch nicht da,
dafuer sein Grossvater und eine Menge anderer Familienmitglieder. Das Haus, wo
sich alle getroffen haben, gehoerte dem Opa und hatte die Form einer Pyramide
(so ein seltsames Haus hab ich noch nie gesehen). Irgendwann waren alle
eingetrudelt und sie fingen an, eine Menge Essen ins Boot zu packen. Die Familie besitzt ein eigenes
Boot, in das 15 Personen passen (so viele waren wir und dann wars ganz schoen
voll). Wir fuhren dann eine Weile und der Strand, an den wir eigentlich
wollten, war ueberfuellt (Semana Santa laesst gruessen), aber direkt daneben
war ein kleinerer Strand, an dem noch keiner war. Dort ankerten wir und assen
zuerst mal was. In zwischenzeit war ein zweites Boot angekommen und der kleine
Strand wurde bevoelkert von einer Menge Kinder und die Eltern fingen an, ein
Feuer zu machen.

Davon liessen wir uns aber die Laune nicht
vermiesen. Nachdem wir ein paar Stunden im Wasser rumgepaddelt waren, am Strand
in der Sonne sassen und ein paar Bierchen getrunken haben, fuhren wir wieder
zurueck.

Insgesamt ein schoener, aber auch ein bisschen seltsamer Tag. Die versammelte Familie war zwar
super nett zu mir und sie haben sich mit mir unterhalten und alles, aber
trotzdem kam ich mir ein bisschen fehl am Platz vor. Aber immerhin war ich mal
am Strand.
2.
Die
Demonstration. Alle, die jetzt kurz vor dem Herzinfarkt stehen, kann ich
beruhigen: es ging darum, dass ein neuer Lehrplan eingefuehrt werden soll,
unter anderem mit einem Fach, in dem es nur um die Geschichte von Chavez geht.
Zudem werden die Buecher und alles veraendert und in Mathe soll es zum Beispiel
Aufgaben a la “Juan hat drei Gewehre. Er schenkt ein Gewehr Jose. Gewehre sind
gut, und Juan und Jose sind nun geruestet fuer den Kampf fuers Vaterland. Wie
viele Gewehre hat Juan am Ende?” geben, lesen sollen die Kinder lernen mit Texten
wie “Der Platz ist sehr schoen. Der Himmel ist blau. Das Militaer macht eine
Parade. Da ist unser Freund Fidel. Viva Fidel!” Der Plan ist also, schon die
kleinsten Kinder zu Unterstuetzern des Sozialismus zu machen.
Die Leute sammelten sich an einem Punkt und dann ging es los.


Der Protest ging zum “Bildungsministerium”, einem
total schaebigen Haus. Dort wollten sie uns allerdings nicht durchlassen,
weshalb wir davor stehen blieben und verschiedene Leute ueber ein Megafon
verkuendeten, dass sie gegen besagten Bildungsplan sind.


Die
Demonstranten waren zu mindestens 80% Frauen, die fuer die Rechte ihrer Kinder
und Enkel demonstrieren-und keine Mutter faengt an, Steine auf Polizisten zu
schmeissen, und kein Polizist faengt an, Bomben mit Traenengas in eine Menge
mit lauter Frauen zu werfen. Deshalb war das ganze relativ ungefaehrlich,
ausserdem war ich mit Renata und ihrer Mama unterwegs, die gut auf mich
aufgepasst haben.
Eine
interessante und beruehrende Erfahrung war es aber auf jeden Fall.