Dienstag, 2. September 2014

Kanchipuram-eine kleine Geschichte von Affen, Tempeln und Seidenwebstuehlen


Am Freitag hatte der indische Gott Ganesha Geburtstag, was ein offizieller Feiertag in unserem Bundesstaat ist. Annika und ich und sieben andere Freiwillige nutzten die Chance und fuhren zusammen nach Kanchipuram, wo wir auch schon unsere Registrierung gemacht hatten.
Kanchipuram zählt zu den sieben heiligen Städten Indiens und es gibt eine Menge 
a) Tempel:
Am Samstag starteten wir nachmittags mit zwei extra angemieteten Rikscha-Fahrern zu einer Tempel-Tour, die die fünf wichtigsten Tempel umfasste. Nähere Erläuterungen zu den verschiedenen Tempeln erspare ich euch, die Bilder sprechen wohl für sich.














b) Affen:
Schon am Busbahnhof hatten wir unsere erste Begegnung mit diesen kleinen Affen. Danach sahen wir immer wieder welche: auf den Dächern oder auf dem Tempelvorplatz.


Die unheimlichste Affenbegegnung war aber, als wir gerade gemütlich bei uns im Zimmer saßen. Die Tür hatte nur so einen Riegel, den wir nicht vorgeschoben hatten. Plötzlich ging sie langsam auf und eine kleine Hand streckte sich hinein-ein Affe im dritten Stock unseres Hotels! Wir saßen völlig fassungslos auf dem Bett und die Tür ging weiter auf und der Affe schaute uns an. Eine Mitfreiwillige fasste sich irgendwann und sprang auf und machte die Tür zu, um zu verhindern, dass der Affe uns unsere Kekse klaut.

c) Webstuehle: 
Neben Tempelstadt ist Kanchi auch noch die Seidenstadt Indiens. Unser Hotel hatte zum Beispiel einfach mal ein paar Webstühle im Erdgeschoss stehen, an denen man vorbei lief, wenn man nach draußen wollte. Am Sonntag machten wir außerdem eine Tour, auf der ein Mann uns durch verschiedene Familienbetriebe führte, die von Hand weben. Das war wirklich total beeindruckend. Für einen Sari braucht man mit diesen Webstühlen mindestens zwei Wochen und fünf verschiedene Familien arbeiten daran mit-die einen färben die Seide, die nächsten ziehen die Fäden auf den Webstuhl, jemand muss das Muster erfinden und dann in die richtige Form bringen und schließlich muss jemand weben und dann verkaufen. 











Es geht steil bergauf!


Schon am Montag nach meinem letzten Blogeintrag hat sich unsere Situation bedeutend verbessert. Rubini, unsere Betreuerin von FSL kam zu Besuch, redete mit uns und den Leuten in unserem Projekt und ab Montagabend fing unsere Arbeitszeit an. Nun haben wir zumindest sechs Stunden am Tag was zu tun. Morgens stehen wir um kurz vor sechs auf und nehmen dann ein shared auto zu unserem Projekt. Wer glaubt, dass wir mit dem Auto fahren, liegt falsch. Als shared auto werden hier die etwas größeren Rikschas bezeichnet, die bestimmte Strecken abfahren. Man hält das auto an, steigt ein und klopft dem Fahrer auf die Schulter, wenn man wieder aussteigen will.
Wir kommen dann also so gegen halb sieben im Projekt an. Als erstes gehen wir meistens in die Küche. Zwiebeln schneiden und Knoblauchzehen knacken und 6.30? Willkommen in Indien und unserem Alltag. Meistens werden wir dann auch recht bald mit einem Kaffee beglückt, der uns den Morgen versüßt (buchstäblich: Kaffee wird hier mit sehr viel Zucker getrunken). Meistens geben wir dann noch den Kindern das Frühstück aus und richten das Vesper für die älteren Mädchen. Eins meiner Tageshighlights ist auf jeden Fall der Moment, in dem wir den Jungs die Haare machen: man stelle sich eine Horde kleiner Jungs vor, denen wir Kokosöl auf den Kopf schmieren und dann die Haare mit dem Kamm streng scheiteln und zur Seite kämmen. Der Höhepunkt kommt danach: die Kinder reiben sich jeden Morgen das Gesicht mit so Babypuder ein. Wenn sie damit fertig sind, haben sie meistens noch so weiße Flecken im Gesicht. Ich stehe dann also da und ein kleiner, weißgefleckter Junge schaut mit großen Augen zu mir hoch und wundert sich, über was ich mich so amüsiere.
Wenn die meisten Kinder weg sind, frühstücken wir. Meistens gibt es morgens für uns keinen Reis sondern so einen Brei mit Nüssen, der weder besonders süß noch besonders salzig ist, aber trotzdem ganz lecker. Nach dem Frühstück haben wir dreimal in der Woche mit unserer Gastschwester Tamil-Unterricht. Die Sprache ist echt total kompliziert und so fremd, dass es äußerst schwer ist, sich die Wörter zu merken. Zudem gibt es tausend grammatikalische Regeln, die uns undurchschaubar erscheinen und die unsere Gastschwester auch nur mit "Im englischen ist das leicht, aber in Tamil müssen wir die Sätze beenden" erklären kann. Trotzdem hoffe ich, dass ich die Sprache irgendwann zumindest so beherrsche, dass ich verstehe, was die Kinder so reden und von mir wollen.
Danach nehmen wir wieder ein shared auto zu unserer Wohnung und verbringen meistens den restlichen Morgen mit schlafen. Annika und ich haben zum Glück sehr ähnliche Schlafgewohnheiten und sind beide morgens noch nicht so aktiv, weshalb es uns nichts ausmacht, bis zum Mittagessen zu schlafen. Das haben wir entweder vom Projekt schon mitgebracht oder einer der Mitarbeiter radelt zu uns und bringt es uns. Meistens gibt’s mittags und abends Reis mit Soße. Man sagt ja, dass das Essen in Südindien sehr scharf sein soll, aber ich muss sagen, dass es sich meist gut essen lässt. Inzwischen fange ich auch an, andere Gewürze herauszuschmecken und nicht einfach nur ein Schärfegefühl im Mund zu haben.
Die Zeit, bis wir wieder ins Projekt fahren, verbringen wir mit Waschen, Tagebuch schreiben, im Reiseführer lesen oder Fotos sortieren. Da wir noch nicht alleine raus dürfen, sitzen wir halt die meiste Zeit in unserem Zimmer. Damit habe ich wirklich noch zu kämpfen: letztens habe ich aus Verzweiflung schon die Küche und das Bad geputzt, meine Tagebucheinträge sind auch so ausführlich, dass mein Buch schon fast voll ist und meine Fotos sind geordnet und gedreht wie nie.
Um fünf gehen wir wieder ins Projekt. Die Kinder sind gerade von der Schule gekommen und waschen sich und ihre Kleidung, während wir fürs Abendessen Knoblauch und Zwiebeln vorbereiten (Bei unserem Knoblauchkonsum brauchen wir hier wirklich keine Vampirangriffe fürchten und sind wahrscheinlich auch noch für das nächste Jahr in Deutschland geschützt!). Danach geben wir meistens Englischnachhilfe für die Kinder einer Klasse. Das klappt so mittelgut, beim ersten Mal habe ich versucht, den Kindern ein Grammatikkapitel aus ihrem Buch zu erklären (es ging um common nouns und abstract nouns, ich bin mir nicht sicher, ob wir sowas jemals gelernt haben, falls ja, hab ich es wieder vergessen und auch nie vermisst: das ist wirklich komplett überflüssig). Das Problem ist, dass die Kinder weder die Texte in ihren Büchern verstehen noch das, was ich versucht habe, ihnen zu erklären. So saßen wir also über eine Stunde da und ich bin mir ziemlich sicher, dass am Ende keins der Kinder eine Ahnung hatte, was ich jetzt auf zehn verschiedene Arten erklärt habe. Das ist weder für die Kinder noch für mich angenehm, weshalb ich gleich nach der ersten Stunde sagte, dass ich das so nicht mehr machen möchte. Stattdessen erkläre ich den Kindern jetzt einfachere Dinge, von denen ich merke, dass sie sie noch nicht können, was meistens auch recht gut klappt.
Manchmal haben wir auch Zeit, mit den Kindern zu spielen. Das ist immer sehr schön und auch sehr amüsant, wenn man die Verständigungsprobleme mal überwunden hat und jeder das Spiel verstanden. Leider kommt es nur viel zu selten vor, dass die Kinder zwischen Schule, Lernen und Arbeiten im Haus mal Zeit dafür haben, Kind zu sein und sich ein bisschen auszutoben.
Wir essen dann noch mit den Kindern zu Abend und fahren gegen neun nach Hause. Trotz Mittagsschlaf sind wir meist komplett geschafft und fallen um zehn schon ins Bett. Während ich es in Deutschland meistens schaffe, durchzuschlafen, hat man hier schon gut geschlafen, wenn man nur zwei oder dreimal aufwacht: mal bellt ein Hund (gefühlt direkt unter unserem Fenster), es ertönt mitten in der Nacht eine Hupe oder ganz beliebt bei uns ist auch das christliche Lied, das unser Gastbruder als Klingelton hat und das zu jeder beliebigen Tages-und Nachtzeit erklingt. Er hat leider einen sehr festen Schlaf, weshalb wir immer senkrecht im Bett sitzen, bis er mal seinen Anruf beantwortet. Was es um drei Uhr nachts so wichtiges zu besprechen gibt, kann ich euch auch nicht sagen…
Meine Arbeit macht mir bis jetzt wirklich Spaß. Dadurch, dass es sehr abwechslungsreich ist, wird es uns zumindest im Projekt nicht mehr langweilig und beim Gemüse schnippeln kann man sich auch gut unterhalten (leider nicht mit unserer Köchin, die nur Tamil kann). Ich hoffe nun, dass wir uns bald für die Zeit dazwischen ein Hobby suchen können und alleine raus dürfen-abgesehen davon hat sich ja schon viel verbessert.