Schon am Montag nach meinem letzten
Blogeintrag hat sich unsere Situation bedeutend verbessert. Rubini, unsere
Betreuerin von FSL kam zu Besuch, redete mit uns und den Leuten in unserem
Projekt und ab Montagabend fing unsere Arbeitszeit an. Nun haben wir zumindest
sechs Stunden am Tag was zu tun. Morgens stehen wir um kurz vor sechs auf und
nehmen dann ein shared auto zu unserem Projekt. Wer glaubt, dass wir mit dem
Auto fahren, liegt falsch. Als shared auto werden hier die etwas größeren Rikschas
bezeichnet, die bestimmte Strecken abfahren. Man hält das auto an, steigt ein
und klopft dem Fahrer auf die Schulter, wenn man wieder aussteigen will.
Wir kommen dann also so gegen halb sieben im
Projekt an. Als erstes gehen wir meistens in die Küche. Zwiebeln schneiden und
Knoblauchzehen knacken und 6.30? Willkommen in Indien und unserem Alltag.
Meistens werden wir dann auch recht bald mit einem Kaffee beglückt, der uns den
Morgen versüßt (buchstäblich: Kaffee wird hier mit sehr viel Zucker getrunken).
Meistens geben wir dann noch den Kindern das Frühstück aus und richten das
Vesper für die älteren Mädchen. Eins meiner Tageshighlights ist auf jeden Fall
der Moment, in dem wir den Jungs die Haare machen: man stelle sich eine Horde
kleiner Jungs vor, denen wir Kokosöl auf den Kopf schmieren und dann die Haare
mit dem Kamm streng scheiteln und zur Seite kämmen. Der Höhepunkt kommt danach:
die Kinder reiben sich jeden Morgen das Gesicht mit so Babypuder ein. Wenn sie
damit fertig sind, haben sie meistens noch so weiße Flecken im Gesicht. Ich
stehe dann also da und ein kleiner, weißgefleckter Junge schaut mit großen
Augen zu mir hoch und wundert sich, über was ich mich so amüsiere.
Wenn die meisten Kinder weg sind, frühstücken
wir. Meistens gibt es morgens für uns keinen Reis sondern so einen Brei mit
Nüssen, der weder besonders süß noch besonders salzig ist, aber trotzdem ganz
lecker. Nach dem Frühstück haben wir dreimal in der Woche mit unserer
Gastschwester Tamil-Unterricht. Die Sprache ist echt total kompliziert und so
fremd, dass es äußerst schwer ist, sich die Wörter zu merken. Zudem gibt es
tausend grammatikalische Regeln, die uns undurchschaubar erscheinen und die
unsere Gastschwester auch nur mit "Im englischen ist das leicht, aber in
Tamil müssen wir die Sätze beenden" erklären kann. Trotzdem hoffe ich,
dass ich die Sprache irgendwann zumindest so beherrsche, dass ich verstehe, was
die Kinder so reden und von mir wollen.
Danach nehmen wir wieder ein shared auto zu
unserer Wohnung und verbringen meistens den restlichen Morgen mit schlafen. Annika
und ich haben zum Glück sehr ähnliche Schlafgewohnheiten und sind beide morgens
noch nicht so aktiv, weshalb es uns nichts ausmacht, bis zum Mittagessen zu
schlafen. Das haben wir entweder vom Projekt schon mitgebracht oder einer der
Mitarbeiter radelt zu uns und bringt es uns. Meistens gibt’s mittags und abends
Reis mit Soße. Man sagt ja, dass das Essen in Südindien sehr scharf sein soll,
aber ich muss sagen, dass es sich meist gut essen lässt. Inzwischen fange ich
auch an, andere Gewürze herauszuschmecken und nicht einfach nur ein
Schärfegefühl im Mund zu haben.
Die Zeit, bis wir wieder ins Projekt fahren,
verbringen wir mit Waschen, Tagebuch schreiben, im Reiseführer lesen oder Fotos
sortieren. Da wir noch nicht alleine raus dürfen, sitzen wir halt die meiste
Zeit in unserem Zimmer. Damit habe ich wirklich noch zu kämpfen: letztens habe
ich aus Verzweiflung schon die Küche und das Bad geputzt, meine
Tagebucheinträge sind auch so ausführlich, dass mein Buch schon fast voll ist
und meine Fotos sind geordnet und gedreht wie nie.
Um fünf gehen wir wieder ins Projekt. Die
Kinder sind gerade von der Schule gekommen und waschen sich und ihre Kleidung,
während wir fürs Abendessen Knoblauch und Zwiebeln vorbereiten (Bei unserem
Knoblauchkonsum brauchen wir hier wirklich keine Vampirangriffe fürchten und
sind wahrscheinlich auch noch für das nächste Jahr in Deutschland geschützt!).
Danach geben wir meistens Englischnachhilfe für die Kinder einer Klasse. Das
klappt so mittelgut, beim ersten Mal habe ich versucht, den Kindern ein
Grammatikkapitel aus ihrem Buch zu erklären (es ging um common nouns und
abstract nouns, ich bin mir nicht sicher, ob wir sowas jemals gelernt haben,
falls ja, hab ich es wieder vergessen und auch nie vermisst: das ist wirklich
komplett überflüssig). Das Problem ist, dass die Kinder weder die Texte in
ihren Büchern verstehen noch das, was ich versucht habe, ihnen zu erklären. So
saßen wir also über eine Stunde da und ich bin mir ziemlich sicher, dass am
Ende keins der Kinder eine Ahnung hatte, was ich jetzt auf zehn verschiedene
Arten erklärt habe. Das ist weder für die Kinder noch für mich angenehm,
weshalb ich gleich nach der ersten Stunde sagte, dass ich das so nicht mehr
machen möchte. Stattdessen erkläre ich den Kindern jetzt einfachere Dinge, von
denen ich merke, dass sie sie noch nicht können, was meistens auch recht gut
klappt.
Manchmal haben wir auch Zeit, mit den Kindern
zu spielen. Das ist immer sehr schön und auch sehr amüsant, wenn man die
Verständigungsprobleme mal überwunden hat und jeder das Spiel verstanden.
Leider kommt es nur viel zu selten vor, dass die Kinder zwischen Schule, Lernen
und Arbeiten im Haus mal Zeit dafür haben, Kind zu sein und sich ein bisschen
auszutoben.
Wir essen dann noch mit den Kindern zu Abend
und fahren gegen neun nach Hause. Trotz Mittagsschlaf sind wir meist komplett
geschafft und fallen um zehn schon ins Bett. Während ich es in Deutschland
meistens schaffe, durchzuschlafen, hat man hier schon gut geschlafen, wenn man
nur zwei oder dreimal aufwacht: mal bellt ein Hund (gefühlt direkt unter
unserem Fenster), es ertönt mitten in der Nacht eine Hupe oder ganz beliebt bei
uns ist auch das christliche Lied, das unser Gastbruder als Klingelton hat und
das zu jeder beliebigen Tages-und Nachtzeit erklingt. Er hat leider einen sehr
festen Schlaf, weshalb wir immer senkrecht im Bett sitzen, bis er mal seinen
Anruf beantwortet. Was es um drei Uhr nachts so wichtiges zu besprechen gibt,
kann ich euch auch nicht sagen…
Meine Arbeit macht mir bis jetzt wirklich
Spaß. Dadurch, dass es sehr abwechslungsreich ist, wird es uns zumindest im
Projekt nicht mehr langweilig und beim Gemüse schnippeln kann man sich auch gut
unterhalten (leider nicht mit unserer Köchin, die nur Tamil kann). Ich hoffe
nun, dass wir uns bald für die Zeit dazwischen ein Hobby suchen können und
alleine raus dürfen-abgesehen davon hat sich ja schon viel verbessert.